{"id":8015,"date":"2024-08-20T14:05:06","date_gmt":"2024-08-20T12:05:06","guid":{"rendered":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/?p=8015"},"modified":"2024-08-21T15:02:07","modified_gmt":"2024-08-21T13:02:07","slug":"preisfehler-bei-online-vertragsschluss","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/preisfehler-bei-online-vertragsschluss\/","title":{"rendered":"Preisfehler bei Online-Vertragsschluss"},"content":{"rendered":"

OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 18.04.2024 – 9 U 11\/23, BeckRS 2024, 15612\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n
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A ist auf der Suche nach einem neuem Smartphone. Als Sparfuchs begibt er sich am 07.03.2022 auf die Onlinerecherche. Als er auf die Seite der B, die einen deutschen Onlineshop betreibt, gelangt, kann er seinen Augen kaum glauben. Diese bietet das von dem A begehrte SuperPhone zu einem Preis von 92,00 EUR an. UVP des Smartphones ist zu diesem Zeitpunkt 1.099,00 EUR. Zur Entzückung des A ist dies jedoch nicht alles. Die B bietet nicht nur das SuperPhone zu einem Preis von 92,00 EUR an, sondern legt bei einer Bestellung dieses noch gratis die Kopfhörer vom Typ SuperPods dazu.\n\n\n\n

 A zögert nicht lange und bestellt das SuperPhone, wobei er den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der B ausdrücklich zustimme. Dort heißt es:\n\n\n\n

 Ziffer 4.1:\n\n\n\n

„[…] Erst Ihre Bestellung über den Button „jetzt kaufen“ stellt ein bindendes Angebot an uns zum Abschluss eines Kaufvertrages dar. Wenn Sie eine Bestellung bei uns aufgeben, senden wir Ihnen an die von Ihnen angegebene E-Mail-Adresse eine E-Mail, mit der wir den Eingang Ihrer Bestellung bestätigen und deren Einzelheiten und Bestellreferenznummer aufführen („Auftragsbestätigung“). Diese Auftragsbestätigung stellt keine Annahme ihres Angebotes dar, sondern soll Sie nur darüber informieren, dass Ihre Bestellung bei uns eingegangen ist. Ein Kaufvertrag mit uns kommt erst dann zustande, wenn wir das bestellte Produkt an Sie […] versenden und den Versand an Sie mit einer zweiten E-Mail („Versandbestätigung“) bestätigen („Vertrag“). […]“\n\n\n\n

Ziffer 4.2:\n\n\n\n

„Der zwischen Marke1 und Ihnen geschlossene Vertrag bezieht sich nur auf die in der Versandbestätigung bestätigten oder an Sie gelieferten Produkte. Soweit Ihre Bestellung weitere Produkte enthielt, sind diese nicht von dem Vertrag erfasst und es besteht keine Pflicht, diese Produkte an Sie zu liefern, bis der Versand der entsprechenden Produkte in einer separaten Versandbestätigung bestätigt wurde.“\n\n\n\n

Ziffer 9.3:\n\n\n\n

„Unsere Website enthält eine große Anzahl von Produkten und es kann jederzeit vorkommen, dass trotz all unserer Bemühungen einige der auf unserer Website genannten Produkte möglicherweise mit einem falschen Preis ausgezeichnet sind. […] Ist der korrekte Preis eines Produktes höher als der auf der Website angegebene Preis, so nehmen wir nach unserem Ermessen meist mit Ihnen Kontakt auf, um das weitere Vorgehen einvernehmlich zu vereinbaren. Wir behalten uns aber vor, Ihre Bestellung ohne weitere Kontaktaufnahme mit Ihnen abzulehnen. […]“\n\n\n\n

A, der etwas einfältig ist, erkennt bei seiner Bestellung nicht, dass es sich um einen Fehler der B handeln könnte. Er denkt, es handele sich um ein ganz besonderes und einmaliges Lockangebot, bei dem der Anbieter bewusst Verluste hinnimmt.\n\n\n\n

Am selben Tag, dem 07.03.2022, erhält A von der B eine Bestellbestätigung per E-Mail. Dort heißt es „Bestellnummer […]: 1x SuperPhone für 92,00 EUR sowie 1x SuperPods kostenlos. […] Wir werden dir Bescheid geben sobald wir dein Paket verschickt haben“.\n\n\n\n

A bezahlt sofort den Kaufpreis an die B. Etwas später am selben Tag ändert die B den Kaufpreis auf ihrer Webseite auf 928,00 EUR. Am 09.03.2022 versendet die B (nur) die Gratisbeilage in Form der Kopfhörer und bestätigt dies dem A per E-Mail, in der sie auch Bezug auf die Bestellnummer gibt.  \n\n\n\n

Mit E-Mails vom 22.3.2022 teilte die B dem A dann allerdings mit, dass es bei seinen Bestellungen zu einem gravierenden Preisfehler gekommen sei und sie die Bestellung storniere. Die B habe sich beim Eingeben des Preises im System vertippt. Zusätzlich fordert sie den A auf, die bereits erhaltenen SuperPods zurückzusenden. Nach der Rücksendung würde der bereits gezahlte Kaufpreis zurückerstattet werden.\n\n\n\n

A ist entrüstet, war er doch so über sein Schnäppchen erfreut. Er meint, die B sei an ihr Angebot, welches er angenommen habe, auch gebunden. Schließlich sei es ja nicht sein Fehler gewesen. Selbst wenn die B einen Fehler auf ihrer Webseite gemacht habe, hätte sie nicht die E-Mail vom 07.03. verfassen dürfen. Die Stornierung empfindet er auch als zu spät.\n\n\n\n

Die B meint, sie habe schon keinen Vertrag mit dem A geschlossen. Schließlich habe sie ja das eigentliche Produkt, das Smartphone, noch überhaupt nicht versendet. Im Übrigen habe sie ja auch dem A mitgeteilt, dass sie nicht mehr am Vertrag festhalten wolle, weil es sich offensichtlich um einen Tippfehler gehandelt habe. Letztlich habe der A auch gewusst, dass es sich um einen Fehler gehandelt haben muss und diesen bewusst ausgenutzt. So ein Verhalten wäre gegen jedes Recht und die Ordnung.\n\n\n\n

Kann A von der B auch noch die Übergabe und Übereignung des Smartphones verlangen?\n\n\n\n

Sachverhalt als .pdf\n\n\n\n\n\n
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Skizze\n\n\n\n\n\n
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Gutachten\n\n\n\n
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A. Anspruch aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB\n\n\n\n

A könnte gegen die B einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Smartphones aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB haben.\n\n\n\n

I. Kaufvertrag, § 433 Abs. 1 S. 1 BGB\n\n\n\n

Hierzu müsste zwischen A und B ein wirksamer Kaufvertrag i.S.d. § 433 BGB geschlossen worden sein. Ein Kaufvertrag i.S.d. § 433 BGB setzt zwei übereinstimmende und aufeinander bezogene Willenserklärungen, namentlich Angebot und Annahme, voraus.\n\n\n\n

1. Angebot der B durch Einstellen auf der Webseite\n\n\n\n

Zunächst kommt ein Angebot der B durch das Einstellen des SuperPhones zu einem Preis von 92,00 EUR auf der Webseite in Frage. Dazu müsste die B bei dem Einstellen auf der Webseite mit sogenannten Rechtsbindungswillen gehandelt haben. Demgegenüber könnte es sich aber auch lediglich um eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ohne Rechtsbindungswillen, eine sogenannte invitatio ad offerendum handeln. Ob es sich bei dem Einstellen auf der Webseite um die Abgabe einer Willenserklärung in Form eines Angebots mit Rechtsbindungswillen handelt, ist durch Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Maßgeblich ist dabei der objektive Empfängerhorizont, also die Frage danach, wie das Verhalten aus der Sicht eines objektiven Dritten in der Situation des Empfängers die Erklärung verstehen würde.\n\n\n\n

Aus der Perspektive eines objektiven Dritten ist ersichtlich, dass die B im Zweifel vor Vertragsschluss noch überprüfen will, mit wem sie eine rechtliche Bindung eingehen will. Dies kann insbesondere dann notwendig sein, wenn zuvor eine Bonitätsprüfung durchgeführt werden soll. Weiterhin muss durch den Verkäufer auch regelmäßig überprüft werden, ob der Lagerbestand überhaupt den Bedarf des Käufers decken kann. Beide Prüfungsmöglichkeiten entfallen jedoch für den Verkäufer, wenn der Käufer bereits durch Klick auf der Webseite den Vertragsschluss herbeiführt und den Verkäufer damit bindet. Aus der Sicht eines objektiven Dritten handelt es sich daher beim Einstellen des Produkts auf der Webseite lediglich um eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots, was sodann nach Prüfung durch den Verkäufer erst angenommen wird. Mithin liegt in dem Einstellen auf der Webseite durch die B noch kein Angebot vor.\n\n\n\n

2. Angebot des A durch Bestellen des Smartphones\n\n\n\n

Ein Angebot könnte aber in der Bestellung des A auf der Webseite der B liegen. Die essentialia negotii sind unzweifelhaft gegeben. Zweifel an einem Rechtsbindungswillen sind aus der Sicht eines objektiven Empfängers nicht ersichtlich. Auch die Abgabe und der Zugang der Willenserklärung sind unproblematisch gegeben. Mithin liegt ein Angebot des A vor.\n\n\n\n

3. Annahme der B durch E-Mail vom 07.03.2022\n\n\n\n

In der E-Mail der B vom 07.03.2022 könnte sodann die Annahme des Angebots des B liegen. Ob in dieser E-Mail eine Willenserklärung in der Form der Annahme liegt, ist ebenso durch Auslegung i.S.d. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln.\n\n\n\n

Nach §§ 133, 157 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Dabei ist zunächst vom Wortlaut der Erklärung auszugehen und demgemäß in erster Linie dieser und der ihm zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen.[1]BGH, Urteil vom 19. 1. 2000 – VIII ZR 275\/98, NJW-RR 2000, 1002