{"id":3287,"date":"2022-06-17T14:14:00","date_gmt":"2022-06-17T12:14:00","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=3287"},"modified":"2023-01-05T12:00:08","modified_gmt":"2023-01-05T11:00:08","slug":"arbeitslohn-bei-coronabedingter-betriebsschliessung","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/arbeitslohn-bei-coronabedingter-betriebsschliessung\/","title":{"rendered":"Arbeitslohn bei coronabedingter Betriebsschließung?"},"content":{"rendered":"
BAG Urteil vom 13.10.2021 – 5 AZR 211\/21, BeckRS 2021, 31216\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

(abgewandelt und gekürzt)\n\n\n\n

Die B betreibt einen Handel mit Nähmaschinen und Zubehör mit Sitz in Bremen. Die K arbeitet dort seit Oktober 2019 als geringfügige Beschäftigte im Verkauf. Dort erhält sie monatlich eine monatliche Vergütung von 432,00 EUR. Die Arbeitszeit wird dabei von B bestimmt.\n\n\n\n

Mit Ausbruch der Corona-Pandemie erließ die Freie Hansestadt Bremen am 23.03.2020 die „Allgemeinverfügung über das Verbot von Veranstaltungen, Zusammenkünften und der Öffnung bestimmter Betriebe zur Eindämmung des Coronavirus der Freien Hansestadt Bremen“.\n\n\n\n

Mit Ziffer 1 der Allgemeinverfügung wurde zur Eindämmung der Pandemie eine Betriebsschließung für eine Vielzahl von Betrieben und Geschäften angeordnet.\n\n\n\n

Auszugsweise heißt es zur Begründung: „Die in Ziffer 1 benannten Betriebe, Tätigkeiten und Zusammenkünfte weisen ein besonderes Infektionsrisiko für teilnehmende Personen oder Gäste auf. Sie zeichnen sich insgesamt durch ein enges Beisammensein oder besondere Voraussetzungen für die Übertragung des Virus aus. Sie sind deshalb auf das absolut notwendige Mindestmaß zu reduzieren (…). […]\n\n\n\n

Ziel der Allgemeinverfügung ist es, die Übertragungswege von SARS-CoV-2 zu unterbrechen, das Risiko von Infektionen einzudämmen und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens aufrechtzuerhalten. Um dies sicherzustellen, ist das hier verfügte Verbot erforderlich und geboten. Mildere, gleichwirksame Mittel zur Erreichung dieses Zwecks sind nicht ersichtlich. Die bisher verfügten individuellen Maßnahmen sind nicht ausreichend, um der weiteren Verbreitung des Virus entgegenzuwirken (…).“\n\n\n\n

Infolgedessen musste die Filiale der B im April 2020 geschlossen bleiben und K arbeitete in dem Monat nicht. K war dabei arbeitsfähig und arbeitswillig. B zahlte der K für den Monat daraufhin keine Vergütung. Ohne die staatlich verfügte Schließung hätte K auch diesem Monat wieder 432,00 EUR verdient. Einer Aufforderung der K zur Zahlung des Lohns leistete B keine Folge und wies sämtliche Ansprüche zurück.\n\n\n\n

K klagt nun auf Zahlung des Arbeitslohns in Höhe von 432,00 EUR gegen B. Steht der K der geltend gemachte Anspruch zu?\n\n\n\n

Hinweis: Normen des IfSG sind für die Prüfung nicht relevant. Die Allgemeinverfügung ist rechtmäßig und daher nicht zu prüfen.\n\n\n\n\n\n


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Gutachten\n\n\n\n

A.  Anspruch aus § 611a Abs. 2 BGB i.V.m. § 615 S. 1 BGB\n\n\n\n

K könnte zunächst einen Anspruch auf Lohnzahlung für den April 2020 in Höhe von 432,00 EUR gegen B aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 611a Abs. 2 BGB haben. Danach ist der Arbeitgeber zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.\n\n\n\n

I.    Arbeitsvertrag\n\n\n\n

Zunächst müsste zwischen B und K ein Arbeitsvertrag im Sinne von § 611a Abs. 1 BGB bestehen.\n\n\n\n

Durch einen Arbeitsvertrag wird ein Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann dabei gemäß § 611a Abs. 1 S. 3 BGB Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist dabei nach Satz 3, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist dabei letztlich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller Umstände zu bestimmen, Abs. 1 S. 5 BGB.\n\n\n\n

Abzugrenzen ist der Arbeitsvertrag regelmäßig unter anderem vom Dienstvertrag (§ 611 BGB) und vom Werkvertrag (§ 631 BGB). Der wesentliche Unterschied zum Dienstvertrag besteht dabei in der Erbringung einer abhängigen und unselbstständigen Leistung.[1]Grüneberg\/Weidenkaff, 81. Auflage 2022, Einf. v. § 611 BGB Rn. 4, 10ff.