{"id":3268,"date":"2022-06-22T12:00:00","date_gmt":"2022-06-22T10:00:00","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=3268"},"modified":"2022-06-27T10:53:24","modified_gmt":"2022-06-27T08:53:24","slug":"heimtuecke-eines-erpressten","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/heimtuecke-eines-erpressten\/","title":{"rendered":"Heimtücke eines Erpressten"},"content":{"rendered":"

BGH, Beschluss vom 18.11.2021 – 1 StR 397\/21; NStZ 2022, 288\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

T kauft seit langer Zeit bei D sein Heroin. Nach einigen Jahren verändert D, die bislang gut funktionierte Zahlungsvereinbarung, nach der T erst am Ende jeden Monats bezahlen musste und fordert direkt nach der Übergabe der Drogen 200 €. T kann diese nicht direkt bezahlen. D fordert nun Strafzinsen von T und erhebt diese auch für die Folgezeit.\n\n\n\n

Aus Sicht des T sind diese Forderungen nicht berechtigt und deshalb kommt er der Aufforderung nicht nach. D hingegen unterstich die Ernsthaftigkeit seiner Ansicht mit regelmäßigen Schlägen und Drohungen.\n\n\n\n

Mittlerweile fordert D von T 4000 €. Da mit der steigenden Forderung auch die Intensität der Drohungen steigen, behauptet T wahrheitswidrig, seine Mutter hätte für ihn einen Kredit aufgenommen und er werde den Betrag bald bezahlen. Damit D nun endlich an sein Geld kommt, fährt er mit T zu der Wohnung seiner Mutter. Damit T klar ist, wie ernst D die Forderung nimmt, schlägt er ihm mit voller Wucht in den Bauch und droht erneut.\n\n\n\n

T gibt vor, im Haus das Geld zu holen, kommt jedoch mit einer Pistole wieder und setzt sich auf die Rückbank des Autos. D fragt nach dem Geld, woraufhin T die Waffe zieht und sagt, dass er mehr Zeit benötige. D fragt, was er mit dem Spielzeug wolle und sagt: „Schieß doch du Hurensohn“ und macht dabei eine Handbewegung in Richtung des T. Er rechnet nicht damit, dass T die Waffe tatsächlich benutzen würde. T drückt spontan die Waffe ab und schießt dem D in den Kopf, woraufhin dieser verstirbt.\n\n\n\n

Hat sich T wegen eines Tötungsdelikts strafbar gemacht?\n\n\n\n

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Sachverhalt als .pdf\n\n\n\n
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Skizze\n\n\n\n\n\n

Gutachten\n\n\n\n

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A. Strafbarkeit gem. § 212 I StGB\n\n\n\n

T könnte sich wegen Totschlags gem. § 212 I StGB strafbar gemacht haben, indem er dem D in den Kopf schoss.\n\n\n\n

I. Tatbestand\n\n\n\n

1. Objektiver Tatbestand\n\n\n\n
a) Tod eines anderen Menschen\n\n\n\n

Da D verstirbt, ist der Tod eines anderen Menschen gegeben.\n\n\n\n

b) Kausalität\n\n\n\n

Hätte T den D nicht in den Kopf geschossen, wäre D nicht verstorben, sodass der Kopfschuss kausal für den Tod des D war.\n\n\n\n

c) Objektive Zurechnung\n\n\n\n

Indem T mit der Waffe auf D’s Kopf schoss, schuf er die Gefahr des Todes, welche sich realisiert hat. Daher ist der Tod des D mit T objektiv zurechenbar.\n\n\n\n

2. Subjektiver Tatbestand\n\n\n\n

T handelte vorsätzlich. Er musste zumindest damit rechnen, wenn er jemanden in den Kopf schießt, dass dieser verstirbt. Daher ist mindestens Eventualvorsatz gegeben.\n\n\n\n

II. Rechtswidrigkeit\n\n\n\n

T müsste rechtswidrig gehandelt haben.\n\n\n\n

1. Notwehr § 32 StGB\n\n\n\n
a) Notwehrlage\n\n\n\n

In Betracht kommt jedoch eine Rechtfertigung wegen Notwehr gem. § 32 StGB.\n\n\n\n

Dafür müsste eine Notwehrlage vorliegen. Diese liegt bei einem gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriff auf ein notwehrfähiges Rechtsgut vor. Ein Angriff ist jedes menschliche Verhalten, das ein rechtlich geschütztes Individualinteresse bedroht oder verletzt.[1]Rengier Strafrecht AT 13. Aufl. 2021, § 18 Rn. 6.