{"id":5967,"date":"2023-01-07T13:03:31","date_gmt":"2023-01-07T12:03:31","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=5967"},"modified":"2023-01-15T11:02:34","modified_gmt":"2023-01-15T10:02:34","slug":"e-bikes-und-scientology","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/e-bikes-und-scientology\/","title":{"rendered":"E-Bikes und Scientology"},"content":{"rendered":"

BVerwG, Urt. v. 06.04.2022 – 8 C 9.21; NVwZ 2022, 1644\n\n\n\n

Sachverhalt – abgewandelt und gekürzt\n\n\n\n

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A möchte sich ein E-Bike anschaffen und dabei die Förderung der Landeshauptstadt München (M) in Anspruch nehmen. Die Förderung wird gestützt auf die den Haushaltsplan konkretisierende Förderrichtlinie Elektromobilität, die Zuschüsse für E-Fahrräder vorsieht. Bei der Beantragung der Förderung müssen Antragssteller*innen nach dem Antragsformular eine „Schutzerklärung in Bezug auf die Lehre von L. Ron Hubbard\/Scientology“ unterzeichnen. Hiernach erklären Antragssteller*innen, dass sie entsprechende Methoden, Inhalte und Technologien weder anwenden noch verbreiten oder an entsprechenden Seminaren teilnehmen. Der aktuelle Verfassungsschutzbericht Bayerns erklärt, dass Programmatik und Aktivitäten der Scientology-Organisation mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar seien.\n\n\n\n

Als jahrelang praktizierendes Mitglied der Scientology-Bewegung weigert sich A im Antragsverfahren, die Schutzerklärung zu unterzeichnen. Gegen die Ablehnung des Förderantrags durch die M allein wegen fehlender Abgabe der Schutzerklärung klagt sie vor dem Verwaltungsgericht, da sie ansonsten – was zutrifft – die Fördervoraussetzungen erfüllt. Die Forderung nach der Abgabe der Schutzerklärung sei ihrer Meinung nach verfassungswidrig.\n\n\n\n

Hat die Klage Erfolg?\n\n\n\n

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Sachverhalt als .pdf\n\n\n\n
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Skizze\n\n\n\n\n\n
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Gutachten\n\n\n\n

Die Klage von A hat Erfolg, soweit sie zulässig und begründet ist.\n\n\n\n

A. Zulässigkeit\n\n\n\n

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges\n\n\n\n

Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs bestimmt sich mangels aufdrängender Sonderzuweisung nach § 40 I VwGO, sodass die streitentscheidende Norm eine des öffentlichen Rechts sein müsste. Streitentscheidende Normen sind hier die Förderrichtlinie Elektromobilität i.V.m. dem allgemeinen Gleichheitssatz gem. Art. 3 I GG, die einseitig einen Träger öffentlicher Gewalt berechtigen oder verpflichten. Nach der modifizierten Subjektstheorie handelt es sich daher um Normen des öffentlichen Rechts und damit um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Dabei wird die öffentliche Hand auch nicht privatrechtlich durch Ausgestaltung eines Fördervertrags tätig, sodass mittels der Zwei-Stufen-Theorie ein privatrechtliches Handeln angenommen werden könnte. Bei sog. verlorenen Zuschüssen, als die auch die vorliegende Förderung des Erwerbs eines E-Fahrrads zu verstehen ist, handelt die Behörde stets öffentlich-rechtlich.[1]Detterbeck, in: Allg. VerwR, 20. Aufl. 2022, Rn. 912.