{"id":7730,"date":"2024-05-08T13:21:49","date_gmt":"2024-05-08T11:21:49","guid":{"rendered":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/?p=7730"},"modified":"2024-05-08T13:30:18","modified_gmt":"2024-05-08T11:30:18","slug":"minderwert-statt-mangelbeseitigung","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/minderwert-statt-mangelbeseitigung\/","title":{"rendered":"Minderwert statt Mangelbeseitigung"},"content":{"rendered":"

BGH, Urteil vom 25.05.2023 – V ZR 134\/22, NJW 2023, 2484\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

(erheblich abgewandelt)\n\n\n\n

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K erwarb von der B auf Grundlage eines notariellen Kaufvertrages vom 05.07.2022 ein mit einem Haus bebautes Grundstück für 469.300 €. Die den Vertragsabschluss vermittelnde Maklerin händigte dem K ein Exposé aus, das als Anlage 1 zum notariellen Kaufvertrag mitbeurkundet wurde und in dem das Haus wie folgt angeboten wurde: „Das Haus verfügt bereits über eine Wohnfläche von insgesamt 240 m2. Der Dachboden (Spitzboden) ist ohne Vornahme größerer Umbauten zum Ausbau geeignet, sodass sich die Wohnfläche um weitere 80 m2 erweitern lässt.“\n\n\n\n

Nach Abschluss des Eigentumserwerbs plante K das Haus zu renovieren und in diesem Zuge auch den Dachboden auszubauen. Die von ihr beantragte Baugenehmigung für Umbau und Sanierung des Hauses inklusive Ausbaus des Spitzbodens zu Wohnraum wurde jedoch mit der Nebenbestimmung erteilt, dass der Spitzboden wegen Fehlens eines zweiten Rettungswegs nicht als Aufenthaltsraum geeignet und bestimmt sei. \n\n\n\n

Nachdem K die B erfolglos zur Behebung der fehlenden Eignung des Dachbodens zum Ausbau in Wohnraum binnen einer angemessenen Frist aufgefordert hat, verlangt er nunmehr Schadensersatz zum Ausgleich des sich aus der fehlenden Genehmigung des Spitzbodens zu Wohnzwecken ergebenden Minderwerts des Hauses i.H.v. 54.000 €. B hält dem entgegen, dass K allenfalls ein Schadensersatz in Höhe der Kosten für die Einrichtung eines zweiten Fluchtweges (11.000 €) zustünde. Dem hält K entgegen, dass die Genehmigung der Errichtung eines zweiten Fluchtweges – was zutrifft – zwar überwiegend wahrscheinlich, jedoch nicht sicher sei.\n\n\n\n

Hat K gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung in Höhe von 54.000 €?\n\n\n\n

Bearbeitervermerk: Gehen Sie in Ihrer Bearbeitung davon aus, dass sowohl der Betrag der Wertminderung als auch der zur Errichtung eines zweiten Fluchtweges erforderliche Betrag korrekt angegeben sind. Gehen Sie ferner davon aus, dass die Einrichtung eines zweiten Fluchtweges baulich möglich ist, jedoch einen erheblichen Aufwand erfordert. Auf Normen des Bauordnungsrechts ist nicht einzugehen.\n\n\n\n\nAnmerkung: Sachverhaltsänderungen

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Der Sachverhalt wurde erheblich abgeändert, um Themen ohne Examensrelevanz aus dem Fall herauszuhalten. \n

In dem tatsächlichen Rechtsstreit erwarb K kein mit einem Haus bebautes Grundstück, sondern einen 190\/1000 Miteigentumsanteil und Sondereigentum an einer Dachgeschosswohnung. Dies wurde hier abgeändert, um nicht examensrelevante Probleme aus dem Bereich des WEG zu umgehen. \n

Da hier keine WEG vorliegt, war auch eine weitere Abänderung des Sachverhalts erforderlich: Die Unsicherheit der Möglichkeit der Errichtung eines zweiten Fluchtweges ergab sich im Ausgangsfall aus der Frage, ob eine dahingehende Änderung der Teilungserklärung der WEG rechtssicher möglich wäre (bei Interesse dazu: BGH Urteil vom 25.05.2023 – V ZR 134\/22, Rn. 27 – 33). Hier wurde stattdessen die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens als überwiegend wahrscheinlich, jedoch mit einer verbleibenden Unsicherheit behaftet, dargestellt.\n

Wegen der Abänderung wurde der Sachverhalt auch hinsichtlich der Größe der Räumlichkeiten und des konkreten Geschehens angepasst, um eine kohärente Erzählung zu ermöglichen.\n

Laut Ausgangsfall schlossen die Parteien den notariellen Kaufvertrag im Jahr 2017 und somit vor der Einführung der Vorschriften zum Bauträgervertrag (§§ 650u f. BGB). Um eine unter Berücksichtigung dieser Vorschrift komplizierte Abgrenzung zwischen Kauf- und Bauträgervertrag zu vermeiden, wurde der Sachverhalt außerdem wie folgt angepasst: In dem vom BGH zu entscheidenden Rechtsstreit hatten K und B vereinbart, dass B den Dachboden vor der Übergabe an K ausbaut. Daraus wurde im hier dargestellten Fall eine Beschaffenheitsvereinbarung im Maklerexpose über die Ausbaufähigkeit des Dachbodens.\n

Der BGH hatte sich in dem Rechtsstreit außerdem damit auseinander zu setzen, inwiefern ein Prozessbevollmächtigter, der aus technischen Gründen gehindert ist, einen fristwahrenden Schriftsatz elektronisch einzureichen, danach jedoch die zulässige Ersatzeinreichung veranlasst hat, nach Maßgabe des § 130d S.2 ZPO gehalten ist, sich vor Fristablauf weiter um eine elektronische Übermittlung zu bemühen. Diese Frage war für die Zulässigkeit der Revision relevant (§§ 551 II 1, 551 IV, 549 II ZPO i.V.m. § 130d S. 1 ZPO) und ist in den Leitsätzen des Urteils angeführt. Hier wurde aufgrund der fehlenden Relevanz für das erste Staatsexamen auf die Darstellung der Problematik verzichtet.\n\n\n\n\n

Skizze\n\n\n\n\n\n
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Gutachten\n\n\n\n
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A. Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung aus §§ 437 Nr.3 Var.1, 280 I, III, 281 I BGB\n\n\n\n

K könnte gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung in Höhe von 54.000 € aus §§ 437 Nr. 3 Var. 1, 280 I, III, 281 I BGB haben. \n\n\n\n

I. Kaufvertrag\n\n\n\n

Dies setzt zunächst voraus, dass B und K einen Kaufvertrag i.S.d. §§ 433 ff. BGB geschlossen haben. Dies ist hier der Fall.\n\n\nAnmerkung: Vertragsform im Ausgangsfall

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Da die vorinstanzlichen Urteile des OLG Celle und des LG Hannover leider nicht öffentlich zugänglich sind und der BGH nur über die Rechtsfolge des Schadensersatzes und nicht über den haftungsbegründenden Tatbestand zu urteilen hatte, lässt sich leider nicht mit endgültiger Sicherheit sagen, welche Überlegungen der Abgrenzungen zum Werkrecht in dem Rechtsstreit zugrunde lagen. Dies ist für die Bewertung des Falles aus Perspektive der Examensvorbereitung jedoch auch irrelevant, da das streitgegenständliche Geschehen im Jahr 2017 vonstatten ging und somit vor der Schuldrechtsreform (seit 01.01.2022 in Kraft) und – im Ausgangsfall noch weitaus relevanter – vor der Einführung der §§ 650u f. BGB zum Bauträgervertrag (seit 01.01.2018 in Kraft).
\nNach heutiger Rechtslage wäre in einer Konstellation, wie sie dem BGH-Urteil zugrundeliegt, vermutlich davon auszugehen, dass die Parteien einen Bauträgervertrag i.S.d. abgeschlossen haben.
[1]Dies wäre zumindest beim Verbraucherbauvertrag auch nicht abdingbar, da dies einen Verstoß gegen § 650o BGB darstellen würde.