{"id":6380,"date":"2023-03-11T13:21:16","date_gmt":"2023-03-11T12:21:16","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=6380"},"modified":"2024-01-25T11:42:03","modified_gmt":"2024-01-25T10:42:03","slug":"der-flutkanal","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/der-flutkanal\/","title":{"rendered":"Der Flutkanal"},"content":{"rendered":"

BGH, Urt. V. 21.09.2022 – 6 StR 47\/22, NStZ 2023, 98\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n
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M, X, Y und Z sind gute Freunde. Sie verabreden sich regelmäßig am Wochenende, um auf „Sauftour“ zu gehen. An diesem Wochenende verabreden sich die vier Freunde abermals. Z ist nur anfangs dabei und verlässt schnell die Runde, damit er die Truppe nachts abholen kann, um sie nach Hause zu bringen. \n\n\n\n

M, X und Y trinken zahlreiche Biere und Schnäpse, wobei M mit Abstand am meisten trinkt. Als sie beschließen aus der Bar aufzubrechen, ist M bereits so betrunken, dass er sich weder selbstständig die Jacke anziehen noch die Treppen ohne Hilfe von X und Y hochlaufen kann. Der Wirt und andere Gäste sehen davon ab, dem M Hilfe anzubieten, da ihm bereits von seinen Freunden geholfen wird. Im Parkhaus wartet bereits der von X angerufene Z, um die drei Freunde nach Hause zu bringen. Auf dem Weg ins Parkhaus entfernt sich M unbemerkt. Er fällt die Böschung hinab und landet am Ufer eines Flutkanals. Als X, Y und Z dies bemerken, bleibt X oben an der Böschung stehen und Y und Z gehen hinunter. X fordert die beiden auf, dem M, der offensichtlich nicht mehr in der Lage ist, sich selbst zu helfen oder gar aufzustehen, zu helfen und ihn die Böschung hinaufzubringen. X selbst unternimmt jedoch nichts. Zudem filmt Y die Szene. Auch Z bleiben untätig. Während M selbst versucht aufzustehen, fällt er unbemerkt in den Flutkanal. Dort treibt er ab und ertrinkt wenige Minuten später. X, Y und Z suchen den O noch, gehen aber dann nach Hause. Sie schreiben ihm am nächsten Tag mehrere WhatsApp-Nachrichten, um sich nach seinem Wohlbefinden zu erkundigen. \n\n\n\n

M hat zum Zeitpunkt seines Todes eine BAK von 2,36 Promille. X und Y waren nur leicht alkoholisiert (1,5 Promille und 1,2 Promille) und Z war nüchtern. \n\n\n\n

Wie haben sich X, Y und Z strafbar gemacht? Eine Strafbarkeit nach § 201a StGB ist nicht zu prüfen. \n\n\n\n

Sachverhalt als.pdf\n\n\n\n\n\n
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Skizze\n\n\n\n\n\n
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Gutachten\n\n\n\n
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Strafbarkeit von X und Y\n\n\n\n

A. Strafbarkeit nach §§ 212 I, 13 StGB\n\n\n\n

X und Y könnten sich jeweils wegen Totschlags durch Unterlassen gem. §§ 212 I, 13 StGB strafbar gemacht haben, indem sie dem M nicht die Böschung hinaufgeholfen haben und er bei seinem Versuch aufzustehen, in den Flutkanal fiel und ertrank. \n\n\nAnmerkung:Gemeinsame Prüfung

\nDenkbar wäre auch ein gemeinschaftliches Unterlassen gem. § 25 II StGB, jedoch liegen keine Anhaltspunkte für einen gemeinsamen Tatplan vor. Daher wird die Tat als Nebentäterschaft geprüft.
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I. Tatbestand\n\n\n\n
1. Objektiver Tatbestand\n\n\n\n
a) Tod eines anderen Menschen\n\n\n\n

M ist gestorben, somit ist der Tod eines anderen Menschen eingetreten. \n\n\n\n

b) Unterlassen, trotz Möglichkeit\n\n\n\n

X und Y müssen die Handlung unterlassen haben. Unterlassen liegt vor, wenn dem Geschehen seinen Lauf gelassen wird, obwohl ein Eingreifen möglich wäre.[1]Rengier, Strafrecht AT, 14. Aufl. 2022, § 48 Rn. 9.