{"id":2024,"date":"2022-01-21T11:19:09","date_gmt":"2022-01-21T10:19:09","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=2024"},"modified":"2022-05-07T12:16:39","modified_gmt":"2022-05-07T10:16:39","slug":"pferdekauf-bei-einer-auktion","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/pferdekauf-bei-einer-auktion\/","title":{"rendered":"Pferdekauf bei einer Auktion"},"content":{"rendered":"

BGH, Urteil vom 7.4.2021 – VIII ZR 49\/19; NJW 2021, 2281\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

A ist eine passionierte Amateur-Dressurreiterin und möchte hierfür ein neues Pferd erwerben. Sie betreibt in England ein Gestüt, auf dem sie lebt, unter anderem eigene Pferde hält und regelmäßig Turniere und Reitlehrgänge ausrichtet. Hierzu beschäftigt sie Stallpersonal. Am 4.10.2020 nahm für sie ein fachkundiger, von A mit einem gewissen finanziellen Spielraum ausgestatteter, Berater F an einer von B veranstalteten, öffentlich zugänglichen Eliteauktion für Reitpferde teil. B ist ein Pferdezuchtverband und handelt bei den zweimal jährlich stattfindenden Auktionen als Kommissionär im eigenen Namen. Der offen für A handelnde F erhielt den Zuschlag durch den – nicht öffentlich bestellten – Versteigerer für die dreieinhalbjährige Siegerstute der westfälischen Eliteschau, die S, zu 119.000 €. S ist zum Verkaufszeitpunkt 3 ½ Jahre alt und wurde bereits im August 2020 von dem Chefbereiter der B beritten. \n\n\n\n

Die im Auktionskatalog abgedruckten Auktionsbedingungen lagen im Zeitpunkt der Versteigerung in den Aktionsräumlichkeiten aus und der Versteigerer wies zudem bei Beginn der Versteigerung auf diese hin. Sie enthalten die u.a. die folgenden Regelungen: \n\n\n\n

„D. Abnahme\/Gefahrübergang 
Mit dem Zuschlag, der auch die Besitzübergabe ersetzt, geht die Gefahr […] auf den Käufer über, auch wenn das Pferd\/Pony zunächst noch im Gewahrsam des Verbandes bleibt. […].
E. Haftung
I. […] Das Pferd\/Pony [wird]verkauft wie besichtigt unter vollständigem Ausschluss jeglicher Haftung\/Gewährleistung. […]
II. Der in Nr. I aufgeführte Haftungsausschluss gilt nicht, soweit die haftungsbegründenden Umstände auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Verkäufers zurückzuführen sind und\/oder Personenschäden betroffen sind. Bei Personenschäden besteht Haftung auch bei einfacher Fahrlässigkeit. Vorstehender Haftungsausschluss gilt nicht, soweit ein Verbrauchsgüterkauf iSd
§ 474 BGB vorliegt. […]
F. Verjährung
Die Sachmängelansprüche des Käufers verjähren für unternehmerische Käufe iSd
§ 14 BGB drei Monate nach Übergabe des Pferdes\/Ponys, für Verbraucher iSd § 13 BGB nach zwölf Monaten nach Übergabe.“\n\n\n\n

Das Pferd blieb nach der Auktion vereinbarungsgemäß zunächst bei B. Am 8.10.2020 wurde S im Auftrag der A durch einen Spediteur gegen Zahlung von 2.600 € nach England verbracht, wo es am 9.10.2020 eintraf. Am 13.10.2020 ließ A das Pferd von einer Tierärztin untersuchen. Diese gelangte zu dem Ergebnis, dass S eine Lahmheit aufweise, deren nicht behandelbare Ursache in Veränderungen an den Vorderfüßen liege. S könne daher nicht (mehr) geritten werden. \n\n\n\n

Am 8.3.2021 erklärte A daher den Rücktritt. Sie verlangt von B die Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 119.000 € Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes. \n\n\n\n

1. Hat A gegen B den geltend gemachten Anspruch, wenn es nicht gelingt, zu ermitteln, ob die Ursache für die Lahmheit der S bereits vor oder erst nach dem 4.10.2020 bestand? \n\n\n\n

2. Hat A gegen B den geltend gemachten Anspruch, wenn weitere Untersuchungen ergaben, was zutrifft, dass die Lahmheit der S aufgrund von Veränderungen an den Vorderfüßen bereits vor der Versteigerung vorlag? (Hinweis: Die bereits bei Frage 1 behandelten Prüfungspunkte können bei Frage 2 kurz gehalten werden)\n\n\n\n

Sachverhalt als .pdf\n\n\n\n
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Skizze\n\n\n\n\n\n
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Gutachten\n\n\n\n

A. Frage 1\n\n\n\n

Zu prüfen ist, ob A gegen B den geltend gemacht Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 119.000 € Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferdes hat, wenn es nicht gelingt, zu ermitteln, ob die Ursache für die Lahmheit der S bereits vor oder erst nach dem 4.10.2020 bestand. A könnte ein solcher Anspruch aus §§ 437 Nr. 2, 434, 323 I 1 Alt. 2, 326 V, 346 I BGB zustehen. \n\n\n\n

I. Anwendbarkeit deutschen Rechts \n\n\n\n

Dazu müsste zunächst deutsches Recht anwendbar sein. Dies ist fraglich, da die A in England lebt und dort das Gestüt betreibt. Die Anwendbarkeit des Rechtssystems richtet sich bei grenzüberschreitenden Sachverhalten nach der Rom-I-VO. Die Parteien haben keine Rechtswahl getroffen. Gem. Art. 4 I lit. a Rom I-VO unterliegen Kaufverträge über bewegliche Sachen dem Recht des Staates, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. [1]JA 2021, 1032, 1033.