{"id":6520,"date":"2023-05-17T10:49:36","date_gmt":"2023-05-17T08:49:36","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=6520"},"modified":"2024-01-23T11:57:28","modified_gmt":"2024-01-23T10:57:28","slug":"der-kreuzerlass-kreuze-im-eingangsbereich-von-behorden","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/der-kreuzerlass-kreuze-im-eingangsbereich-von-behorden\/","title":{"rendered":"Der „Kreuzerlass“ – Kreuze im Eingangsbereich von Behörden"},"content":{"rendered":"

BayVGH, Beschluss vom 23.08.2022 – AZ: 5 ZB 20.2243\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

(Abgewandelt und gekürzt)\n\n\n\n

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Die Staatsregierung des Landes B beschloss am 24. April 2022, eine neue Regelung in § 28 der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats Bayern (AGO) mit folgendem Wortlaut einzufügen:\n\n\n\n

„Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes ist als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung B‘s gut sichtbar ein Kreuz anzubringen.“\n\n\n\n

Die formell ordnungsgemäße Vorschrift wurde kurz darauf im Gesetzes- und Verordnungsblatt des Landes veröffentlicht.\n\n\n\n

Gegen diese für alle Behörden B‘s geltende Anweisung wendete sich die als öffentlich-rechtliche Körperschaft inkorporierte Weltanschauungsgemeinschaft W. W meint, sie werde sowohl durch die Anweisung an die Behörden als auch durch das Aufhängen der Kreuze durch die einzelnen Behörden in B in ihren Grundrechten aus Art. 3 III GG und Art. 4 I GG verletzt. Der Staat könne sich nicht für eine Religion besonders einsetzen und Symbole von dieser in öffentlichen Gebäuden aufhängen lassen. Jede Entscheidung der Behörden stehe durch die Anbringung des Kreuzes unter diesem (religiösen) Zeichen, was Zweifel an der Neutralität des Staates wecke. Außerdem könne der Staat die Menschen nicht zwingen sich den religiösen Symbolen auszusetzen.\n\n\n\n

Das Land B meint, dass das Kreuz als Teil der christlich geprägten Kultur einen Inhalt unabhängig von dem christlichen Symbol habe. Das Kreuz solle nicht die Identifikation des Staates mit dem Christentum, sondern mit der christlich-abendländischen Tradition zum Ausdruck bringen. Außerdem sei es gerade nicht so, dass die inhaltliche Arbeit der Behörden „unter“ diesem Zeichen stehe, weil die Kreuze eben nicht in den Büros der Mitarbeiter:innen hingen. Außerdem verlange der Staat den Bürger:innen kein besonderes Verhalten ab, was rechtswidrig wäre. Das Kreuz solle gerade nicht missionierend wirken, sondern die Erinnerung an die kulturelle Tradition des Landes erhalten. Der Staat zwinge die Menschen auch nicht sich dem Symbol auszusetzen, man könne dem Symbol  ausweichen.\n\n\n\n

Außerdem sei der Antrag der W bereits unzulässig, weil die W selbst durch das Symbol nicht benachteiligt werde, eliege schon kein Eingriff vor.\n\n\n\n

Dem widerspricht W. Sie meint, dass sich das Land selbst auf die kulturelle Bedeutung des Kreuzes beziehe, mache keinen Unterschied: Das Kreuz ist das wesentliche Symbol des Christentums und würde auch von jedem verständigen Betrachter als Ausdruck des christlichen Glaubens verstanden. Sie meint, dass der Staat aufgrund der Verpflichtung zur weltanschaulichen Neutralität (Neutralitätsgebot) sich nicht mit einer einzelnen Religionsgemeinschaft gemein machen könnte und ein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot von jeder:m Bürger:in geltend gemacht werden könnte. In der Folge verletze der Staat die W in ihren Rechten auf Gleichbehandlung, wenn der Staat sich nur den Symbolen einer Religion bediene.\n\n\n\n

Nach dem erfolglosen Versuch das Land B zum Einlenken zu bringen, richtet W eine Klage vor dem VG gegen die Staatsregierung darauf, dass die Anweisung zum Aufhängen der Kreuze zurückgenommen und eine Anweisung erlassen werde, die die Behörden verpflichtet die bereits aufgehängten Kreuze wieder abzunehmen. \n\n\n\n

Hat die Klage Aussicht auf Erfolg?\n\n\n\n

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Sachverhalt als PDF\n\n\n\n\n\n
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Skizze\n\n\n\n\n\n
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Gutachten\n\n\n\n
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Die Klage hat Aussicht auf Erfolg, wenn diese zulässig und soweit sie begründet ist. \n\n\n\n

A. Zulässigkeit\n\n\n\n

Zunächst müsste die Klage der W zulässig sein.\n\n\n\n

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs\n\n\n\n

Der Verwaltungsrechtsweg müsste eröffnet sein. Eine aufdrängende Sonderzuweisung ist nicht ersichtlich, weshalb sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach der Generalklausel des § 40 I S. 1 VwGO richtet. Danach ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, wenn es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt, die nichtverfassungsrechtlicher Art ist und keine abdrängende Sonderzuweisung die Streitigkeit einem anderen Gericht zuweist. Ob ein Streit öffentlich-rechtlich ist, richtet sich nach der modifizierten Subjektstheorie danach, ob die streitentscheidenden Normen maßgebend einen Hoheitsträger berechtigen oder verpflichten. Streitentscheidend ist die Frage, ob es dem Land B frei steht § 28 AGO zu erlassen. Dies richtet sich danach, ob die öffentlich-rechtliche Organisationshoheit des Landes dies zulässt. Dabei handelt es sich um öffentlich-rechtliche Bestimmungen. Die Streitigkeit ist auch mangels doppelter Verfassungsunmittelbarkeit nicht verfassungsrechtlicher Art und eine abdrängende Sonderzuweisung ist nicht ersichtlich. Der Verwaltungsrechtsweg ist mithin eröffnet.\n\n\n\n

II. Statthafte Klageart\n\n\n\n

Die Statthafte Klageart richtet sich nach dem Begehren des Klägers, § 88 VwGO. W will erreichen, dass die Staatskanzlei die bestehende Norm zurücknimmt und eine Norm erlässt, die darauf gerichtet ist, dass die bereits aufgehängten Kreuze wieder abgenommen werden. Dies könnte mit einer allgemeinen Leistungsklage verfolgt werden. Die Leistungsklage ist in der VwGO nicht ausdrücklich geregelt, jedoch wird sie in §§ 43 II, 111 VwGO ausdrücklich vorausgesetzt. Die allgemeine Leistungsklage ist jedoch nur statthaft, wenn der Kläger eine Leistung (Handlung, Duldung, Unterlassung) begehrt, welche nicht in einem Verwaltungsakt besteht.\n\n\n\n

Fraglich ist zunächst, ob es sich bei § 28 AGO um einen Verwaltungsakt i.S.v. § 35 VwVfG i.V.m. § 35 BayVwVfG[1]auf diesen Zusatz wird im weiteren verzichtet