{"id":7715,"date":"2024-05-01T12:34:58","date_gmt":"2024-05-01T10:34:58","guid":{"rendered":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/?p=7715"},"modified":"2024-05-01T19:46:42","modified_gmt":"2024-05-01T17:46:42","slug":"informations-tweet-der-polizei","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/informations-tweet-der-polizei\/","title":{"rendered":"Informations-Tweet der Polizei"},"content":{"rendered":"

OVG Münster, Urteil vom 28.11.2022, 5 A 2808\/19\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

(abgewandelt und gekürzt)\n\n\n\n

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Am 24.02.2017 spielten der MSV Duisburg gegen den 1 FC Magdeburg in der dritten deutschen Fußballiga in Duisburg gegeneinander. Aufgrund vergangener Ausschreitungen beider Fangruppen wurde das Spiel als Hochrisikospiel eingestuft. Wie üblich reisten die Fans aus Magdeburg zusammen zum Spiel an und wollten bei der Ankunft den Eingang zum Gästeblock ins Stadion nehmen. An der Eingangskontrolle stieg ein Anführer einer Fangruppe des 1. FC Magdeburg auf eine Absperrung und teilte per Megaphon mit, dass für jedes Mitglied der Fangruppe ein Regencape zur Verfügung stehe. Das Regencape sollte von jedem Gruppenmitglied angezogen werden, um im Stadion eine „weiße Wand darzustellen“. Einzelne Mitglieder der Gruppe führten in großformatigen Taschen und Kartons die verpackten Regencapes mit und gaben sie in der Folge an mitgereiste Fans aus. Angemeldet war die geplante Choreografie nicht. Der polizeiliche Einsatzleiter entschied in dieser Situation, den Zugang zum Stadion zu verschließen. Dazu wurde eine polizeiliche Sperrlinie vor dem Gästeeingang gezogen, um das Vordringen der mit den Capes bekleideten Fans zum Eingang des Stadions zu unterbinden. Die Polizei befürchtete insbesondere versteckte Pyrotechnik unter den Capes. Aufgrund der Sperre kam es zu leichten Ausschreitungen der auswärtigen Fans. Der Beginn des Fußballspiels wurde wegen der Einlasssituation von 18.30 Uhr auf 18.45 Uhr verschoben. Im Verlauf des Spiels wurden tatsächlich im Bereich der Gästefans bengalische Fackeln gezündet.\n\n\n\n

Die einsatzbegleitende Einheit der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Polizei veröffentlichte um 17.44 Uhr über den offiziellen Twitter-Account der Polizei Duisburg einen Beitrag („Tweet“) mit dem Text:\n\n\n\n

#MSVFCM Stau am Gästeeingang, einige Fans haben sich Regencapes angezogen, um die Durchsuchung zu verhindern.\n\n\n\n

Unter dem Text und der Zeit- und Datumsangabe war in den Tweet ein kurz zuvor aufgenommenes Farbfoto eingebunden, das im Vordergrund eine Sperranlage und im Hintergrund ein Haus, Bäume und den Himmel zeigt. In einem schmalen Streifen, der auf der linken Seite des Bildes beginnt und über ungefähr drei Viertel der Breite geht, sind Menschen zu sehen, die überwiegend weiße, ungefähr über das Gesäß reichende Plastikregencapes tragen oder sich diese gerade über den Kopf ziehen.\n\n\n\n

Der Tweet wurde zu einem nicht mehr genau zu bestimmendem Zeitpunkt auf dem Twitteraccount der P gelöscht. Das genaue Bild konnte nicht rekonstruiert werden. Es bestehen jedoch Screenshots von dem Foto.\n\n\n\n

Der ebenfalls anwesende A meint, dass der Post rechtswidrig war und wendet sich daher an die zuständige Polizeibehörde. Er sei nach dem Absetzen des Tweets von zahlreichen Personen angesprochen und gefragt worden, warum er denn eine Durchsuchung habe verhindern wollen und ob er etwas zu verbergen gehabt habe. In der Sache unterliege die Öffentlichkeitsarbeit des Staates dem Neutralitäts- und Sachlichkeitsgebot. Dieses sei vorliegend verletzt worden, da der Tweet das Geschehen wahrheitswidrig mit suggestiver Wirkung dargestellt habe. Weder er noch die anderen Fußballfans hätten die Absicht gehabt, die Durchsuchung zu verhindern. Es habe keine sachliche Grundlage dafür gegeben, den Fans diese Absicht zu unterstellen. Ferner habe es keine Notwendigkeit gegeben, neben dem Text das Foto in den Tweet einzubinden. Auf dem von A gemachten Screenshot des Tweets ist am linken Bildrand eine eher kleine Person zu erkennen, was sich insbesondere aus dem Vergleich mit der unmittelbar links danebenstehenden, vermutlich im Gespräch befindlichen Person ergibt. Größe, Statur, Gesichtsform, Frisur und Haarfarbe stimmen mit dem A überein.\n\n\n\n

Dagegen wendet die P ein, dass die Erstellung des Tweets lediglich zu dem Zweck erfolgt sei, den Grund der polizeilichen Maßnahmen schnell zu kommunizieren, um mit Blick auf die wartenden Fans im hinteren Bereich eine weitere Eskalation der Lage zu verhindern. Für die Polizeikräfte habe sich das Anziehen der Regencapes aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht unter Berücksichtigung von Ort und Zeit des Geschehens so dargestellt, dass dies ausschließlich zur Erschwerung der Durchsuchungsmaßnahmen erfolgt sei.\n\n\n\n

Insofern sei die P zur Veröffentlichung der Information befugt gewesen. Der Tweet habe auch nicht gegen das Sachlichkeitsverbot verstoßen, da die objektiven Umstände die getroffene Gefahrenbewertung zugelassen hätten und keine subjektive Äußerung mit dem Zweck der Beeinflussung des Bürgers vorgelegen habe. Selbst wenn, sei der A nicht individuell betroffen. Die Internetplattform ermögliche es nur, dass ein Bild begrenzt vergrößert werden kann. Bei einer weiteren Vergrößerung wird das Bild unscharf. Daher könne der A auf dem Bild gar nicht richtig erkennbar gewesen sein. Zudem ließe sich das auch nicht mehr rekonstruieren, da der Post gelöscht wurde. Die Beweislast träge in diesem Fall der A, als derjenige der sich auf diese Tatsache beruft. Unabhängig davon sei das Foto eh nur exemplarisch herangezogen wurden. Offensichtlich beziehe sich der Inhalt des Posts nicht auf alle abgebildeten Personen. Bild und Text würden so nur gemeinsam ein Werturteil der Behörde darstellen. Daraufhin erhob der A Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht mit dem Ziel feststellen zulassen, dass der besagte Tweet der Polizeibehörde rechtswidrig war.\n\n\n\n

Hat die Klage Aussicht auf Erfolg?\n\n\n\n


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Sachverhalt als PDF\n
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Skizze\n\n\n\n\n\n
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Gutachten\n\n\n\n
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Die Klage des A hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und soweit sie begründet ist.\n\n\n\n

A. Zulässigkeit\n\n\n\n

Zunächst müsste die Klage des A zulässig sein.\n\n\n\n

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs \n\n\n\n

Die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges richtet sich mangels aufdrängender Sonderzuweisung nach § 40 I 1 VwGO. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist dabei nach der modifizierten Subjektstheorie eine solche, bei der die streitentscheidenden Normen einseitig einen Träger öffentlicher Gewalt berechtigen oder verpflichten.[1]Reimer, in: BeckOK VwGO 66. Ed. 1.1.2023, VwGO § 40 Rn. 45.4.