{"id":873,"date":"2020-08-26T11:38:06","date_gmt":"2020-08-26T09:38:06","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=873"},"modified":"2022-02-01T21:48:44","modified_gmt":"2022-02-01T20:48:44","slug":"abgeordnetenburo","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/abgeordnetenburo\/","title":{"rendered":"Betreten von Abgeordnetenbüros"},"content":{"rendered":"

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BVerfG, Beschluss vom 09.06.2020 – 2 BvE 2\/19; NVwZ 2020, 1102\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

A ist Mitglied der Fraktion von DIE LINKE im Deutschen Bundestag. Am 29.09.2018 war der türkische Staatspräsident zu einem Staatsbesuch in Berlin, weshalb im Regierungsviertel Straßensperren vorgenommen wurden. Das Abgeordnetenbüro von A liegt im gesperrten Gebiet. Am Fenster seines Büros hingen in Papierform (DIN A4) Zeichen der kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG in Syrien. Die Fenster sind zum gesperrten Bereich gerichtet. \n\n\n\n

Beamte der Polizei beim Deutschen Bundestag wurden bei einem Kontrollgang auf die Plakatierung aufmerksam, als die Straßensperrungen in diesem Bereich bereits wieder aufgehoben waren. A war nicht zugegen. Versuche, ihn zu erreichen, unternahmen die Beamten nicht. Sie betraten die Abgeordnetenbüros von A und nahmen die Plakatierung ab. Passanten haben die Plakatierungen bislang nicht wahrgenommen. Später beriefen sich die Beamten auf eine auf Verbindlichkeit abzielende Dienstanweisung des Bundestagspräsidenten, nach der der Polizei beim Bundestag das Betreten eines Raumes zur Abwehr einer Gefahr gestattet ist.\n\n\n\n

A begehrt vor dem BVerfG die Feststellung, dass er durch das Betreten der Räume in seinen verfassungsmäßigen Abgeordnetenrechten verletzt worden ist. Es liege auch eine unzulässige Durchsuchung vor.\n\n\n\n

Hat ein Verfahren des A vor dem BVerfG Erfolg?\n\n\n\n


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Skizze\n\n\n\n\n\n
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Gutachten\n\n\n\n

In Betracht kommt ein Organstreitverfahren gem. Art. 93 I Nr. 1 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 5, 23, 63 ff. BVerfGG. Ein solches Vorgehen von A hat Erfolg, wenn das Verfahren zulässig und begründet ist.\n\n\n\n

A. Zulässigkeit\n\n\n\n

I. Zuständigkeit\n\n\n\n

Das BVerfG ist gem. Art. 93 I Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG für die Entscheidung im Organstreitverfahren zuständig.\n\n\n\n

II. Beteiligtenfähigkeit\n\n\n\n

A könnte als Abgeordneter gem. § 63 BVerfGG Teil des Organs Bundestag sein. Abgeordneten sind in Art. 38 I 2, Art. 39 I, Art. 46 ff. GG und §§ 16 ff. GO-BT (u.a.) eigene Rechte zugewiesen. Nähme man an, A wäre nicht Teil des Organs Bundestag, wäre er als Abgeordneter jedenfalls „anderer Beteiligter“ gem. Art. 93 I Nr. 1 GG. Unabhängig vom dogmatischen Anknüpfungspunkt ist A damit aktiv beteiligtenfähig.\n\n\nVernetztes Lernen: Wann ist die exakte dogmatische Einordnung relevant?

\nProblematisch ist, ob einzelne Abgeordnete als Teil des Bundestags dessen Rechte wahrnehmen können. Diese Frage der Prozessstandschaft ist im Rahmen der Antragsbefugnis anzusprechen. Erforderlich dafür ist die Einordnung als Teil des Bundestages gem. § 63 BVerfGG. Das BVerfG verneint in ständiger Rechtsprechung, dass Abgeordnete prozessstandschaftlich Rechte des Bundestages geltend machen können.[1]Vgl. BVerfG NVwZ 2007, 685, 686 m.w.N.