{"id":33,"date":"2020-06-05T14:13:00","date_gmt":"2020-06-05T12:13:00","guid":{"rendered":"http:\/\/localhost\/wlow3\/?p=1"},"modified":"2021-03-03T11:38:59","modified_gmt":"2021-03-03T10:38:59","slug":"gedopter-boxer","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/gedopter-boxer\/","title":{"rendered":"Vergiftete Babygläschen"},"content":{"rendered":"
BGH, Beschluss vom 5.6.2019 – 1 StR 34\/19 – BGH NJW 2019, 3659\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

T verteilt in fünf verschiedenen Supermarktfilialen von ihm mit Gift präparierte Babynahrungsgläschen. Rein optisch sind die vergifteten Babygläschen von normalen Gläschen nicht zu unterscheiden. Das Gift ist farb- und geruchsneutral und hat einen süßlichen Geschmack. Unmittelbar danach verschickt T eine anonyme E-Mail an das Bundeskriminalamt, eine Verbraucherschutzorganisation sowie die entsprechenden Einzelhandelskonzerne. Er beschreibt sein Vorgehen – unter Benennung der exakten Marke und Geschmacksrichtung, nicht aber der konkret betroffenen Filialen. Zudem kündigt er eine baldige Wiederholung dieses Vorgehens mit mehr Gläschen an. Mit Verweis darauf fordert er von den betroffenen Unternehmen die Zahlung eines Betrages in Millionenhöhe. Kämen sie dem nach, so werde er die Behörden rechtzeitig über die Standpunkte der Gläschen informieren und keiner „würde zu Schaden kommen“. Die daraufhin eingeleiteten Ermittlungsmaßnahmen werden durch die Vielzahl der Filialen erschwert. Schließlich können drei Gläschen am Sonntag, die restlichen am Dienstagabend gefunden werden. Es wird weder die Forderung des T erfüllt, noch findet die zweite angekündigte Tat statt, da er davor identifiziert und festgenommen werden kann. \n\n\n\n

Strafbarkeit des T?\n\n\n\n


\n\n\n\n

Skizze\n\n\n\n\n\n
\n\n\n\n

Gutachten\n\n\n\n

A. Strafbarkeit gem. §§ 212 I, 211, 25 I 2, 22, 23 I StGB\n\n\n\n

Zunächst könnte sich T des versuchten Mordes in mittelbarer Täterschaft gem. §§ 212 I, 211, 25 I 2, 22, 23 I StGB strafbar gemacht haben, indem er die Gläschen mit vergifteter Babynahrung in den Supermärkten verteilt.\n\n\n\n

I. Vorprüfung\n\n\n\n

1. Versuchsstrafbarkeit\n\n\n\n

Der Versuch des Mordes ist gem. §§ 23 I, 12 StGB strafbar, da es sich bei dem Mord um ein Verbrechen mit einer Mindestfreiheitsstrafe über einem Jahr handelt.\n\n\n\n

2. Nichtvollendung\n\n\n\n

Die Tat ist auch nicht vollendet, da der Taterfolg des Todes eines Menschen ausblieb.\n\n\n\n

II. Tatbestand\n\n\n\n

1. Tatentschluss\n\n\n\n

T müsste auch mit Tatentschluss, also vorsätzlich gehandelt haben.\n\n\n\n

a) Bzgl. des Erfolgs und der kausalen Handlung\n\n\n\n

T nahm den Erfolg, also den Tod von Babys durch die vergiftete Nahrung, auch wenn er ggf. darauf hoffte zuvor die von ihm geforderte Geldsumme zu erhalten und den Tod zu verhindern, zumindest billigend in Kauf (dolus eventualis). T müsste zudem Vorsatz bzgl. der Begehung der Tat in mittelbarer Täterschaft gem. § 25 I 2 StGB gehabt haben, da T das Gift den Babys nicht selbst verabreichen will. Auch ist die vorliegende Konstellation von den klassischen Giftfallen-Fällen zu unterscheiden, wo der Täter ein Gift bereitstellt, was dann von dem Opfer – freilich ohne Kenntnis – zu sich genommen wird. In solchen Fällen ist umstritten, ob es sich um eine mittelbare Täterschaft im Zwei-Personen-Verhältnis handelt, bei dem das Opfer gleichzeitig das tatbestandslose Werkzeug gegen sich selbst ist.[1]So Rengier, Strafrecht Allgemeiner Teil, 11. Aufl. 2019, § 43 Rn. 9 f; vgl. zu weiteren Nachweisen Putzke JuS 2009, 985, 990.