{"id":6750,"date":"2023-10-11T12:02:30","date_gmt":"2023-10-11T10:02:30","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=6750"},"modified":"2024-01-18T11:19:20","modified_gmt":"2024-01-18T10:19:20","slug":"widerruf-der-waffenrechtlichen-erlaubnis","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/widerruf-der-waffenrechtlichen-erlaubnis\/","title":{"rendered":"Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis"},"content":{"rendered":"
OVG M\u00fcnster, Urt. v. 30.08.2023, Az. 20 A 2384\/20<\/a> und OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 24.04.2023, Az. 3 M 13\/23<\/a><\/strong><\/strong><\/h6>\n\n\n\n

Sachverhalt<\/strong><\/h2>\n\n\n\n
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Der A ist J\u00e4ger und die Kreispolizeibeh\u00f6rde (P) der D erteilte ihm im Jahr 2009 eine Waffenbesitzkarte mit zwei eingetragenen halbautomatischen Pistolen des Kalibers 22lr. Seit 2020 ist A zudem Abgeordneter des Landtags im Bundesland B und geh\u00f6rt der Fraktion der N an.<\/p>\n\n\n\n

W\u00e4hrend einer einw\u00f6chigen Urlaubsabwesenheit wurde in das Wohnhaus des A eingebrochen. Die Einbrecher entwendeten aus dem dortigen Waffenschrank, der unbesch\u00e4digt geblieben ist, eine der zwei Pistolen und diverse Munition. Ge\u00f6ffnet wurde der Schrank mit dem dazugeh\u00f6rigen Schl\u00fcssel. Diesen bewahrte der A in derselben Wohnung in einem etwa 40 kg schweren, dick- und doppelwandigen Stahltresor mit Zahlenschloss auf. Der Tresor befand sich wenige Meter neben dem Waffenschrank. Dieser gen\u00fcgte allerdings nicht dem gesetzlichen Sicherheitsstandard f\u00fcr die Aufbewahrung von Waffen und Munition.<\/p>\n\n\n\n

Zeitgleich informierte das Ministerium des Inneren des Landes N die P im Rahmen der waffenrechtlichen Zuverl\u00e4ssigkeits\u00fcberpr\u00fcfung dar\u00fcber, dass das Bundesamt f\u00fcr Verfassungsschutz den Landesverband der N Partei zum Verdachtsfall erhoben habe.<\/p>\n\n\n\n

Nach Kenntnis \u00fcber diesen Sachverhalt h\u00f6rte die P den A an. Auf Nachfrage hat der A angegeben, dass der Tresor der \u00fcbliche Aufbewahrungsort des Schl\u00fcssels f\u00fcr den Waffenschrank sei. Bez\u00fcglich der Beobachtung des Verfassungsschutzes beteuerte der A, dass er selbst nie verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt habe.<\/p>\n\n\n\n

Die P entzog dem A mit Schreiben vom 21.01.2023 formell rechtm\u00e4\u00dfig die Waffenerlaubnis. Zwar entspr\u00e4che der Waffenschrank dem gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsstandard f\u00fcr die Aufbewahrung von Waffen und Munition. Jedoch erf\u00fclle der Tresor, in dem der Schl\u00fcssel zum Waffenschrank aufbewahrt wurde, nicht den Anforderungen an die Aufbewahrung. Zudem l\u00e4gen durch die Beobachtung des Verfassungsschutzes Tatsachen vor, die Anhaltspunkte daf\u00fcr bieten, dass der Landesverband der N verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge. Da er Mitglied dieser Vereinigung sei und diese zudem unterst\u00fctze, erf\u00fclle er den Tatbestand der sogenannten Regelunzuverl\u00e4ssigkeit. Der Widerruf sei daher damit begr\u00fcndet, dass der A als waffenrechtlich unzuverl\u00e4ssig anzusehen sei.<\/p>\n\n\n\n

Der A will den Widerruf nicht akzeptieren. Er entgegnet daher, dass seine von der Beh\u00f6rde herangezogene Mitgliedschaft in der N Fraktion nicht ausreiche, um ihm die Erlaubnis zu entziehen. Vielmehr sei die gesicherte Feststellung verfassungsfeindlicher Bestrebungen erforderlich. Daher erfordere der Begriff des Verfolgens einen individuellen, aktiven Beitrag des Betroffenen. Einen solchen werfe die Beh\u00f6rde ihm schon nicht vor. Auch f\u00fcr die N sei lediglich durch die Erhebung zum Verdachtsfall die Verfolgung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen nicht abschlie\u00dfend gekl\u00e4rt. Der A meint zudem, es l\u00e4ge kein grober Versto\u00df gegen die Aufbewahrungspflichten vor, weil bisher nicht abschlie\u00dfend gekl\u00e4rt sei, welche Pflichten an die Aufbewahrung des Schl\u00fcssels zu einem Waffenschrank gestellt werden.<\/p>\n\n\n\n

Ist der Widerruf rechtm\u00e4\u00dfig?<\/p>\n\n\n\n

Sachverhalt als .pdf<\/a><\/div>\n<\/div>\n<\/div>\n\n\n\n
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Skizze<\/strong><\/h2>\n\n\n\n\n\n
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Gutachten<\/strong><\/h2>\n\n\n\n
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A. Erm\u00e4chtigungsgrundlage<\/strong><\/h3>\n\n\n\n

Der Widerruf findet seine Rechtsgrundlage in \u00a7 45 II 1 WaffG<\/a>. Danach ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachtr\u00e4glich Tatsachen eintreten, die zur Versagung h\u00e4tten f\u00fchren m\u00fcssen.<\/p>\n\n\nVernetztes Lernen:<\/b> R\u00fccknahme und Widerruf von Verwaltungsakten<\/span>

\nBekannt d\u00fcrften aus dem Verwaltungsrecht die \u00a7\u00a7 48<\/a>, 49 VwVfG<\/a> f\u00fcr die R\u00fccknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten sein. Diese finden jedoch nur Anwendung, wenn keine spezialgesetzliche Regelung vorhanden ist. F\u00fcr den Widerruf der Waffenerlaubnis w\u00e4re es daher falsch, unmittelbar auf \u00a7 49 VwVfG<\/a> zur\u00fcckzugreifen. Weitere spezialgesetzliche Reglungen die man kennen sollte, sind der Widerruf der Gastst\u00e4ttenerlaubnis nach \u00a7 15 II GastG<\/a> und der Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltskammer \u00a7 7 BRAO<\/a>.
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B. Formelle Rechtm\u00e4\u00dfigkeit<\/strong><\/h3>\n\n\n\n

Der Widerruf erging formell rechtm\u00e4\u00dfig.<\/p>\n\n\n\n

C. Materielle Rechtm\u00e4\u00dfigkeit<\/strong><\/h3>\n\n\n\n

I. Tatbestandsvoraussetzungen<\/strong><\/h4>\n\n\n\n

Der Widerruf m\u00fcsste auch materiell rechtm\u00e4\u00dfig sein. \u00a7 45 II 1 WaffG<\/a> statuiert den Grundsatz des zwingend vorgeschriebenen Widerrufs von Erlaubnissen bei einem nachtr\u00e4glichen Wegfall einer Erlaubnisvoraussetzung. Dabei rekurriert die Norm auf die Voraussetzungen zur Erlaubniserteilung. \u00a7 4 I Nr. 2 Alt. 1 WaffG<\/a> legt fest, dass die Erlaubnis zu versagen ist, wenn der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverl\u00e4ssigkeit nach \u00a7 5 WaffG<\/a> besitzt. Die Zuverl\u00e4ssigkeit als allgemeine Erlaubnisvoraussetzung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der durch die in \u00a7\u20095 WaffG aufgef\u00fchrten Unzuverl\u00e4ssigkeitstatbest\u00e4nde im Einzelnen, aber nicht abschlie\u00dfend, bestimmt wird.[1]<\/sup><\/a>Nomos-BR\/K\u00f6nig\/Papsthart WaffG, 2. Aufl. 2012, WaffG \u00a7\u20095 Rn. 1.<\/span><\/span>