{"id":916,"date":"2020-09-16T21:26:04","date_gmt":"2020-09-16T19:26:04","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=916"},"modified":"2022-01-29T13:29:56","modified_gmt":"2022-01-29T12:29:56","slug":"operationsverweigerer","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/operationsverweigerer\/","title":{"rendered":"Operationsverweigerer"},"content":{"rendered":"

BGH, Urteil vom 07.02.2017 – 5 StR 483\/16 – NJW 2017, 1763\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

Zwischen T und O kommt es zu einer tätlichen Auseinandersetzung. Im Verlauf stößt T mehrfach mit einem Kartoffelschälmesser in Richtung des Kopfes des O, um diesen zu verletzen, aber nicht zu töten. Zur Abwehr hebt O die Hände vor das Gesicht. In Folge der Hiebe kommt es zu Schnittverletzungen an der linken Hand des O, wobei die Beugesehnen von vier Fingern einschließlich der Nerven durchtrennt werden. O unterzieht sich einer Notoperation, lehnt eine weitere Behandlungen durch einen Spezialisten und eine Physiotherapie jedoch ab. Wegen der Verletzung kann O seine linke Hand nicht mehr schließen und die betroffenen Finger nicht mehr strecken. Diese Bewegungseinschränkungen sind zum Teil darauf zurückzuführen, dass O auf die erforderliche Nachsorge seiner Verletzung verzichtet hat. \n\n\n\n

Strafbarkeit des T? \n\n\n\n


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Skizze\n\n\n\n\n\n
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Gutachten\n\n\n\n

Strafbarkeit gem. §§ 223 I, 224 I Nr. 2 Alt. 2, Nr. 5, 226 I Nr. 2 Alt. 2 StGB\n\n\n\n

T könnte sich der gefährlichen schweren Körperverletzung gem. §§ 223 I, 224 I Nr. 2 Alt. 2, Nr. 5, 226 I Nr. 2 Alt. 2 StGB strafbar gemacht haben, indem er mit einem Messer in Richtung des Gesichts des O stieß, seine Hände traf und O aufgrund der Verletzung der Beugesehnen seine linke Hand nicht mehr schließen und die betroffenen Finger nicht mehr strecken kann.\n\n\n\n

I. Tatbestand\n\n\n\n

1. Objektiver Tatbestand des Grunddelikts\n\n\n\n
a) Taterfolg\n\n\n\n

T hat O körperlich misshandelt, da Messerhiebe in Richtung eines Kopfes eine üble und unangemessene Behandlung sind, die durch die Schnittverletzungen das körperliche Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt haben. O ist auch an der Gesundheit geschädigt, da T mit den Messerhieben einen pathologischen Zustand, nämlich die Schnittverletzungen hinzugefügt hat.\n\n\n\n

b) Kausale Handlung\n\n\n\n

Zudem war die Handlung des T nach der conditio-sine-qua-non-Formel kausal für die Verletzungen, da die Hiebe nicht hinweggedacht werden können, ohne dass die Schnittverletzungen entfallen.\n\n\n\n

c) Objektive Zurechnung\n\n\n\n

Der Erfolg ist T auch objektiv zurechenbar, da er durch die Hiebe die rechtlich missbilligte Gefahr von Schnittverletzungen geschaffen hat, die sich in den Schnittverletzungen an den Händen des O und die Durchtrennung der Beugesehnen der linken Hand realisiert hat.\n\n\n\n

2. Objektiver Tatbestand der Qualifikation gem. § 224 StGB\n\n\n\n
a) Gefährliches Werkzeug, § 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB\n\n\n\n

Bei dem Messer handelt es sich um ein gefährliches Werkzeug, da es in der konkreten Art der Verwendung, nämlich dem Zustechen in Richtung Kopf dazu geeignet ist, erhebliche Schnittverletzungen zuzufügen.\n\n\nVernetztes Lernen:Wann liegt bei der Körperverletzung mittels eines Messers sogar eine Waffe gem. 224 I Nr. 2 Alt. 1 StGB vor?

\nEin Küchenmesser, wie im vorliegenden Fall, ist keine Waffe, weil es nicht zum Zwecke der Verletzung anderer geschaffen wurde, sondern nur zu dieser Nutzung geeignet ist. Ein Messer wäre also dann eine Waffe, wenn die Beschaffenheit (Länge, Breite, Schärfe etc.) dafür spricht, dass das Messer gerade zu Kampfeinsätzen geschaffen ist. Das zeigt allein, dass die Abgrenzung von gefährlichem Werkzeug und Waffe müßig sein kann. Im Zweifel verbleibt aber die Möglichkeit auf die unechte Wahlfeststellung zu verweisen.[1]Hardtung, in: MüKo-StGB, 3. Aufl. 2017, § 224 Rn. 13, 19