{"id":6297,"date":"2023-02-23T17:57:14","date_gmt":"2023-02-23T16:57:14","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=6297"},"modified":"2024-01-25T13:02:00","modified_gmt":"2024-01-25T12:02:00","slug":"fristbeginn-beim-widerruf-von-verwaltungsakten","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/fristbeginn-beim-widerruf-von-verwaltungsakten\/","title":{"rendered":"Widerruf eines Verwaltungsaktes – Zweckverfehlung und Widerrufsfrist"},"content":{"rendered":"

BVerwG, Urteil vom 25.05.2022 – 8 C 11.21; BVerwG, NVwZ 2022, 1912\n\n\n\n

Sachverhalt \n\n\n\n

(abgewandelt und gekürzt)\n\n\n\n

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Die Behörde B unterstützt Unternehmen bei der Schaffung betrieblicher Ausbildungsplätze durch Übernahme der Ausbildungsinhalte, die diese nicht selbst anbieten können (überbetriebliche Ausbildung). Das Land N gewährte aufgrund einer Richtlinie vom 27. Juni 2015 Zuwendungen zur Förderung der Bereitstellung betrieblicher Ausbildungsplätze in einem Ausbildungsverbund im Jahr 2015. Die Zuwendung betrug 150 € je Teilnehmer\/Woche für maximal 30 Wochen und sollte der Deckung der Personal- und Sachausgaben des am Verbund beteiligten Bildungsdienstleisters\/Leitbetriebes dienen.\n\n\n\n

Mit Bescheid vom 29. Juli 2015 gewährte die B der U Zuwendungen in Höhe von 31 500 € für Personal- und Sachausgaben in den überbetrieblichen Phasen der Ausbildung von sieben in dem Bescheid näher bezeichneten Ausbildungsverhältnissen. Am 31. August 2016 übersandte die U den Verwendungsnachweis nebst Ausgabenbelegen und Teilnehmerlisten. Auf Nachfrage der B vom 15. Dezember 2016 teilte sie am 20. Dezember 2016 mit, ein Auszubildender habe an acht Wochen der angebotenen Lehrgänge nicht teilgenommen, weil er von seinem Ausbildungsbetrieb nicht freigestellt worden sei. Die B verfasste noch 2016 einen Prüfvermerk zum Verwendungsnachweis, in dem ausgeführt wird, die acht Fehlwochen könnten nach der Förderpraxis nicht als förderfähig anerkannt werden.\n\n\n\n

Am 3. September 2018 hörte die B die U zum Widerruf der ihr gewährten Zuwendung in Höhe von 1 200 € an. Mit Bescheid vom 16. Dezember 2018 widerrief die B seinen Zuwendungsbescheid hinsichtlich des 30 300 € übersteigenden Zuwendungsbetrages. Zur Begründung verwies sie auf die genannten Fehlzeiten eines der geförderten Auszubildenden. Den fristgerechten Widerspruch der U wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2018 zurück.\n\n\n\n

U wendet ein, dass bei Erlass des Teilwiderrufs die Frist bereits abgelaufen gewesen sei. Vorliegend habe die maßgebliche Entscheidungsreife bereits im Jahr 2016 bestanden. Im Dezember 2016 habe die U den Grund für die Fehlzeiten mitgeteilt und eine Korrespondenz darüber habe stattgefunden. In der Anlage zu dem der U übermittelten Prüfvermerk sei der Erlass eines Teilwiderrufs angekündigt worden. Eine weitere Anhörung sei nicht erforderlich gewesen. Diesem Ergebnis stehe nicht entgegen, dass die B über die Frage des Widerrufs erst habe entscheiden wollen, wenn auch die Überprüfung der Förderung der Sachleistungen abgeschlossen gewesen sei, weil es sich bei der Zuwendung um eine teilbare Leistung handele. Zudem wäre keine Zweckverfehlung eingetreten. Die Fehlzeiten stehen nicht in Verbindung mit der Bereitstellung des Arbeitsplatzes. Etwas anderes ist auch nicht im Zuwendungsbescheid oder der Zuwendungsrichtlinie geregelt.\n\n\n\n

Dem entgegnet die B die Jahresfrist habe nicht schon mit der Anfrage an die U und ihrer Antwort (jeweils im Dezember 2017) oder der Erstellung des Prüfvermerks zum Verwendungsnachweis, sondern erst mit der Anhörung der U im Jahr 2018 zu laufen begonnen. Der Zuwendungszweck ergebe sich zudem aus der Förderpraxis. Daraufhin erhebt die U Klage gegen den Widerruf vor dem zuständigen Verwaltungsgericht.\n\n\n\n

Ist die zulässige Klage gegen den Widerrufsbescheid begründet?\n\n\n\n

Vermerk: Auf alle Rechtsprobleme ist einzugehen.\n\n\n\n

Sachverhalt als .pdf\n\n\n\n\n\n
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Skizze\n\n\n\n\n\n
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Gutachten\n\n\n\n
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Die Klage der U müsste begründet sein. \n\n\n\n

A. Ermächtigungsgrundlage\n\n\n\n

Ermächtigungsgrundlage für den Widerruf ist § 49 III 1 Nr. 1 VwVfG.\n\n\n\n

B. Formelle Rechtsmäßigkeit\n\n\n\n

Gegen die formelle Rechtmäßigkeit bestehen keine Bedenken.\n\n\n\n

C. Materielle Rechtmäßigkeit\n\n\n\n

I. Tatbestandsvoraussetzung\n\n\n\n

Die Voraussetzungen für den Widerruf müssen vorliegen.\n\n\n\n

1. Widerrufsgrund \n\n\n\n

Der Widerruf könnte sich aus § 49 III 1 Nr. 1 VwVfG ergeben. Diese Norm ermächtigt zum Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsakts, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, wenn die Leistung nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird. Entscheidend ist, dass der Zweck hinreichend bestimmt und klar ersichtlich ist.[1]BVerwG, NVwZ 2022, 1912 Rn. 13f.