{"id":680,"date":"2020-07-07T10:20:00","date_gmt":"2020-07-07T08:20:00","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=680"},"modified":"2022-05-07T12:21:27","modified_gmt":"2022-05-07T10:21:27","slug":"die-heisse-kupplung","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/die-heisse-kupplung\/","title":{"rendered":"Die heiße Kupplung"},"content":{"rendered":"
BGH, Urteil vom 24.10.2018 – VIII ZR 66\/17 – BGH NJW 2019, 292\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

K kaufte am 20.7.2012 für 40.000 Euro einen Neuwagen bei dem Autohersteller B. Im September 2012 wurde das Auto geliefert. Ab Januar 2013 erschien im Textdisplay des Autoradios mehrfach folgende, dem Softwarestand der Fahrzeugserie bei Auslieferung entsprechende, Warnmeldung:\n\n\n\n

„Kupplungstemperatur – Vorsichtig anhalten und Kupplung abkühlen lassen. Der Vorgang kann bis zu 45 Minuten dauern. Nach Erlöschen der Meldung ist die Weiterfahrt möglich. Die Kupplung ist nicht beschädigt.“\n\n\n\n

K verlangte von B Nachbesserung. Die Nachbesserungsversuche scheiterten. Als die Warnmeldung Anfang Juli 2013 an zwei Tagen erneut aufgetreten war, verlangte K am 11.7.2013 unter Fristsetzung bis zum 30.9.2013 Lieferung einer mangelfreien Ersatzsache (Zug um Zug gegen Rückgabe des ausgelieferten Fahrzeugs). B teilte K mit, die Kupplung könne auch im Fahrbetrieb abkühlen; es sei nicht nötig, das Fahrzeug anzuhalten, wenn die Warnmeldung der Kupplungsüberhitzungsanzeige erscheine.\n\n\n\n

Am 14.10.2014 gab K das Auto im Rahmen des regulären Kundendienstes in die Werkstatt der B. B spielte ohne Mitteilung an K ein Software-Update auf, das den Text der Warnmeldung wie folgt korrigierte:\n\n\n\n

„Kupplung im Stand oder während der Fahrt abkühlen lassen. Häufiges Anfahren und längeres Fahren unterhalb Schrittgeschwindigkeit vermeiden. Nach Erlöschen dieser Meldung ist die Kupplung abgekühlt und nicht geschädigt.“\n\n\n\n

K verlangt erneut Ersatzlieferung eines entsprechenden Neufahrzeugs (Zug um Zug gegen Rückübereignung des gelieferten Fahrzeugs). B verweigert die Ersatzlieferung u. a. mit der Begründung, sie sei unverhältnismäßig.\n\n\n\n

Hat K den geltend gemachten Anspruch gegen B?\n\n\n\n


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Skizze\n\n\n\n\n\n
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Gutachten\n\n\n\n

A. Anspruch aus §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1, 434, 433 BGB\n\n\n\n

K könnte einen Anspruch auf Neulieferung eines entsprechenden Neufahrzeugs Zug um Zug gegen Rückübereignung des gelieferten Fahrzeugs aus §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1, 434, 433 BGB haben.\n\n\n\n

I. Kaufvertrag, § 433 BGB\n\n\n\n

K und B schlossen am 20.07.2012 einen Kaufvertrag über einen Neuwagen zum Preis von 40.000 Euro gem. § 433 BGB.\n\n\n\n

II. Sachmangel bei Gefahrübergang, §§ 434, 446 BGB\n\n\n\n

Es müsste ein Sachmangel bei Gefahrübergang vorliegen.\n\n\n\n

1. Sachmangel, § 434 BGB\n\n\n\n

Der von K gekaufte Wagen müsste zunächst einen Sachmangel nach § 434 BGB aufweisen. Ein Sachmangel ist die negative Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit. Anknüpfungspunkt könnte hier sein, dass im Textdisplay des Autoradios die Warnmeldung zur Kupplungstemperatur erschien, die K u. a. zum Anhalten des Wagens aufforderte.\n\n\n\n

a) Beschaffenheitsvereinbarung, § 434 I 1 BGB\n\n\n\n

Die Parteien haben keine konkrete Beschaffenheitsvereinbarung gem. § 434 I 1 BGB über das Auto geschlossen.\n\n\n\n

b) vertraglich vorausgesetzte Verwendung, § 434 I 2 Nr. 1 BGB\n\n\n\n

Eine besondere vertraglich vorausgesetzte Verwendung gem. § 434 I 2 Nr. 1 BGB ist ebenfalls nicht ersichtlich.\n\n\n\n

c) (P) Eignung für die gewöhnliche Verwendung bzw. übliche Beschaffenheit, § 434 I 2 Nr. 2 BGB\n\n\n\n

Vielmehr könnte sich das Fahrzeug weder für die gewöhnliche Verwendung eignen noch die Beschaffenheit aufweisen, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann, § 434 I 2 Nr. 2 BGB.\n\n\n\n

Für die gewöhnliche Verwendung eignet sich ein Kraftfahrzeug grundsätzlich nur dann, wenn es nach seiner Beschaffenheit keine technischen Mängel aufweist, die die Zulassung zum Straßenverkehr hindern oder die Gebrauchsfähigkeit aufheben oder beeinträchtigen. [1]BGH NJW 2017, 153, Rn. 15 mwN.