{"id":2441,"date":"2022-03-24T09:57:12","date_gmt":"2022-03-24T08:57:12","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=2441"},"modified":"2022-05-07T12:16:03","modified_gmt":"2022-05-07T10:16:03","slug":"widerruf-eines-partnervermittlungsvertrages","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/widerruf-eines-partnervermittlungsvertrages\/","title":{"rendered":"Widerruf eines Partnervermittlungsvertrages"},"content":{"rendered":"

BGH, Urteil vom 06.05.2021 – III ZR 169\/20; NJW 2021, 2885\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

(abgewandelt und gekürzt) \n\n\n\n

Am 28.05.2018 schloss A mit B, einer Partnervermittlungsagentur einen Partnervermittlungsvertrag. Hierbei befanden sich A und ein Vertreter der B in der Wohnung der A. In dem von B verwendeten Vertragsformular ist die von ihr geschuldete Leistung in § 2 wie folgt beschrieben:\n\n\n\n

a) Umfangreiche Beratung im Rahmen eines persönlichen Gesprächs, in dem die speziellen Wünsche und Vorstellungen des Auftraggebers von dem in Betracht kommenden Partner erfasst, besprochen und auf Stimmigkeiten untersucht werden. Hierbei wird ein schriftlicher Personalbogen und ein Partnerwunschbogen erstellt (vorbereitende Leistung).

b) Die so herausgearbeiteten Daten werden von B bewertet und nach einem bewährten System sorgfältig mit dem Kundenbestand von B abgeglichen, um eine möglichst weitgehende Übereinstimmung der Partnerwünsche zu gewährleisten (vorbereitende Leistung).

c) Auf der Grundlage dieses Abgleichs stellt B spätestens innerhalb von vier Wochen nach Vertragsabschluss 21 Partnervorschläge (Partnerdepot) zusammen (Hauptleistung). Nach Erstellung des Partnerdepots können die Partnervorschläge innerhalb der Vertragslaufzeit von zwölf Monaten jederzeit (ggf. nach Ablauf einer Widerrufsfrist gem.
§ 355 II BGB) in beliebiger Anzahl von B geliefert bzw. vom Auftraggeber abgerufen werden.\n\n\n\n

Das hier genannte Partnerdepot wird also intern bei der B erstellt und der Zugriff auf die konkreten Partnervorschläge bedarf sodann einer gesonderten Bereitstellung durch B.\n\n\n\n

Zudem ist in § 3 des Vertrages bestimmt, dass „auf die Ausarbeitung des Partnerdepots (Hauptleistung)“ 90 % und auf die „Verwaltung und Aktualisierung des Partnerdepots für die Dauer der Vertragslaufzeit von zwölf Monaten“ 10 % des Honorars entfallen sollten. Außerdem einigten sich die Parteien gesondert, im Wege einer von B der A ausdrücklich und ernsthaft zur freien Wahl gestellten Zusatzvereinbarung, auf den Ausschluss des Kündigungsrechts aus § 627 BGB.\n\n\n\n

Darüber hinaus belehrte B die A über ihr Widerrufsrecht und A unterschrieb ein Dokument mit der folgenden Erklärung: „Ich wünsche ausdrücklich, dass die Partnervermittlung B mit ihrer Dienstleistung aus dem Partnervermittlungsvertrag sofort beginnt. Mir ist bewusst, dass ich mein Widerrufsrecht verliere, wenn der Vertrag seitens der Partnervermittlung vollständig erfüllt ist.“\n\n\n\n

A verpflichtete sich zur Zahlung des Honorars bis 10 Uhr am Folgetag. Daher zahlte sie an B am 29.05.2018 das vereinbarte Honorar i.H.v. 8.330 €. Am selben Tag erstellte B das Partnerdepot und übermittelte der A drei Kontakte, die für A jedoch nicht erfolgreich waren. A „kündigte“ in der Folge den Vertrag mit Schreiben vom 04.06.2018, welches der B am 05.06.2018 zuging. Per Schreiben ebenfalls vom 05.06.2018 erhielt A von B 17 weitere Kontaktvorschläge.\n\n\n\n

A verlangt von B Rückzahlung des gesamten Honorars i.H.v. 8.330 €. Zu Recht?\n\n\n\n

Sachverhalt als .pdf\n\n\n\n
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Skizze\n\n\n\n\n\n
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Gutachten\n\n\n\n

A. Anspruch aus §§ 357 I, 355, 312g I Alt. 1 BGB \n\n\n\n

A könnte gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung des Honorars i.H.v. 8.330 € aus §§ 357 I, 355, 312g I Alt. 1 BGB haben. \n\n\n\n

I. Anwendbarkeit der §§ 312 ff. BGB\n\n\n\n

Zunächst müssten die §§ 312 ff. BGB überhaupt anwendbar sein. Gemäß § 312 I BGB müsste dafür ein Verbrauchervertrag i.S.d. § 310 III BGB vorliegen, bei dem sich der Verbraucher zu der Zahlung eines Preises verpflichtet und für den kein Ausschlussgrund aus § 312 II – VI BGB einschlägig ist.\n\n\n\n

Der von den A und B geschlossene Vertrag müsste ein Verbrauchervertrag i.S.d. § 310 III BGB sein. Dies sind Verträge zwischen einen Verbraucher und einem Unternehmer. A bezweckte mit der Partnervermittlungsvertrag die Förderungen ihrer Suche nach einem Lebenspartner, mithin verfolgte sie private Zwecke und handelte als Verbaucherin gemäß § 13 BGB. Bei B handelt es sich um eine Partnervermittlungsagentur, also um eine juristische Person, die in Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit den Vertrag abschloss und damit als Unternehmerin gemäß § 14 BGB handelte.\n\n\n\n

A verpflichtete sich außerdem zur Zahlung eines Preises und ein Ausschlussgrund aus § 312 II – VI BGB ist nicht einschlägig. \n\n\n\n

Somit sind die §§ 312 ff. BGB anwendbar. \n\n\n\n

II. Widerrufsrecht, § 355 I BGB\n\n\n\n

Zudem müsste der A gemäß § 355 I BGB ein Widerrufsrecht zustehen. \n\n\nVernetztes Lernen: Welche gesetzlichen Widerrufsrechte für Verbraucher gibt es?

\n• § 312g I Var. 1 BGB: außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge
\n•
§ 312g I Var. 2 BGB: Fernabsatzverträge
\n•
§ 485 I BGB: Teilzeit-Wohnrechteverträge
\n•
§ 495 I BGB ggf. iVm § 506 Abs. 1 BGB: Verbraucherdarlehensverträge
\n•
§ 514 II BGB: unentgeltliche Verbraucherdarlehensverträge
\n•
§ 510 II BGB: Ratenlieferungsverträge
\n\n\n\n\n

1. Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag, §312b I BGB\n\n\n\n

In Betracht das Widerrufsrecht aus § 312g I Alt. 1 BGB bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen. Ein solcher Vertrag liegt gemäß § 312b I Nr. 1 BGB u.a. dann vor, wenn der Vertrag bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen wird, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist. Hier befanden sich A sowie ein Vertreter der B in der Wohnung der A, als sie den Vertrag schlossen. Hierbei handelt es sich ersichtlich nicht um einen Geschäftsraum der B und es liegt damit ein Vertrag i.S.d. § 312b I Nr. 1 BGB vor. \n\n\n\n

2. Kein Erlöschen des Widerrufsrechts, § 356 IV 1 BGB\n\n\n\n

Das Widerrufsrecht der A dürfte aber auch nicht gemäß § 356 IV 1 BGB erloschen sein. Dies wäre dann der Fall, wenn der Unternehmer die Dienstleistung vollständig erbracht hat und mit der Ausführung der Dienstleistung erst begonnen hat, nachdem der Verbraucher dazu seine ausdrückliche Zustimmung gegeben hat und gleichzeitig seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert.\n\n\n\n

a) Zustimmung des Verbrauchers\n\n\n\n

Zunächst ist also die Zustimmung bzw. Kenntnisbestätigung i.S.d. § 356 IV 1 BGB erforderlich. Gemäß § 356 IV 2 BGB muss die Zustimmung bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt werden. Hier unterschrieb A ein Dokument mit der Erklärung, B solle sofort mit der Leistungserbringung beginnen und ihr sei bewusst, dass sie bei vollständiger Leistungserbringung durch B ihr Widerrufsrecht verliere. Damit liegt die erforderliche Zustimmung sowie die Kenntnisbestätigung gem. § 356 IV 1, 2 BGB vor. [1]Omlor, JuS 2021, 881, 882.