{"id":3506,"date":"2022-08-04T16:00:00","date_gmt":"2022-08-04T14:00:00","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=3506"},"modified":"2023-05-25T09:10:15","modified_gmt":"2023-05-25T07:10:15","slug":"die-steinwerferin","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/die-steinwerferin\/","title":{"rendered":"Die Steinwerferin"},"content":{"rendered":"

BGH, Urteil v. 9.12.2021 – 4 StR 167\/21, NJW 2022, 409\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

D ist von einem Treffen mit ihren Freundinnen auf dem Weg nach Hause. An dem Abend hat es hitzige Debatten zwischen ihnen gegeben. Sie ist immer noch angespannt von der Situation mit ihren Freundinnen. Auf ihrem Weg nach Hause muss sie eine zurzeit wenig befahrene Bundesstraße über eine Brücke überqueren. Kurzerhand greift sie nach 15 kleinen Schottersteinen (ca 3×3 cm bis 4×7 cm). Sie hat vor, diese Steine von der Brücke auf einen die Bundesstraße befahrenden Wagen fallen zu lassen, um so ihrer Wut Luft zu machen. Dabei sollte nur das Auto beschädigt werden. Um keinen Menschen zu verletzten oder gar zu töten, nimmt D bewusst keine großen Steine.\n\n\n\n

M nähert sich auf der Bundesstraße mit ihrem Wagen der Brücke. D beobachtet die Geschwindigkeit und schätzt den Moment ab, in dem der Wagen den Brückenbereich wieder verlassen würde und lässt sodann die Steine fallen.\n\n\n\n

Wie beabsichtigt treffen die Steine nur das Fahrzeugdach und verursachen dabei einen erheblichen Schaden (Schadenswert 3.000€). D geht davon aus, dass die kleinen Steine keine Frontscheibe zerstören können oder gar durchschlagen, sodass die Insassen des Fahrzeuges ernsthaft verletzt werden könnten. Durch das Aufprallen der Steine auf dem Dach und den damit verbundenen Geräuschen erschreckt sich M auch nicht, was zu einem unkontrollierten Fahrmanöver hätte führen können.\n\n\n\n

\n\n\n\n

Wie hat sich D strafbar gemacht? Ggf. erforderliche Strafanträge sind gestellt.\n\n\n\n

Sachverhalt als .pdf\n\n\n\n
\n\n\n\n

Skizze\n\n\n\n\n\n

Gutachten\n\n\n\n

A. Versuchter Mord §§ 212, 211, 22, 23 I StGB\n\n\n\n

D könnte sich wegen versuchten Mordes gem. §§ 212, 211, 22, 23 I StGB strafbar gemacht haben, indem sie Schottersteine von einer Brücke auf den Wagen der M geworfen hat.\n\n\n\n

0. Vorprüfung\n\n\n\n

M ist nicht gestorben, sodass die Tat nicht vollendet ist. Da Mord ein Verbrechen ist, ist die Versuchsstrafbarkeit gem.  §§ 211, 23 I gegeben.\n\n\n\n

I. Tatentschluss\n\n\n\n

M müsste Tatentschluss bzgl. der Tötung der M gehabt haben. Fraglich ist, ob M den Vorsatz hatte, einen anderen Menschen zu töten. In Betracht käme ein bedingter Vorsatz. Bedingter Vorsatz ist anzunehmen, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt und dies billigt bzw. sich mit dem Erfolg abfindet.[1]Rengier, Strafrecht AT, 13. Aufl. 2021, § 14 Rn. 10.