{"id":2516,"date":"2022-04-20T19:49:27","date_gmt":"2022-04-20T17:49:27","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=2516"},"modified":"2022-04-28T15:18:04","modified_gmt":"2022-04-28T13:18:04","slug":"notwehr-des-drogenhaendlers","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/notwehr-des-drogenhaendlers\/","title":{"rendered":"Notwehr des Drogenhändlers"},"content":{"rendered":"

BGH, Beschluss vom 16.06.2021 – 1 StR 126\/21, BeckRS 2021, 29594\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

E erwarb am Abend des 28.8.2019 von K, der sich in Begleitung von A befand, ein Gramm Kokain. Nach dessen Konsum beschwerte E sich telefonisch über die in seinen Augen minderwertige Qualität und verlangte bei einem Treffen noch in derselben Nacht – erkennbar unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln stehend – von K den Kaufpreis in Höhe von 90 Euro zurück. Dies lehnte K ab. Er befand sich wieder in Begleitung von A, der einige Meter vom Treffpunkt entfernt auf ihn wartete. \n\n\n\n

Es entwickelte sich eine verbale Auseinandersetzung, in deren Verlauf E ein Küchenmesser hervorholte, das er in Erwartung einer Auseinandersetzung mit mehreren Kontrahenten eingesteckt hatte. K ließ daraufhin seine Geldtasche mit etwa 2.500 Euro Bargeld zu Boden fallen, um sich gegen einen etwaigen Angriff besser wehren zu können. E nahm die Tasche an sich und lief davon. K rief dem A zu, dass ihm E sein Geld entwendet habe, und forderte ihn (A) auf, ihm „etwas zu geben“. Daraufhin ergriff A einen Holzbesen und brach dessen Stiel in zwei Teile. A und K bewaffneten sich jeweils mit einem Teil des Besenstiels und nahmen die Verfolgung des E auf, um ihm eine Abreibung zu verpassen. \n\n\n\n

Zwar gelang es E zunächst, in einen Innenhof zu flüchten, dort bemerkte er jedoch, dass A und K ihn fast wieder eingeholt hatten, und wandte sich daraufhin dem K zu. Dieser forderte ihn auf, ihm sein Geld zurückzugeben. Gleichzeitig schlug K den E dann mehrere Male aus Wut und Verärgerung darüber, dass er mit der Geldtasche davongelaufen war, mit dem Besenstiel wuchtig gegen den Kopf. Dadurch erlitt E eine blutende Platzwunde. Dabei kam es K darauf an, sein Geld wiederzuerlangen aber auch den E erheblich zu verletzen und ihm Schmerzen zuzufügen. Um den K auf Abstand zu halten, machte E im selben Moment mit dem Messer Abwehrbewegungen, aber keinerlei Angriffsbewegungen in Richtung von A und K, und fügte dem K dabei eine oberflächliche Schnittverletzung zu. E warf nun die aus der Tasche entnommenen Geldscheine und die Tasche mit den Worten „Nimm das Geld!“ vor dem K auf den Boden. \n\n\n\n

Daraufhin schlug dieser wieder mehrmals mit dem Besenstiel auf den E ein. Er traf ihn an den Armen. Die Schläge hatte er dabei so wuchtig ausgeführt, dass Teile des Besenstiels absplitterten. E erlitt davon einige blaue Flecken. Nachdem eine Anwohnerin angekündigt hatte, die Polizei zu rufen, hob der K das am Boden liegende Geld auf und beide verließen den Innenhof.\n\n\n\n

Strafbarkeit von K nach dem StGB?\n\n\n\n

Sachverhalt als .pdf\n\n\n\n
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Skizze\n\n\n\n\n\n

Gutachten\n\n\n\n

Tatkomplex 1: Vor Rückgabe des Geldes\n\n\n\n

A. Strafbarkeit gem. §§ 223 I, 224 I Nr. 2 Var. 2, Nr. 4 und Nr. 5 StGB\n\n\n\n

K könnte sich gem. §§ 223 I, 224 I Nr. 2 Var. 2, Nr. 4 und Nr. 5 StGB strafbar gemacht haben, indem K dem E mit dem abgebrochenen Besenstiel heftig auf den Kopf schlug.\n\n\n\n

I. Tatbestand\n\n\n\n

1. Objektiver Tatbestand\n\n\n\n
a) Körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung\n\n\n\n

Der K müsste dem E körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt haben. Eine körperliche Misshandlung ist jede üble und unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt. Unter einer Gesundheitsschädigung versteht man das Hervorrufen oder Steigern eines negativ abweichenden (krankhafter) Zustand vom Normalzustand.[1]Rengier, Strafrecht BT II, 22. Aufl. 2021, § 13 Rn. 9, 16.