{"id":7871,"date":"2024-07-01T08:42:32","date_gmt":"2024-07-01T06:42:32","guid":{"rendered":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/?p=7871"},"modified":"2024-07-01T17:15:42","modified_gmt":"2024-07-01T15:15:42","slug":"schutzloser-fussball-ultra","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/schutzloser-fussball-ultra\/","title":{"rendered":"Schutzloser Fußball-Ultra"},"content":{"rendered":"

BVerwG, Urt. v. 24.04.2024 – 6 C 2.22, https:\/\/www.bverwg.de\/de\/240424U6C2.22.0 \n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

(abgewandelt und gekürzt)\n\n\n\n

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Am 27. April 2024 fand die Partie der Herrenbundesliga zwischen der Heimmannschaft Borussia Dortmund und Schalke 04 statt, bei dem die Polizei mit Ausschreitungen der als feindschaftlich eingeschätzten Fangruppen aus der sog. Ultraszene rechnete. In beiden Anhängergruppen befänden sich gewaltbereite und gewaltsuchende Fans. Im Stadion sowie im Innenstadtbereich wurden außerdem befreundete Ultras anderer Vereine sowie Personen erwartet, gegenüber denen ein Stadionverbot verhängt wurde.\n\n\n\n

Der in Bochum lebende A ist leidenschaftlicher Fan des Fußballclubs Borussia Dortmund und war nach Einschätzung der Polizei ein Kopf – sog. „Capo“ – der gewaltbereiten Fanszene. Aufgrund seines Verhaltens in der Vergangenheit müsse nach Ansicht der Polizei damit gerechnet werden, dass er Straftaten begehen oder sich daran beteiligen werde. So sei er im Mai 2022 an einem Landfriedensbruch beteiligt gewesen und habe einige hundert Ultras aufgerufen, eine Polizeikette zu durchbrechen. Er habe Polizeibeamte mehrmals beleidigt und habe zur Emotionalisierung heikler Situationen beigetragen. Seit dem Vorfall aus 2022 habe er sich unauffällig verhalten, was auf die Geburt des Sohnes von A zurückgeführt werden könne. Das sei nach Ansicht der Polizei aber nicht weiter relevant, weil nach polizeilicher Erfahrung Wohlverhaltensphasen oft nicht lange andauerten.\n\n\n\n

Vor diesem Hintergrund erlässt die zuständige Polizeibehörde nach Anhörung schriftlich ein Aufenthaltsverbot gegenüber A für den 27. April 2024 für einen näher begrenzten Innenstadtbereich in Dortmund und macht es ihm bekannt. Ein Platzverweis genüge nach ihrer Ansicht nicht.\n\n\n\n

A hält die Maßnahme gegen ihn für rechtswidrig und möchte sich dagegen zur Wehr setzen. Die Prozessvertreterin des beklagten Landes ist der Auffassung, dass man sich doch nicht gegen alles Mögliche zur Wehr setzen könne. Dass A sich wegen der Kurzlebigkeit der Maßnahme nicht vor Gericht wehren könne, sei sein Problem. Zumal die zuständige Polizeibehörde zugesagt habe, aufgrund des zuletzt gezeigten Wohlverhaltens und des Rückzugs des A aus seiner „Capo“-Funktion, keine entsprechenden Maßnahmen mehr aufgrund vergangener Vorfälle zu treffen. Außerdem gehe der Bescheid allein dem A zu und stelle ihn daher nicht gegenüber anderen in einem schlechten Licht dar. Auch handele es sich doch nicht um einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff. A entgegnet, dass er sich hier doch nicht gegen „alles Mögliche“ wehren möchte, sondern gegen die Verletzung seiner Grundrechte. Eine umfassende Prüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme sei verfassungs- und europarechtlich notwendig. Es könne doch nicht darauf ankommen, ob ein besonders intensiver Grundrechtseingriff vorliege. Schließlich sei es doch kaum möglich, sinnvoll zwischen schwerwiegenden und nicht schwerwiegenden Eingriffen zu differenzieren.
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Aufgaben:\n\n\n\n

A. Ist eine am 10. Mai 2024 eingereichte Klage des A zulässig?\n\n\n\n

B. Ist das Aufenthaltsverbot rechtswidrig?
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Bearbeitungsvermerk:\n\n\n\n

Ein Vorverfahren ist für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen in NRW grundsätzlich gem. § 68 I 2 VwGO i.V.m. § 110 JustG NRW[1]S. zu weiteren gesetzlichen Ausnahmen Hüttenbrink, in: Posser et al., BeckOK-VwGO, § 68 Rn. 21 ff.