{"id":6782,"date":"2023-10-18T15:30:00","date_gmt":"2023-10-18T13:30:00","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=6782"},"modified":"2024-03-13T15:15:54","modified_gmt":"2024-03-13T14:15:54","slug":"falsa-demonstratio-beim-grundstueckskauf","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/falsa-demonstratio-beim-grundstueckskauf\/","title":{"rendered":"Falsa Demonstratio beim Grundstückskauf?"},"content":{"rendered":"

BGH, Urteil vom 23.06.2023 – V ZR 89\/22; NJW 2023, 2942\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

(leicht abgeändert)\n\n\n\n

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Die K kaufte von der B im März 2009 ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück zum Preis von 270.000€. In dem notariellem Kaufvertrag war als Kaufgegenstand das 911 m2 große Flurstück 291\/3 aufgeführt.\n\n\n\n

Neben dem genannten Flurstück befindet sich das lediglich 19 m2 große Flurstück 277\/22, welches sich im Eigentum des D befindet, jedoch weder baulich noch in sonstiger optisch wahrnehmbarer Weise vom Grundstück der B abgetrennt ist. Vielmehr erwecken die natürlichen Gegebenheiten den Eindruck eines einheitlichen Grundstücks.\n\n\n\n

Als K und B das Grundstück des B im Vorhinein besichtigten, gingen sie daher irrtümlich davon aus, dass es sich bei der gesamten einheitlichen Fläche um das im Eigentum der B stehende Flurstück 291\/3 handele. Die B sicherte der K in diesem Zuge insbesondere zu, dass die Immobilie, wie sie sich in ihren natürlichen Grenzen darstelle, voll und ganz in ihrem Eigentum stünde. Der Irrtum klärte sich bis zur Unterzeichnung des notariellen Kaufvertrages und darüber hinaus nicht auf.\n\n\n\n

Nachdem es zwischen K und B zur Auflassung über das Flurstück 291\/3 kam und K entsprechend als Eigentümerin dieses Flurstücks ins Grundbuch eingetragen worden war, nahm K das Grundstück samt Flurstück 277\/22 in Besitz. Von diesem Vorgang erfuhr D, der daraufhin von K die Herausgabe des Flurstücks 277\/22 verlangte. Die K erklärt daraufhin gegenüber B den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangt im Januar 2020 Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung und Rückgabe des Grundstücks. Zu Recht?\n\n\n\n

Bearbeiterhinweis: Gehen Sie davon aus, dass auch für den Kauf die Vorschriften des BGB in ihrer am 01.10.2023 geltenden Fassung einschlägig sind. Etwaige Übergangsvorschriften sind nicht zu berücksichtigen. Gehen Sie ferner davon aus, dass die Rücktrittserklärung der K nicht als Anfechtungserklärung verstanden werden oder in eine solche umgedeutet werden kann. Gehen Sie davon aus, dass die B alle ihr zustehenden Einreden erhoben hat. Gehen Sie davon aus, dass K das Grundstück nicht gekauft hätte, wenn ihr zum Zeitpunkt des Abschluss des Kaufvertrages bewusst gewesen wäre, dass die Fläche des Flurstücks 277\/22 nicht zum verkauften Grundstück gehört. § 313 BGB ist nicht zu prüfen.\n\n\nAnmerkung: Sachverhaltsänderungen

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Der Fall wurde zur Vereinfachung der Bearbeitung ein wenig abgeändert. In dem Sachverhalt, der dem BGH-Urteil zugrunde liegt, konnte nicht ermittelt werden, ob auch die B dem in Frage stehenden Irrtum unterlag. Davon wurde hier ausgegangen, um den Sachverhalt etwas deutlicher zu gestalten. Auch die Feststellung, dass die in Frage stehenden Flurstücke den Eindruck eines einheitlichen Grundstücks erwecken, konnte vom BGH nicht in der hier aufgeführten Deutlichkeit festgestellt werden.
\nDie Aussagen der B bei der Besichtigung gingen im eigentlichen Sachverhalt lediglich aus den Aussagen der K hervor, wurden hier jedoch als Fakt in den Sachverhalt übernommen.\n

Über die bloße Rückabwicklung hinaus begehrte die Klägerin außerdem die Freistellung von allen sich im Rahmen der Rückabwicklung ergebenden Schäden. Auf die Frage nach einem solchen Freistellungsanspruch wurde hier verzichtet.
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Sachverhalt als .pdf\n\n\n\n\n\n
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Skizze\n\n\n\n\n\n
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Gutachten\n\n\n\n
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A. Anspruch aus §§ 346 I, 323 I, 434, 437 Nr.2 BGB\n\n\n\n

K könnte gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 270.000€ Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Grundstücks aus §§ 346 I, 323 I, 434, 437 Nr.2 BGB haben.\n\n\n\n

Dies würde jedenfalls voraussetzen, dass K wirksam vom Kaufvertrag mit der B zurückgetreten ist. Es müssten zumindest eine Rücktrittserklärung der K sowie ein der K zustehendes Rücktrittsrecht vorliegen.\n\n\n\n

I. Rücktrittserklärung, § 349 BGB\n\n\n\n

K hat den Rücktritt vom Kaufvertrag mit der B erklärt.\n\n\n\n

II. Rücktrittsrecht, §§ 323 I, 434, 437 Nr.2 BGB\n\n\n\n

Fraglich ist allerdings, ob der K auch ein Rücktrittsrecht zusteht. Sollten K und B einen Kaufvertrag über das Grundstück geschlossen haben, könnte sich ein solches aus §§ 323 I, 434, 437 Nr.2 BGB ergeben, wenn dem Grundstück ein Sachmangel i.S.d. § 434 BGB anhaften würde.\n\n\n\n

1. Kaufvertrag zwischen K und B\n\n\n\n

Fraglich ist, ob K und B sich wirksam über einen Kaufvertrag i.S.d. § 433 BGB geeinigt haben. Zwar waren sie sich grundsätzlich über den Kauf des Grundstücks einig, allerdings könnte zumindest K einem Irrtum hinsichtlich des Leistungsgegenstandes unterlegen sein, sodass unklar ist, ob B und K sich überhaupt wirksam über einen Kaufvertrag geeinigt haben. Dies könnte jedoch zumindest dann zunächst dahinstehen, wenn schon kein Sachmangel i.S.d. § 434 BGB vorliegt.\n\n\nAnmerkung: Offenlassen des Vorliegens eines Kaufvertrages

\nACHTUNG: Diese Anmerkung nimmt nachfolgende Prüfungspunkte teilweise vorweg und sollte daher nicht durchgelesen werden, wenn beabsichtigt ist, den Fall noch weiter zu lösen!\n

Da ein Rücktritt von einem Vertrag grds. nur dann möglich ist, wenn er auch tatsächlich besteht, ist diese Herangehensweise ein wenig unschön. Dogmatisch richtiger wäre es eigentlich, hier sowohl die Möglichkeit des mangelnden Konsens, als auch die Anfechtung (die hier jedoch auch per Bearbeitervermerk ausgeschlossen ist) inzident zu prüfen.
\nUm überhaupt auf die Idee eine solchen inzidenten Prüfung zu kommen, müsste jedoch zunächst festgestellt werden, dass es sich bei der Vereinbarung über die vom Vertrag erfassten Flurstücke nicht um eine Beschaffenheitsvereinbarung, sondern um die Bestimmung des Leistungsgegenstandes selbst handelt. Da der BGH diese Einordnung als einen wesentlichen Punkt des Urteils jedoch im Zusammenhang mit dem Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d.
§ 434 II Nr.1 BGB[1]vgl. Prüfunugspunkt 2. a).