{"id":6485,"date":"2023-04-30T17:29:47","date_gmt":"2023-04-30T15:29:47","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=6485"},"modified":"2024-01-23T12:25:36","modified_gmt":"2024-01-23T11:25:36","slug":"sale-and-rent-back-vertraege-bargeld-und-weiterfahren","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/sale-and-rent-back-vertraege-bargeld-und-weiterfahren\/","title":{"rendered":"„Sale and rent Back“-Verträge – Bargeld und Weiterfahren"},"content":{"rendered":"
 BGH Urteil vom 16.11.2022 – VIII ZR 436\/21, BeckRS 2022, 35146\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

(abgewandelt und gekürzt)\n\n\n\n

\n
\n

Die A möchte einige Investitionen tätigen und benötigt hierfür „flüssiges Mittel“. Bei der Suche nach einer Lösung stößt sie auf das Angebot „Bargeld und weiterfahren“ der B. Die B ist ein bundesweit handelndes und staatlich zugelassenes Pfandleihaus, welches ein sogenanntes „Sale and rent back“-Modell betreibt. Im Rahmen dieses Modells kauft die B Fahrzeuge an und überlässt sie den Verkäufern umgehend auf Grundlage eines Mietverhältnisses zur weiteren Nutzung. Am Ende des Mietverhältnisses werden die Fahrzeuge von der B verwertet.\n\n\n\n

Die A, welche darin eine Möglichkeit sieht, kurzfristig an Geld zu kommen, verkauft im Januar 2018 an die B im Rahmen des obigen Modells das in ihrem Eigentum stehende Kfz zum Preis von 5.000 EUR. Das Fahrzeug hatte zu diesem Zeitpunkt einen Einkaufswert von 13.700 EUR.\n\n\n\n

In § 6 des Kaufvertrags wurde folgende Regelung festgehalten:\n\n\n\n

„a. Der Verkäufer beabsichtigt, das Fahrzeug von der Käuferin zur Nutzung zurückzumieten. […] Einzelheiten sind in einem gesonderten Mietvertrag geregelt.\n\n\n\n

 b. Der Verkäufer wurde zudem auf § 34 Absatz 4 Gewerbeordnung hingewiesen, der besagt, dass der gewerbsmäßige Ankauf beweglicher Sachen mit Gewährung eines Rückkaufsrechts verboten ist. Der Verkäufer bestätigt ausdrücklich, dass ihm während der Vertragsverhandlungen weder schriftlich noch mündlich zugesagt, noch der Eindruck vermittelt wurde, dass er das von ihm an die Käuferin verkaufte Fahrzeug durch einseitige Erklärung dieser gegenüber zurückkaufen könne.“\n\n\n\n

Neben diesem Kaufvertrag wurde zugleich der § 6 lit. a) angesprochene Mietvertrag für eine Laufzeit von 18 Monaten geschlossen. Als Mietzins wurde eine Zahlung von monatlich 900,00 EUR vereinbart, wobei sich dieser Beitrag aufgrund der Übernahme der Kosten für Steuern, Versicherungen, Wartung und Reparaturen des Fahrzeugs durch die A auf 495 EUR. Sie hatte daher für alle sonstigen Kosten des Fahrzeugs neben des Mietzinses aufzukommen.\n\n\n\n

In dem Mietvertrag wurde die B ausdrücklich als „Eigentümerin des Fahrzeugs“ bezeichnet. Zudem wurde mietvertraglich eine Verwertung des Fahrzeugs nach Vertragsende im Wege einer öffentlichen Versteigerung vereinbart, wobei festgehalten wurde, dass sowohl die B als auch die A gemäß § 1239 BGB an der Auktion teilnehmen und das Fahrzeug ersteigern dürfen. Weiterhin wurde vereinbart, dass der Versteigerungsgewinn (Erlös abzüglich aller Kosten der B) A nur dann zufließen soll, wenn das Fahrzeug weder durch A noch durch B ersteigert wird.\n\n\n\n

Nach Abschluss beider Verträge übergab die A den Zweitschlüssel und die Zulassungsbescheinigung Teil II an die B. Die B zahlte bis September 2018 die Miete (insg. 4.455,00 EUR), nicht jedoch im Oktober 2018. Daraufhin kündigte die A den Mietvertrag, verlangte das Fahrzeug von der B zurück und ließ es nach der Rückgabe an sie öffentlich versteigern. Die B ersteigerte das Fahrzeug selbst, das zu diesem Zeitpunkt einen Wiederbeschaffungswert von 16.000 Euro hatte, und veräußerte es sodann an den die Vorgeschichte nicht kennenden C. Der C zieht im Anschluss mit dem Fahrzeug unbekannterweise ins Ausland.\n\n\n\n

Die A begehrt unter anderem Schadensersatz für das versteigerte Fahrzeug in Höhe von 11.000 EUR (Differenz von Verkaufspreis an die B und Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs) und Rückerstattung der gezahlten Miete in Höhe von 4.455,00 EUR. Sie ist der Ansicht, dass der ursprüngliche Vertrag wegen des niedrigen Kaufpreises im Vergleich zum Wert des Fahrzeugs unwirksam ist. Zu Recht?\n\n\n\n

Hinweis:\n\n\n\n

    \n
  1. Vertragliche Ansprüche sind nicht zu prüfen.\n\n\n\n
  2. Die Kündigung des Mietvertrags und die anschließende Versteigerung sind rechtlich nicht zu beanstanden.\n\n\n\n
  3. In § 34 Abs. 4 GewO heißt es:
    „Der gewerbsmäßige Ankauf beweglicher Sachen mit der Gewährung des Rückkaufsrechts ist verboten“ 
    Der Verstoß gegen
    § 34 Abs. 4 GewO ist nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 GewO bußgeldbewehrt.\n\n\n\n\n
    Sachverhalt und Skizze als .pdf\n\n\n\n\n\n
    \n\n\n\n

    Skizze\n\n\n\n\n\n
    \n\n\n\n

    Gutachten\n\n\n\n
    \n
    \n

    A. Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. 11.000 EUR gemäß §§ 990 Abs. 1, 989, 249 Abs. 1, 251 BGB gegen B\n\n\n\n

    Vertragliche Ansprüche sind nach dem Bearbeitervermerk nicht zu prüfen. A könnte gegen B jedoch einen Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. 11.000 EUR aus dem Eigentümer-Besitzer Verhältnis gemäß §§ 990 Abs. 1, 989, 249 Abs. 1, 251 BGB haben.\n\n\nAnmerkung: Prüfungsumfang

    \n

    Vertragliche Ansprüche sind nach dem Bearbeitervermerk ausgeschlossen worden. In einer Examensklausur muss das natürlich nicht der Fall sein. In diesem Fall wären alle ernsthaft in Betracht kommenden Ansprüche zumindest kurz anzusprechen; der Schwer-punkt liegt bei Betrachtung des Sachverhalts (Eigentumsübertragungen, Fragen der Gutgläubigkeit, Versteigerung etc.) jedoch eher in Sachenrecht. \n\n\n\n\n

    I. Vindikationslage im Zeitpunkt der schädigenden Handlung\n\n\n\n

    Für einen Anspruch aus dem Eigentümer-Besitzerverhältnis müsste zunächst eine Vindikationslage bestanden haben. Die §§ 987 ff. sind nach ihrer Stellung im Gesetz nur anwendbar, wenn eine sog. Vindikationslage vorliegt, also wenn im Zeitpunkt der Handlung, aus der Ansprüche auf Nutzungsherausgabe, Schadens- oder Verwendungsersatz abgeleitet werden, ein durchsetzbarer Anspruch des Eigentümers gegen den Besitzer aus § 985 bestanden hat.[1]BeckOK BGB\/Fritzsche, 65. Ed. 1.2.2023, BGB § 987 Rn. 9