{"id":410,"date":"2020-06-06T17:14:41","date_gmt":"2020-06-06T15:14:41","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=410"},"modified":"2020-08-06T10:17:54","modified_gmt":"2020-08-06T08:17:54","slug":"das-leid-der-welt-sollst-du-nicht-ertragen","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/das-leid-der-welt-sollst-du-nicht-ertragen\/","title":{"rendered":"Das Leid der Welt sollst du nicht ertragen"},"content":{"rendered":"
BGH, Urteil vom 19.6.2019 – 5 StR 128\/19 – BGH NJW 2019, 2413\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

M und F sind seit Jahren verheiratet. Aufgrund von einer Privatinsolvenz des M und der Spielsucht von beiden ist die finanzielle Situation des Ehepaares schwierig. Seit 2018 können M und F die Rechnungen der Miete, des Stroms und weiterer Verpflichtungen nicht bezahlen. Es droht die Zwangsräumung und die Sperrung des Stromanschlusses. Außerdem hinterging M seinen Arbeitgeber, indem er die Bareinnahme aus seinem Job als Taxifahrer einbehielt. Nachdem er davon Kenntnis erlangte, kündigte er M fristlos und drohte ihm mit einer Anzeige.\n\n\n\n

F war lediglich bekannt, dass sie in einer schlechten finanziellen Situation stecken, jedoch hatte sie keine genauen Kenntnisse über die finanzielle Lage. M glaubte F von all diesen existenzbedrohenden Tatsachen verschonen zu müssen. Er war in Sorge, sie werde diese Situation nicht verkraften, da sie 16 Jahre älter und unter erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen litt.\n\n\n\n

M entschied F nicht in die Situation einzuweihen und überlegte stattdessen, erst sie und dann sich selbst zu töten. Er hatte zu keinem Zeitpunkt mit ihr darüber gesprochen, gemeinsam aus dem Leben auszuscheiden. In der Tatnacht nahm M einen Hammer und schlug neunmal wuchtig und für sich genommen tödlich gegen den Kopf der schlafenden F. Die erheblichen Kopfverletzungen führten binnen kürzester Zeit zur Bewusstlosigkeit und innerhalb von etwa fünf Minuten zum Tod durch Ersticken. M war bewusst, dass F sich mit dem Bewusstsein schlafen gelegt hatte, ihr drohe keine Gefahr. Sein anschließend geplanter Selbstmord mittels Medikamenten scheiterte.\n\n\n\n

Das Tatmotiv des M lag darin, seine Ehefrau durch die Tötung ein Leben im finanziellen Ruin zu ersparen. Er wollte einen befürchteten völligen psychischen Zusammenbruch vermeiden.\n\n\n\n

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Strafbarkeit des M?\n\n\n\n


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Skizze\n\n\n\n
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Gutachten\n\n\n\n

Strafbarkeit des M gem. §§ 211 I, II Gr. 2 Var. 1, 212 StGB\n\n\n\n

M könnte sich wegen Mordes an F gem. §§ 211 I, II Gr. 2 Var. 1, 212 StGB strafbar gemacht haben, indem er mit dem Hammer, während F schlief, neunmal auf ihren Kopf schlug, sodass sie bewusstlos wurde und binnen kurzer Zeit an den Folgen der Kopfverletzung verstarb.\n\n\n\n

A. Tatbestand\n\n\n\n

I. Objektiver Tatbestand\n\n\n\n

1. Tod eines anderen Menschen\n\n\n\n

F ist gestorben, sodass von dem Tod eines anderen Menschen ausgegangen werden kann.\n\n\n\n

2. Kausalität\n\n\n\n

Die Tötungshandlung des M müsste auch kausal für den Tod der F gewesen sein. Kausal ist gem. der conditio-sine-qua-non-Formel eine Handlung dann, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der tatbestandliche Erfolg entfiele.[1]Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, 11. Auflage 2019, § 13, Rn. 3.