{"id":836,"date":"2020-08-20T09:04:39","date_gmt":"2020-08-20T07:04:39","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=836"},"modified":"2022-05-07T12:20:38","modified_gmt":"2022-05-07T10:20:38","slug":"gebrauchtes-pferd","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/gebrauchtes-pferd\/","title":{"rendered":"Gebrauchtes Pferd"},"content":{"rendered":"
BGH, Urteil vom 9.10.2019 \u2013 VIII ZR 240\/18<\/a> \u2013 BGH NJW 2020, 759<\/a><\/strong><\/h6>\n\n\n\n

Sachverhalt<\/strong><\/h1>\n\n\n\n

Die K, eine Amateur-Dressurreiterin, ersteigerte am 01.11.2018 auf einer von B veranstalteten \u00f6ffentlichen Versteigerung einen Hengst zum Preis von 25.678,32 Euro. Der Verkauf erfolgte \u00fcber einen \u00f6ffentlich bestellten Versteigerer, wobei B das Pferd im eigenen Namen als Kommission\u00e4r ver\u00e4u\u00dferte. Der am 22.05.2016 geborene Hengst war bis zum Zeitpunkt der Auktion \u2013 wie in dessen Alter \u00fcblich \u2013 weder geritten noch angeritten worden und auch noch nicht zur Zucht ausgew\u00e4hlt (=ungek\u00f6rt), aber von der Mutterstute getrennt und geschlechtsreif. Die in dem von der K zur Kenntnis genommenen Auktionskatalog (Auslage vor Ort) abgedruckten Auktionsbedingungen der B enthielten unter anderem folgende Regelung:<\/p>\n\n\n\n

\u201eDer Gew\u00e4hrleistungsanspruch des K\u00e4ufers verj\u00e4hrt bei Schadensersatz und bei Anspr\u00fcchen wegen Beschaffenheitsm\u00e4ngeln gem. I 1 <\/em>[= Angaben im Auktionskatalog] und 2 <\/em>[= in R\u00f6ntgenaufnahmen und im Untersuchungsprotokoll dokumentierte k\u00f6rperliche Verfassung] drei Monate nach dem Gefahr\u00fcbergang [\u2026]. Diese Befristung gilt nicht, soweit Anspr\u00fcche betroffen sind, die auf Ersatz eines K\u00f6rper- und Gesundheitsschadens wegen eines vom Verk\u00e4ufer zu vertretenden Mangels gerichtet oder auf grobes Verschulden des Verk\u00e4ufers oder seiner Erf\u00fcllungsgehilfen gest\u00fctzt sind. In solchen F\u00e4llen gilt die gesetzliche Frist.\u201c<\/em><\/p>\n\n\n\n

Nach einer von ihr im Jahr 2020 veranlassten tier\u00e4rztlichen Untersuchung erkl\u00e4rte die K gegen\u00fcber B am 11.10.2020 den R\u00fccktritt und forderte diese vergeblich zur R\u00fcckabwicklung des Vertrags bis zum 21.10.2020 auf. Sie habe nach der \u00dcbergabe zun\u00e4chst nur versucht, das in ihrem Stall untergebrachte Pferd zu longieren und an Sattel und Reitergewicht zu gew\u00f6hnen. Bereits dabei habe sich das Pferd auff\u00e4llig widersetzlich, schwierig und empfindlich gezeigt. Ab Mitte Oktober 2019 bis Fr\u00fchjahr 2020 habe sie versucht, das Pferd anzureiten. Dabei habe sich herausgestellt, dass es f\u00fcr sie nicht reitbar sei. Es habe \u2013 was zutrifft – schon mindestens im Zeitpunkt der Auktion so genannte \u201eKissing Spines\u201c im Bereich der Brust- und der Lendenwirbels\u00e4ule sowie eine Verkalkung im Nackenband im Bereich des Hinterhauptes, was nicht behandelbar ist, aufgewiesen. B lehnt die R\u00fcckabwicklung mit der Begr\u00fcndung ab, dass K ihr keine Frist zur Nacherf\u00fcllung gesetzt habe und au\u00dferdem erhebt B die Einrede der Verj\u00e4hrung.<\/p>\n\n\n\n

Kann K von B die R\u00fcckzahlung des Kaufpreises verlangen?<\/p>\n\n\n\n


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Skizze<\/h1>\n\n\n\n\n\n
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Gutachten<\/strong><\/h1>\n\n\n\n

Anspruch aus \u00a7\u00a7 437 Nr. 2 Alt. 1, 434 I 2 Nr. 2, 323 I Alt. 2, 326 V, 346<\/a> I BGB<\/strong><\/h2>\n\n\n\n

K k\u00f6nnte einen Anspruch auf R\u00fcckzahlung des Kaufpreises von 25.678,32 Euro Zug um Zug gegen R\u00fcckgabe des Pferdes aus \u00a7\u00a7 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 I Alt. 2, 326 V, 346<\/a> I BGB haben.<\/p>\n\n\n\n

A. R\u00fccktrittserkl\u00e4rung, \u00a7 349 BGB<\/a><\/strong><\/h2>\n\n\n\n

K hat den R\u00fccktritt am 11.10.2020 gegen\u00fcber B erkl\u00e4rt.<\/p>\n\n\n\n

B. R\u00fccktrittsrecht, \u00a7\u00a7 437 Nr. 2 Alt. 1<\/a>, 434<\/a> I 2 Nr. 2, 323<\/a> I Alt. 2, 326<\/a> V BGB<\/strong><\/h2>\n\n\n\n

K m\u00fcsste zudem ein Recht zum R\u00fccktritt zustehen. Dies k\u00f6nnte sich aus \u00a7\u00a7 437 Nr. 2 Alt. 1<\/a>, 434<\/a> I 2 Nr. 2, 323<\/a> I Alt. 2, 326<\/a> V BGB ergeben.<\/p>\n\n\n\n

I.   Kaufvertrag, \u00a7 433 BGB<\/a><\/strong><\/h3>\n\n\n\n

K und B m\u00fcssten einen Kaufvertrag gem. \u00a7 433 BGB<\/a> geschlossen haben. Der Hengst wurde im Rahmen einer \u00f6ffentlichen Versteigerung durch B zum Kauf angeboten. Bei einer Versteigerung kommt der Vertrag gem. \u00a7 156 S. 1 BGB<\/a> erst durch den Zuschlag zustande. K erhielt den Zuschlag f\u00fcr den Hengst durch den \u00f6ffentlich bestellten Versteigerer f\u00fcr ihr Gebot i.H.v. 25.678,32 Euro. Somit schlossen K und B einen Kaufvertrag gem. \u00a7 433 BGB<\/a>.<\/p>\n\n\n\n

II. Sachmangel bei Gefahr\u00fcbergang, \u00a7\u00a7 434<\/a> I, 446 S. 1 BGB<\/a><\/strong><\/h3>\n\n\n\n

Der von K gekaufte Hengst m\u00fcsste einen Sachmangel gem. \u00a7 434 BGB<\/a> aufweisen. Ein Sachmangel ist die negative Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit.<\/p>\n\n\n\n

Die Parteien haben keine konkrete Beschaffenheitsvereinbarung gem. \u00a7 434 I 1 BGB<\/a> geschlossen.<\/p>\n\n\n\n

Es k\u00f6nnte aber eine besondere vertraglich vorausgesetzte Verwendung gem. \u00a7 434 I 2 Nr. 1 BGB<\/a> vorliegen, f\u00fcr die sich der Hengst nicht eignet. Dazu m\u00fcssten die Parteien eine konkrete Nutzung der Kaufsache durch den K\u00e4ufer zumindest \u00fcbereinstimmend unterstellt haben. K kaufte als Amateur-Dressurreiterin von B einen Hengst zum Preis von ca. 25.000 Euro. Dass auch B dabei bewusst war, dass K diesen als Dressurpferd nutzen m\u00f6chte, ist nicht ersichtlich und angesichts der besonderen Situation einer Versteigerung auch nicht anzunehmen. Vielmehr war den Parteien bekannt, dass das Pferd zum Zeitpunkt des Kaufes weder geritten noch angeritten war. Es kann daher nicht angenommen werden, dass die Parteien von einer Nutzung des Pferdes als Dressurpferd ausgingen. Somit liegt kein Sachmangel gem. \u00a7 434 I 2 Nr. 1 BGB<\/a> vor.<\/p>\n\n\n\n

Jedenfalls k\u00f6nnte aber ein Sachmangel gem. \u00a7 434 I 2 Nr. 2 BGB<\/a> gegeben sein. Das Pferd k\u00f6nnte sich weder f\u00fcr die gew\u00f6hnliche Verwendung eignen noch die Beschaffenheit aufweisen, die bei Sachen der gleichen Art \u00fcblich ist und die der K\u00e4ufer nach der Art der Sache erwarten kann, \u00a7 434 I 2 Nr. 2 BGB<\/a>. Bei anderen zweieinhalb Jahre alten Pferden mittlerer Art und G\u00fcte ist eine reiterliche Nutzung nicht, wie hier, unm\u00f6glich. Zudem weisen solche Pferde mittlerer Art und G\u00fcte \u00fcblicherweise auch nicht, wie hier, \u201eKissing Spines\u201c im Bereich der Brust- und der Lendenwirbels\u00e4ule sowie eine Verkalkung im Nackenband im Bereich des Hinterhauptes auf. Somit weist der von K gekaufte Hengst einen Sachmangel gem. \u00a7 434 I 2 Nr. 2 BGB<\/a> auf.<\/p>\n\n\n\n

Der Hengst wies diese Verletzungen bereits zum Zeitpunkt der Auktion und damit auch bei Gefahr\u00fcbergang gem. \u00a7 446 S.1 BGB<\/a> auf.<\/p>\n\n\n\n

Somit liegt ein Sachmangel bei Gefahr\u00fcbergang vor.<\/p>\n\n\n\n

III. Erfolglose Fristsetzung zur Nacherf\u00fcllung oder Entbehrlichkeit der Fristsetzung<\/strong><\/h3>\n\n\n\n

Ferner m\u00fcsste K dem B erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherf\u00fcllung gesetzt haben, \u00a7 323 I BGB<\/a>. Dies ist jedoch gem. \u00a7 326 V BGB<\/a> entbehrlich, wenn eine Nacherf\u00fcllung in beiden Alternativen des \u00a7 439 I BGB<\/a> ohnehin gem. \u00a7 275 BGB<\/a> unm\u00f6glich ist.<\/p>\n\n\n\n

Eine Nachbesserung gem. \u00a7 439 I Alt. 2 BGB<\/a> ist unm\u00f6glich, da jedenfalls die Verkalkung im Nackenband im Bereich des Hinterhauptes des Pferdes nicht behandelbar ist.<\/p>\n\n\n\n

Fraglich ist, ob auch eine Neulieferung unm\u00f6glich ist. Hier handelt es sich um einen St\u00fcckkauf, der sich lediglich auf diesen konkreten Hengst bezog. Man k\u00f6nnte daher annehmen, dass eine Ersetzung dieses Hengstes durch ein anderes Pferd im Rahmen einer Neulieferung per se ausgeschlossen ist. [1]<\/sup><\/a>vgl. etwa Huber, NJW 2002, 1004, 1006.<\/span><\/span>