{"id":6278,"date":"2023-02-15T14:00:00","date_gmt":"2023-02-15T13:00:00","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=6278"},"modified":"2024-01-25T13:11:22","modified_gmt":"2024-01-25T12:11:22","slug":"kontaktloses-bezahlen-mit-einer-fremden-ec-karte","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/kontaktloses-bezahlen-mit-einer-fremden-ec-karte\/","title":{"rendered":"Kontaktloses Bezahlen mit einer fremden ec-Karte"},"content":{"rendered":"

OLG Hamm, Beschluss vom 07.04.2020 – 4 RVs 12\/20 ; NStZ 2020, 673\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n
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A verliert ihre Geldbörse auf der Straße, samt ihrer ec-Karte, die über eine kontaktlose Bezahlfunktion verfügt.\n\n\n\n

B findet noch am gleichen Tage die Geldbörse samt der ec-Karte und erkennt anhand des eingeprägten Namensaufdruck, dass die ec-Karte der ihr bekannten A gehört. In dem Wissen, dass ihr die Karte nicht gehörte und sie zur Nutzung nicht berechtigt ist, begibt sie sich zum nächstgelegenen Einkaufscenter. Dort kauft sie dreimal Waren im Wert von unter EUR 25,-, indem sie bei dem Kassierer K die zuvor gefundene ec-Karte der A auf das Kartenlesegerät zur Bezahlung auflegt. Da der Einkauf einen Warenwert unter EUR 25,- aufweist, ist die Eingabe der PIN nicht erforderlich, was B bekannt ist und von dieser bewusst ausgenutzt wird.\n\n\n\n

Nach Tätigung der Einkäufe wirft sie die Karte – wie von Anfang an beabsichtigt- in den Briefkasten der A, um diese wieder an sie zurückgelangen zu lassen. Die eingekauften Waren beabsichtigt B selbst zu behalten.\n\n\n\n

Wie hat sich B strafbar gemacht? Ggf. erforderliche Strafanträge gelten als gestellt.\n\n\n\n

Dabei ist davon auszugehen, das B das Zahlungssystem in groben Zügen kennt und weiß, dass im EDV-System der Bank und auf dem Kartenchip der Verfügungsrahmen sowie die bisherigen Umsätze der Karte gespeichert werden. Außerdem war B bekannt, dass durch das Auslösen des Zahlungsvorgangs überschriebene Daten verändert werden.\n\n\n\n

Sachverhalt als .pdf\n\n\n\n\n\n
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Skizze\n\n\n\n\n\n
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Gutachten\n\n\n\n
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A. Strafbarkeit gem. § 246 I StGB\n\n\n\n

B könnte sich wegen Unterschlagung gem. § 246 I StGB strafbar gemacht haben, indem sie die ec-Karte der A an sich nahm und nutzte.\n\n\n\n

Die ec-Karte ist ein körperlicher Gegenstand, der hinfort geschafft werden kann und im Eigentum der A stand. Sie ist damit eine fremde bewegliche Sache. Fraglich ist, ob B sich diese rechtswidrig zugeeignet hat. Nach h.M. (Manifestationstheorie) ist es erforderlich, dass der Täter seinen Zueignungswillen nach außen eindeutig manifestiert. B wollte jedoch die Karte nach dem Zahlvorgang in den Briefkasten der A werfen und daher die Eigentümerin nicht dauerhaft aus ihrer Position verdrängen, sodass sie ohne Zueignungswillen hinsichtlich der Sachsubstanz handelt. \n\n\n\n

Die ec-Karte dient vielmehr als eine Art Automatenschlüssel und ihr selbst wird auch kein Wert entzogen, sodass in diesem Fall keine Zueignung vorliegt. \n\n\n\n

Folglich liegt keine rechtswidrige Zueignung vor. Der objektive Tatbestand ist nicht erfüllt. Somit hat B sich nicht wegen Unterschlagung gem. § 246 I StGB strafbar gemacht.\n\n\nAnmerkung: Prüfungsaufbau

\nEs wird teilweise empfohlen, den Zueignungswillen vor der Tathandlung zu prüfen.[1]Siehe Rengier, Strafrecht BT I, 22. Aufl. 2020, § 5 Rn. 5.