{"id":974,"date":"2020-10-08T12:00:00","date_gmt":"2020-10-08T10:00:00","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=974"},"modified":"2020-10-08T09:32:08","modified_gmt":"2020-10-08T07:32:08","slug":"aerztliche-suizidbeihilfe","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/aerztliche-suizidbeihilfe\/","title":{"rendered":"Ärztliche Suizidbeihilfe"},"content":{"rendered":"
BGH, Urteil vom 03.07.2019 – 5 StR 393\/18 – NJW 2019, 3089\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

D leidet ihr Leben lang unter einem Reiz-Darm-Syndrom. Jegliche Therapieversuche bleiben erfolglos und eine Besserung ist nicht in Sicht. Die Lebensqualität der D ist dadurch derart eingeschränkt, dass sie über Jahre hinweg den Wunsch äußert, sterben zu wollen. Mehrfache Suizidversuche ihrerseits gelangen ihr jedoch nicht. Daher wendet sie sich 2013 an ihre Hausärztin, sie bei ihrer Selbsttötung zu unterstützen. A ist aufgrund der langen Leidensgeschichte überzeugt, D bei ihrem Vorhaben zu helfen. Sie stellt D ein Rezept für ein Medikament aus. Danach löst sie selbst ein Rezept für das todbringende Medikament ein und gibt es D. Nachdem D die Medikamente eingenommen hatte, sollte A sie betreuen und erhält dafür den Haustürschlüssel. D nimmt bei klarem Verstand und in vollem Bewusstsein das Medikament. Kurz danach informiert sie A, die kurze Zeit später in ihrer Wohnung eintrifft. A findet D bereits in einem komatösen Zustand vor. Bis zum Tod der D besucht A sie mehrfach und gibt ihr krampflösende und gegen Erbrechen wirkende Medikamente. Beide Medikamente haben keinen Einfluss auf den Todeseintritt. Ob notärztliche Sofortmaßnahmen die D hätten retten können, kann im Nachhinein nicht eindeutig festgestellt werden.\n\n\n\n

Wie hat sich die Hausärztin A strafbar gemacht?\n\n\n\n

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Skizze\n\n\n\n
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Gutachten\n\n\n\n

A. Strafbarkeit gem. §§ 212 I, 216 StGB\n\n\n\n

A könnte sich wegen der Tötung auf Verlangen der D gem. §§ 212 I, 216 StGB strafbar gemacht haben, indem A der D die todbringenden Medikamente verschafft hat, die D dann selbstständig einnahm und daran verstarb.\n\n\n\n

I. Tatbestand\n\n\n\n

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1. Objektiver Tatbestand\n\n\n\n
a) Tod eines anderen Menschen\n\n\n\n

D ist gestorben, der Tod eines anderen Menschen liegt vor.\n\n\n\n

b) Kausalität\n\n\n\n

Das Verschaffen der todbringenden Medikamente muss kausal für den Eintritt des Todes der D gewesen sein. Nach der conditio-sine-qua-non-Formel ist eine Handlung kausal für den tatbestandsmäßigen Erfolg, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der tatbestandliche Erfolg entfiele.[1]Rengier, Strafrecht AT, 11. Auflage 2019, § 13, Rn. 3.