{"id":954,"date":"2020-10-07T09:04:43","date_gmt":"2020-10-07T07:04:43","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=954"},"modified":"2022-02-01T21:47:52","modified_gmt":"2022-02-01T20:47:52","slug":"section-control-eine-neue-art-der-geschwindigkeitsueberwachung","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/section-control-eine-neue-art-der-geschwindigkeitsueberwachung\/","title":{"rendered":"Section Control – eine neue Art der Tempoüberwachung"},"content":{"rendered":"

OVG Lüneburg, Urteil vom 13.11.2019 – 12 LC 79\/19; NZV 2020, 145;
OVG Lüneburg, Beschluss vom 3.7.2019 –
12 MC 93\/19; NJW 2019, 2951\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

Auf der Bundesstraße 6 in Niedersachsen wurde auf 2 km von der Polizeidirektion P für das Land Niedersachsen als Pilotprojekt ein mit Schildern gekennzeichneter Streckenradar installiert. Bei dieser Abschnittskontrolle werden die Kennzeichen aller Kfz erfasst, die in den Streckenabschnitt ein- und ausfahren. Durch den Abgleich der Fotos und der jeweiligen Zeitstempel wird die Durchschnittsgeschwindigkeit ermittelt. Überschreitet diese die zulässige Höchstgeschwindigkeit (Trefferfall), macht eine dritte Kamera ein Foto zur Fahrerer*innenerkennung. Bei einem Nichttrefferfall werden die Datensätze automatisch und sofort gelöscht.\n\n\n\n

Die Autofahrerin A, die die Strecke nahezu täglich privat zurücklegt, fühlt sich durch den präventiven Teil der Abschnittskontrolle in ihren Grundrechten verletzt. Das Land sei nicht zuständig und die Kontrolle müsse sich auf besonders unfallträchtige Strecken beschränken. Übliche Messgeräte reichten nach ihrer Meinung vollkommen aus.\n\n\n\n

P wendet ein, eine Verletzung eigener Rechte von A sei bereits deshalb ausgeschlossen, weil sie die fragliche Strecke umfahren könne. Auch sei jedenfalls im Nichttrefferfall ein Eingriff in Grundrechte ausgeschlossen, da nur eine notwendige technische Miterfassung vorliege. Die Maßnahme sei auf § 32 VI NPOG zu stützen. Eine vergleichbare Regelung auf Bundesebene gebe es nicht.\n\n\n\n

Hat eine Klage der A gegen den Streckenradar Erfolg?\n\n\n\n

§ 32 VI NPOG:\n\n\n\n

1Die Verwaltungsbehörden und die Polizei dürfen im öffentlichen Verkehrsraum zur Verhütung der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von Kraftfahrzeugen nach Maßgabe des Satzes 2 Bildaufzeichnungen offen anfertigen und damit auf einer festgelegten Wegstrecke die Durchschnittsgeschwindigkeit eines Kraftfahrzeugs ermitteln (Abschnittskontrolle). 2Die Bildaufzeichnungen dürfen nur das Kraftfahrzeugkennzeichen, das Kraftfahrzeug und seine Fahrtrichtung sowie Zeit und Ort erfassen; es ist technisch sicherzustellen, dass Insassen nicht zu sehen sind oder sichtbar gemacht werden können. 3Bei Kraftfahrzeugen, bei denen nach Feststellung der Durchschnittsgeschwindigkeit keine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit vorliegt, sind die nach Satz 2 erhobenen Daten sofort automatisch zu löschen. 4Die Abschnittskontrolle ist kenntlich zu machen.\n\n\n\n


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Skizze\n\n\n\n\n\n
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Gutachten\n\n\n\n

Eine Klage von A hat Erfolg, wenn sie zulässig und soweit sie begründet ist.\n\n\n\n

A. Zulässigkeit\n\n\n\n

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges\n\n\n\n

Mangels aufdrängender Sonderzuweisung richtet sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges nach § 40 I 1 VwGO. Streitentscheidend ist § 32 VI NPOG der einseitig einen Träger öffentlicher Gewalt berechtigt. Nach der modifizierten Subjektstheorie handelt es sich folglich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Diese ist auch nichtverfassungsrechtlicher Art. Jedenfalls die Kennzeichenerfassungen am Anfang und Ende der Strecke stellen präventive Maßnahmen dar, sodass § 23 EGGVG insofern nicht einschlägig ist und eine abdrängende Sonderzuweisung nicht vorliegt. Der Verwaltungsrechtsweg ist demnach nach § 40 I 1 VwGO eröffnet.\n\n\n\n

II. Statthafte Klageart\n\n\n\n

Die Statthaftigkeit richtet sich nach dem Begehren der Klägerin, § 88 VwGO. A begehrt, die Abschnittskontrolle auf der B 6 zu unterlassen. Die Abschnittskontrolle zielt nicht auf die Herbeiführung eines Rechtserfolges, ist damit kein Verwaltungsakt gem. § 35 VwVfG i.V.m. § 1 I NVwVfG[1]In anderen Ländern ist natürlich auf die entsprechenden Normen zu verweisen.