{"id":6414,"date":"2023-03-24T11:42:10","date_gmt":"2023-03-24T10:42:10","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=6414"},"modified":"2024-01-25T17:22:28","modified_gmt":"2024-01-25T16:22:28","slug":"corona-und-die-vorverkaufsstelle","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/corona-und-die-vorverkaufsstelle\/","title":{"rendered":"Corona und die Ticket-Vorverkaufsstelle"},"content":{"rendered":"

BGH, Urteil vom 13.07.2022 – VIII ZR 317\/21, BeckRS 2022, 20934\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n
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A ist Musical-Fan. Als sie hört, dass in Hamburg ein neues Musical aufgeführt wird, will sie sich unbedingt ein Ticket sichern. Das Musical wird von der V-GmbH veranstaltet. A besucht zur Buchung des Tickets allerdings die Webseite der E. E ist eine Ticketsystemdienstleisterin (im Folgenden auch: Vorverkaufsstelle). Sie betreibt ein Internetportal, über das Eintrittskarten für eine Vielzahl von Veranstaltungen erhältlich sind.\n\n\n\n

In den auf ihrer Internetseite abrufbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist einleitend ausgeführt:\n\n\n\n

Die E ist nicht selbst Veranstalterin der angebotenen Veranstaltungen. Diese werden durch den jeweiligen Veranstalter durchgeführt. […]\n\n\n\n

Weitere Hinweise – etwa wer genau die Karten verkauft – befinden sich nicht auf der Webseite.\n\n\n\n

A bucht Tickets für 756,46 EUR. Die Tickets gelten nur für eine bestimmte Veranstaltung. Die gebuchte Veranstaltung wird allerdings auf Grund der COVID-19-Pandemie abgesagt. A ist enttäuscht und wendet sich zunächst an die V-GmbH und will das Geld für ihre Tickets zurück. Diese bietet der A mit Verweis auf Art. 240 § 5 EGBGB einen Wertgutschein. A – die nunmehr gehört hat, dass das Musical ohnehin nicht so gut sei – will lieber ihr Geld zurück. Da die V-GmbH sich weigert, wendet sich die A an die E; schließlich hat diese der A ja auch die Tickets verkauft. Diese lehnt jedoch ebenfalls eine Rückerstattung ab. Die E meint, dass die V-GmbH als Veranstalterin für die Rückerstattung zuständig wäre. Es könne ja wohl kaum gewollt sein, dass die E jetzt auch noch für die V-GmbH, die ja sogar berechtigt sei anstelle von Geld einen Gutschein zu geben, haften müsse.\n\n\n\n

Kann A von der E die Rückerstattung des Kaufpreises für die Tickets verlangen?\n\n\n\n

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Art. 240 § 5 EGBGB aF - Gutschein für Freizeitveranstaltungen und Freizeiteinrichtungen\n\n(1) 1Wenn eine Musik-, Kultur-, Sport- oder sonstige Freizeitveranstaltung aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte oder kann, ist der Veranstalter berechtigt, dem Inhaber einer vor dem 8. März 2020 erworbenen Eintrittskarte oder sonstigen Teilnahmeberechtigung anstelle einer Erstattung des Eintrittspreises oder sonstigen Entgelts einen Gutschein zu übergeben. 2Umfasst eine solche Eintrittskarte oder sonstige Berechtigung die Teilnahme an mehreren Freizeitveranstaltungen und konnte oder kann nur ein Teil dieser Veranstaltungen stattfinden, ist der Veranstalter berechtigt, dem Inhaber einen Gutschein in Höhe des Wertes des nicht genutzten Teils zu übergeben. […]\n\n\n\n

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Sachverhalt als .pdf\n\n\n\n\n\n
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Skizze\n\n\n\n\n\n
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Gutachten\n\n\n\n
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A. Anspruch aus § 453 Abs. 1, § 437 Nr. 2 Alt. 1, § 323 Abs. 1, § 346 Abs. 1 BGB\n\n\n\n

A könnte zunächst einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus § 453 Abs. 1 aF, § 437 Nr. 2 Alt. 1, § 323 Abs. 1, § 346 Abs. 1 BGB haben.\n\n\n\n

I. Abschluss eines Rechtskaufs, § 453 BGB\n\n\n\n

Dazu müssten sich A und E zunächst über den Abschluss eines Rechtskaufs i.S.d. geeinigt haben. Fraglich ist hierbei einerseits, ob ein Vertrag tatsächlich zwischen A und E zustande gekommen ist und wie dieser zu qualifizieren ist.\n\n\n\n

1. Geschäft im eigenen Namen\n\n\n\n

Für eine Einigung zwischen A und E über den Abschluss eines Rechtskaufs müsste E zunächst in eigenem Namen aufgetreten sein. Möglich erscheint hier zunächst, dass E entweder als Makler i.S.d. § 652 BGB, als Handelsvertreter i.S.d. § 84 HGB oder als Kommissionär gem. § 383 ff. HGB gegenüber der A aufgetreten ist.[1]BGH Urt. v. 13.7.2022 – VIII ZR 317\/21, BeckRS 2022, 20934 Rn. 17; LG Freiburg Urt. v. 3.2.2022 – 3 S 45\/21, BeckRS 2022, 1250