{"id":6228,"date":"2023-02-09T13:39:47","date_gmt":"2023-02-09T12:39:47","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=6228"},"modified":"2024-01-25T13:20:08","modified_gmt":"2024-01-25T12:20:08","slug":"verjaehrung-waehrend-der-miete","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/verjaehrung-waehrend-der-miete\/","title":{"rendered":"Verjährung während der Miete"},"content":{"rendered":"
BGH, Urteil vom 31.8.2022 – VIII ZR 132\/20; NJW 2022, 3419\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

(abgewandelt und gekürzt)\n\n\n\n

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B und C mieten seit 1981 von der A eine Wohnung in Berlin. Im Jahre 1983 sanierten B und C vereinbarungsgemäß den Boden im Badezimmer der Wohnung. Die vorhandenen Holzdielen ohne Fußbodenentwässerung sollten durch einen Fliesenfußboden mit Bodenabfluss ersetzt werden. Dabei brachten B und C jedoch eine Dichtung unterhalb der Fliesen nicht fachgerecht an.\n\n\n\n

Gleichwohl duschten B und C in der Folgezeit wiederholt außerhalb der Duschwanne. Hierdurch gelangten fortlaufend erhebliche Mengen Wasser auf den nicht ordnungsgemäß abgedichteten Boden. Im Juli 2016 trat schließlich eine erhebliche Menge Wasser durch den Boden der von B und C bewohnten Wohnung in die darunter gelegene Wohnung. Ein Sachverständiger stellte fest, dass die Decke durch über Jahre eingedrungene Feuchtigkeit einsturzgefährdet war.\n\n\n\n

Die zur Reparatur des Schadens am Boden bzw. an der Decke erforderlichen Kosten belaufen sich auf 70.000 €. A forderte B und C zum Ersatz dieser Kosten auf. Die Wohnung wird weiterhin von B und C bewohnt und dies soll sich nach dem Willen der Parteien auch nicht ändern. B und C entgegnen der A, aufgrund der Tatsache, dass C im Rollstuhl sitze, hätten sie die Duschvorgänge außerhalb der Duschwanne vornehmen müssen. Außerdem sei der Anspruch der A verjährt. \n\n\n\n

Hat A gegen B und C den geltend gemachten Anspruch aus Vertrag?\n\n\n\n

Bearbeitungshinweis: 1. Es ist die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Beitrages geltende Rechtslage anzuwenden und etwaige Übergangsvorschriften daher unbeachtlich. 2. Das Verhältnis der Mieterhaftung zur Haftung des Gebäudeversicherers (sog. versicherungsrechtliche Lösung) ist außer Acht zu lassen. \n\n\n\n

Sachverhalt als .pdf\n\n\n\n\n\n
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Skizze\n\n\n\n\n\n
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Gutachten\n\n\n\n
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A. Anspruch aus § 280 I, 241 II, 535, 421 BGB \n\n\n\n

A könnte gegen B und C einen Anspruch auf Zahlung von 70.000 € aus § 280 I, 241 II, 535, 421 BGB haben. \n\n\n\n

I. Anspruch entstanden\n\n\n\n

Der Anspruch müsste zunächst entstanden sein. \n\n\n\n

1. Schuldverhältnis, § 280 I BGB\n\n\n\n

Hierzu müsste ein Schuldverhältnis zwischen A auf der einen Seite und B sowie C auf der anderen Seite gegeben sein. Zwischen A, B und C liegt ein wirksamer Mietvertrag gemäß § 535 I BGB vor und damit auch ein Schuldverhältnis im Sinne des § 280 I BGB. \n\n\n\n

2. Pflichtverletzung, § 280 I BGB\n\n\n\n

Weiterhin müsste auch eine Pflichtverletzung auf Seiten von B und C gegeben sein. Gemäß § 241 II BGB sind die Parteien eines Schuldverhältnisses verpflichtet, auf die Interessen, Rechte und Rechtsgüter der anderen Partei Rücksicht zu nehmen. Hierzu gehört bei einem Mietverhältnis, die im Eigentum des Vermieters stehende Mietsache, hier die Wohnung, nicht zu beschädigen. Die Pflicht könnten B und C verletzt haben. B und C renovierten den Badezimmerboden derart unsachgemäß, dass eine hinreichende Abdichtung nicht gewährleistet war. Trotz dieser ihnen bekannten Tatsache duschten B und C regelmäßig außerhalb der dafür vorgesehenen und hinreichend abgedichteten Duschkabine. Hierdurch wurde der Boden der im Eigentum der A stehenden Wohnung fortlaufend beschädigt. Dies führte letztlich gar dazu, dass erhebliche Mengen Wasser in durch den Boden in die darunter liegende Wohnung eintraten und die Decke einsturzgefährdet ist. Somit liegt eine Substanzverletzung an der Mietsache vor und somit ist eine Eigentumsverletzung bei A eingetreten ist. Damit liegt eine Pflichtverletzung durch B und C gemäß § 280 I, 241 II BGB vor.\n\n\nVernetztes Lernen: Handelt es sich auch um einen Schadensersatz neben der Leistung, wenn A und B die Mietsache bereits, aber aufgrund des Schadens nicht ordnungsgemäß zurückgegeben haben?

\nFraglich ist, ob es sich hierbei um eine Pflichtverletzung handelt, die einen Anspruch nach §§ 280 I, 241 II BGB begründet oder ob nicht vielmehr §§ 280 I, III, 281 I 1 BGB anzuwenden ist. Letzteres wäre der Fall, wenn es sich um eine Hauptleistungspflicht von B und C handelt, deren Verletzung zu einem Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung führt. Hierfür könnte sprechen, dass der Mieter gem. § 546 BGB nach der Beendigung des Mietverhältnisses die Rückgabe der Mietsache in einem ordnungsgemäßen Zustand schuldet. Von ihm zu vertretene Schäden an der Mietsache hat er daher zuvor zu beseitigen. Allerdings würde dies dazu führen, dass der Zeitpunkt der Betrachtung, vor oder nach Beendigung des Mietverhältnisses, zu einer unterschiedlichen Anwendbarkeit der Schadensersatznormen führt. „Denn bei der bei der Verpflichtung des Mieters, die ihm überlassenen Mieträumlichkeiten in einem dem vertragsgemäßen Gebrauch nach Maßgabe von § 538 BGB entsprechenden Zustand zu halten, insbesondere die Räumlichkeiten aufgrund der aus der Besitzübertragung folgenden Obhutspflicht schonend und pfleglich zu behandeln sowie alles zu unterlassen, was zu einer von § 538 BGB nicht mehr gedeckten Verschlechterung führen kann, handelt es sich um eine nicht leistungsbezogene Nebenpflicht im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB, die das Mietverhältnis begleitet“. [1]BGH NJW-RR 2022, 590 Rn.13.