{"id":5300,"date":"2022-11-18T10:07:30","date_gmt":"2022-11-18T09:07:30","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=5300"},"modified":"2022-11-24T12:24:51","modified_gmt":"2022-11-24T11:24:51","slug":"auskunftsanspruch-der-presse-gegen-den-bnd","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/auskunftsanspruch-der-presse-gegen-den-bnd\/","title":{"rendered":"Auskunftsanspruch gegen den BND"},"content":{"rendered":"

BVerwG, Urteil vom 08.07.2021– BVerwG 6 A 10.20; BeckRS 2021, 27029\n\n\n\n

Sachverhalt – gekürzt und abgewandelt\n\n\n\n

J ist Journalist der Tageszeitung T. Schon länger ärgert er sich über die Undurchsichtigkeit der Pressearbeit des Bundesnachrichtendienstes (BND). Der BND führt bekanntlich sog. Kennenlerngespräche in seinen Räumlichkeiten in Berlin, bei welchen Medienvertreter*innen und Mitarbeiter*innen des BND sich kennenlernen. Darüber hinaus gibt es abseits der generellen Pressetermine auch Einzelgespräche, bei denen einigen Medienvertreter*innen die erwünschten Auskünfte erteilt werden. J möchte in diesem Zuge die Beziehungen zwischen dem BND und den Medien aufdecken. \n\n\n\n

Deswegen begehrt J Auskunft über dessen Pressetätigkeiten: Zum einen möchte J wissen, welchen Medienvertreter*innen der BND in den Jahren 2019 und 2020 wann und zu welchem Anlass Zugang zu seinen Liegenschaften in Berlin gewährt hat. Zum anderen mit welchen seiner Kolleg*innen der BND im Jahr 2019 vertrauliche Einzelgespräche geführt hat. Der BND, der im Besitz der relevanten Informationen ist, beantwortet diese Fragen aus Sicht des J aber nur unzureichend. Der BND beschränkte sich darauf J mitzuteilen, dass insgesamt 44 Medienvertreter*innen Einzelgespräche wahrgenommen haben, wobei sowohl die Namen verschwiegen als auch die behandelten Themen nur abstrakt beschrieben worden sind. Informationen zu den Kennenlerntreffen verweigert der BND völlig.\n\n\n\n

Daher erhebt J verwaltungsrechtliche Klage und stützt sich auf den landesrechtlichen § 4 LPressG sowie auf seinen grundrechtlichen Auskunftsanspruch aus Art. 5 I 2 GG. \n\n\n\n

Der BND verweist darauf, dass § 4 LPressG auf ihn nicht anwendbar sei. Ohnehin sei das Auskunftsbegehren des J durch die Pressefreiheit der anderen Medienvertreter*innen begrenzt, deren Recherche- und Redaktionsgeheimnis durch den BND gewahrt würde. Gleiches gelte auch für deren informationelle Selbstbestimmung. Eine Offenbarung der Namen und beteiligten Medien würde in Ansehung späterer Veröffentlichungen dann Rückschlüsse auf die einzelne Recherchearbeit ermöglichen – auch die Kennenlerngespräche fielen schon unter diesen Schutz, weil sie der Vorbereitung der Informationsbeschaffung dienen würden. Der BND sei in der Beantwortung des Auskunftsersuchens gebunden.  J widerspricht dem, weil sein Auskunftsinteresse dem Schutzinteresse klar überwiege. Er wolle nicht die Arbeit seiner Kollegen ausforschen, sondern nur die die Medienarbeit des BND beleuchten. Das Persönlichkeitsrecht sei, da man sich im einen Arbeitskontext bewege, sowieso nicht anwendbar.\n\n\n\n

Hat eine Klage der K vor dem Verwaltungsgericht Erfolg?\n\n\n\n

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§ 4 LPressG – Informationsrecht der Presse\n\n\n\n

(1) Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen. […]\n\n\n\n

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Sachverhalt als .pdf\n\n\n\n
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Skizze\n\n\n\n\n\n
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Gutachten \n\n\n\n

Die Klage des J hat Erfolg, soweit sie zulässig und begründet ist.\n\n\n\n

A. Zulässigkeit der Klage\n\n\n\n

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs\n\n\n\n

Der Verwaltungsrechtsweg müsste eröffnet sein. Mangels aufdrängender Sonderzuweisung ist § 40 I 1 VwGO heranzuziehen. Sowohl § 4 LPressG als auch Art. 5 I 2 GG verpflichten ausschließlich den BND als Hoheitsträger i.S.d. modifizierten Subjektstheorie. Unabhängig davon, dass Art. 5 I 2 GG eine verfassungsrechtliche Anspruchsgrundlage ist, streiten mit J und dem BND keine zwei Verfassungsorgane i.S.d. Theorie der doppelten Verfassungsunmittelbarkeit. Mithin ist die Streitigkeit öffentlich-rechtlicher, nicht verfassungsrechtlicher Natur. Eine abdrängende Sonderzuweisung ist nicht ersichtlich. \n\n\nVernetztes Lernen: Woraus ergibt sich die sachliche und örtliche Zuständigkeit im Verwaltungsrechtsweg?

\nGrundsätzlich entscheidet das Verwaltungsgericht im ersten Rechtszug (§ 45 VwGO). Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 52 VwGO.
\nEine Zuständigkeit des OVG wiederum ergibt sich aus den
§§ 46 ff. VwGO, wobei das OVG gleichzeitig als Rechtsmittelinstanz (§ 46 VwGO) als auch als Instanz im ersten Rechtszug tätig werden kann (§§ 47, 48 VwGO). Selbiges gilt für das BVerwG, §§ 49 f. VwGO. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Streitigkeit, die in den Geschäftsbereich des BND fällt, sodass das BVerwG gem. § 50 I Nr. 4 VwGO im ersten Rechtszug zuständig wäre.
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II. Statthafte Klageart\n\n\n\n

Welche Klageart statthaft ist, bemisst sich gem. § 88 VwGO nach dem Begehren des Klägers. K begehrt Auskunft vom BND über die Einzel- und Kennenlerngespräche. Dabei ist an eine Leistungsklage zu denken. Diese ist statthaft, wenn der Kläger ein Handeln, Tun oder Unterlassen begehrt, das nicht im Erlass eines Verwaltungsakts besteht. Die Leistungsklage ist zwar gesetzlich nicht geregelt, wird aber beispielsweise in § 43 II VwGO vorausgesetzt und ist insoweit gewohnheitsrechtlich anerkannt.[1]Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 12. Aufl. 2021, § 17 Rn. 1.