{"id":7556,"date":"2024-02-21T11:12:29","date_gmt":"2024-02-21T10:12:29","guid":{"rendered":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/?p=7556"},"modified":"2024-02-21T14:51:02","modified_gmt":"2024-02-21T13:51:02","slug":"wiederaufnahme-eines-strafverfahrens-nach-freispruch","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/wiederaufnahme-eines-strafverfahrens-nach-freispruch\/","title":{"rendered":"Wiederaufnahme eines Strafverfahrens nach Freispruch"},"content":{"rendered":"
BVerfG Urt. v. 31.10.2023, 2 BvR 900\/22\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

(abgewandelt und gekürzt)\n\n\n\n

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Nach jahrelangem Ringen, entscheidet sich der Gesetzgeber ein Gesetz zur Änderung der StPO zu verabschieden. Mit dem „Gesetz zur Herstellung materieller Gerechtigkeit“, welches am 01.12.2019 in Kraft tritt, wird § 365 Nr. 5 StPO eingeführt. Dieser lautet wie folgt:\n\n\n\n

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§ 365 StPO\n\n\n\n

Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zuungunsten des Angeklagten ist zulässig,
1. (…)\n\n\n\n

5. wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die allein oder in Verbindung mit früher erhobenen Beweisen dringende Gründe dafür bilden, dass der freigesprochene Angeklagte wegen Mordes (§ 211 des Strafgesetzbuches), Völkermordes (§ 6 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches), des Verbrechens gegen die Menschlichkeit (§ 7 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechens gegen eine Person (§ 8 Absatz 1 Nummer 1 des Völkerstrafgesetzbuches) verurteilt wird.\n\n\n\n

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Die Koalitionäre der Regierungsfraktionen sind sich darin einig, dass mit dem Gesetz ein wichtiger Schritt geschaffen würde. In Zukunft solle die untragbare Situation nicht mehr eintreten, dass die Ermittlungsbehörden nach einem rechtskräftigen Freispruch doch noch eindeutige Beweise für die Schuld eines Straftäters finden, aber dieser wegen des Strafklageverbrauchs nicht mehr verurteilt werden kann. Bei schwersten Verbrechen sei ein „ein zu Unrecht erfolgter Freispruch schlechthin unerträglich“. Die Regelung diene damit der allgemeinen Gerechtigkeit des Strafverfahrens und schaffe Vertrauen in die Rechtmäßigkeit von Strafverfahren.\n\n\n\n

Die Oppositionsfraktionen sind entsetzt. Das im Grundgesetz verankerte Verbot der Doppelbestrafung sei notwendig, um Rechtsfrieden zu schaffen, und um den Rechtsstaat absolut daran zu halten, nur dann ein Verfahren zu führen, wenn die Strafverfolgungsbehörden alle zum jeweiligen Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Beweise ausgeschöpft haben und überzeugt sind, dass eine Verurteilung erreicht werden kann. Sonst könnten Strafverfahren auf Verdacht geführt werden und Personen ihr Leben lang mit belastenden Strafverfahren überzogen werden.\n\n\n\n

Die Regierungsfraktionen halten dem entgegen, dass aufgrund der Beschränkung auf besonders schwere Straftaten des StGB und des VStGB (Mord, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen) diese Gefahren der Aushöhlung des Rechtsstaats nicht drohten.\n\n\n\n

Besonders von dem Gesetz betroffen ist der A. A war 1983 Angeklagter in einem ordnungsgemäß durchgeführten Strafverfahren und wurde rechtskräftig freigesprochen. Ihm wurde vorgeworfen eine junge Frau in seinem Wohnort getötet zu haben. Dabei verlief das Verfahren entsprechend der strafprozessualen Regeln zum Zeitpunkt des Verfahrens.\n\n\n\n

Nach Verabschiedung des Gesetzes wurde er aufgrund neuer Beweise 2023 erneut angeklagt und wegen Mordes verurteilt. Nach Abschluss des Instanzenzugs erhebt er Verfassungsbeschwerde gegen das ihn zu einer Freiheitsstrafe verurteilende Urteil. A meint, an seinem Beispiel sehe man, dass mit der Einführung des Gesetzes der Rechtsfrieden 40 Jahre nach einem Freispruch immer noch nicht hergestellt sei und dass es doch nicht sein könne, dass er aufgrund eines Gesetzes verurteilt werde, welches zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Tat noch nicht verabschiedet war.\n\n\n\n

Hat die zulässige Verfassungsbeschwerde des A Aussicht auf Erfolg? \n\n\n\n


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Sachverhalt als PDF\n
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Skizze\n\n\n\n\n\n
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Gutachten\n\n\n\n
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Die zulässige[1]siehe zur Zulässigkeit: BVerfG Beschl. v. 14.07.2022 – 2 BvR 900\/22 Rn. 31 ff.