{"id":5028,"date":"2022-11-09T14:15:00","date_gmt":"2022-11-09T13:15:00","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=5028"},"modified":"2022-11-08T16:05:41","modified_gmt":"2022-11-08T15:05:41","slug":"die-reichsbuergerin-und-die-spezialeinheit","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/die-reichsbuergerin-und-die-spezialeinheit\/","title":{"rendered":"Die Reichsbürgerin und die Spezialeinheit"},"content":{"rendered":"

BGH, Urteil vom 30.09.2021 – 4 StR 170\/21, BeckRS 2021, 31665\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

R ist Reichsbürgerin. Sie hat keinen legalen Job und lehnt jede staatliche Hilfe ab, da sie den deutschen Rechtsstaat verleugnet. Ihre Einnahmen für ihren Lebensunterhalt kommen aus illegalen Geschäften, vorwiegend aus Drogenverkäufen. Die Drogen lagert sie in ihrer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. Außerdem hat sie zu Hause eine halbautomatische Pistole.\n\n\n\n

Aufgrund ihrer Drogengeschäfte weiß R, dass die Möglichkeit besteht, dass die Polizei auf sie aufmerksam werden könnte und ihre Wohnung durchsuchen möchte. Da sie solch einen staatlichen „Übergriff“ nicht dulden wird, beschließt sie, im Fall einer Durchsuchung den durchsuchenden Polizisten, schon allein aufgrund der Zugehörigkeit der Berufsgruppe, zu töten. \n\n\n\n

Tatsächlich wird die Polizei auf R und ihre Drogengeschäfte aufmerksam. Da Sie als Reichsbürgerin bekannt ist und mit Gegenwehr bei einem zu vollstreckenden Durchsuchungsbeschluss gerechnet wird, soll ein Spezialeinsatzkommando bei der Durchsuchung unterstützen. Als das Spezialeinsatzkommando in den Hausflur vorrückt, bemerkt R die Beamten. Sie war bereit, ihren vorab gefassten Entschluss in die Tat umzusetzen: Dafür nimmt sie sich die durchgeladene und entsicherte Pistole und positioniert sich an der Wohnungstür. Der Polizeibeamte P, welcher eine ballistische Schutzweste mit der Aufschrift „Polizei“ trägt, rammt die Wohnungstür auf und ruft dabei laut „Polizei“. Unmittelbar danach gibt R einen Schuss auf den Oberkörper des P ab, um ihn zu töten. \n\n\n\n

Der Schuss trifft P an der nach vorne zeigender Schulter, die Patrone gelangt in den Körper und verletzt P tödlich. R wird im Anschluss festgenommen.\n\n\n\n

Wie hat sich R strafbar gemacht? \n\n\n\n

Sachverhalt als .pdf\n\n\n\n
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Skizze\n\n\n\n\n\n

Gutachten\n\n\n\n

A. Strafbarkeit gem. §§ 212 I, 211 StGB \n\n\n\n

R könnte sich wegen Mordes gem. §§ 212 I, 211 I, II Gr. 1 Var. 4, Gr. 2 Var. 1, Gr. 3 Alt. 2 StGB strafbar gemacht haben, indem sie mit der Pistole auf den Oberkörper des P schießt und ihn dabei tödlich verletzt. \n\n\n\n

I. Tatbestand\n\n\n\n

1. Objektiver Tatbestand\n\n\n\n
a) Tod eines anderen Menschen\n\n\n\n

P verstirbt, sodass der Tod eines anderen Menschen vorliegt.\n\n\n\n

b) Kausalität und Objektive Zurechnung \n\n\n\n

Hätte R nicht auf den Oberkörper des P einen Schuss abgegeben, wäre dieser nicht gestorben, sodass die Verletzungshandlung nicht hinweggedacht werden kann, ohne das der konkrete Taterfolg entfiele. Folglich ist die Verletzungshandlung der R kausal für den Todeseintritt. Mit dem Schuss auf den Oberkörper des P hat R eine Todesgefahr für P geschaffen, welche sich in seinem Tod realisiert hat. Daher ist der Todeserfolg der R objektiv zurechenbar. \n\n\n\n

c) Heimtücke\n\n\n\n

R könnte dabei das Mordmerkmale der Heimtücke verwirklicht haben. Heimtückisch handelt derjenige, der bei dem Angriff die bestehende Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tat ausnutzt.[1]Vgl. Rengier, Strafrecht BT II, 23. Aufl. 2022, § 4 Rn. 48.