{"id":1798,"date":"2021-11-03T22:25:02","date_gmt":"2021-11-03T21:25:02","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=1798"},"modified":"2022-04-26T13:52:30","modified_gmt":"2022-04-26T11:52:30","slug":"der-heimtueckische-fallensteller","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/der-heimtueckische-fallensteller\/","title":{"rendered":"Der heimtückische Fallensteller"},"content":{"rendered":"
BGH, Beschluss vom 26.3.2020 – 4 StR 134\/19, NStZ 2020, 609\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

(leicht abgewandelt und vereinfacht)\n\n\n\n

A beschloss, mithilfe einer „Lockvogel-Taktik“ wohlhabende Geschäftsleute zu entführen und zu erpressen. Zu diesem Zweck plante er, den wohlhabenden Immobilienkaufmann O in eine angemietete Halle zu locken, dort zu überwältigen und unter Todesdrohung zur Beibringung eines größeren Geldbeitrages zu veranlassen. Anschließend sollte O nach der Geldübergabe getötet werden, um eine Entdeckung abzuwenden und im Besitz der Beute zu bleiben. Dies hatte A von Anfang vor. \n\n\n\n

Zur Umsetzung seines Plans lockte A – unter dem Vorwand ein Bauvorhaben durchführen zu wollen – den O in die angemietete Halle. Nachdem O die Halle betreten hatte, griff der maskierte A den ahnungslosen und deshalb in seinen Abwehrmöglichkeiten erheblich eingeschränkten O unvermittelt mit Schlägen an und benutzte dabei eine scharfe Schusswaffe als Drohmittel. O leistete erhebliche Gegenwehr, wurde aber dennoch schließlich von A überwältigt, gefesselt und in das Untergeschoss verbracht. \n\n\n\n

Dort forderte A von O unter Todesdrohungen 1 Mio. EUR Lösegeld und gab ihm vor, gegenüber den Geldgebern bei zu führenden Telefonaten einen Grundstückskauf vorzuspiegeln. O tätigte über zwei Tage hinweg mehrere Telefonate und sammelte, unter dem Vorwand des Grundstückskaufs, so eine Summe von 975.000 EUR von Freunden und Verwandten (die bis zum Schluss davon ausgingen, dass es tatsächlich um ein Grundstücksgeschäft geht), die A übergeben sollte. \n\n\n\n

Nachdem eine Geldübergabe vereinbart worden war, verbrachte A den an den Händen gefesselten O in einen Transporter und fuhr mit ihm zum vereinbarten Übergabeort. Dort übergab ein Freund von O, der X, das Geld an A, den der O im Telefonat als Empfänger benannt hatte. A fuhr mit O im Transporter weg. Anschließend erdrosselte A den O mit einem Seil und warf die Leiche in ein Gebüsch.\n\n\n\n

Wie hat sich A strafbar gemacht? Eine Strafbarkeit nach §§ 239a, 239b, 263 StGB ist nicht zu prüfen.\n\n\n\n


\n\n\n\n

Skizze\n\n\n\n\n\n

Gutachten\n\n\n\n

A. Strafbarkeit gemäß §§ 253 Abs. 1, 255 StGB\n\n\n\n

A könnte sich wegen räuberischer Erpressung gemäß §§ 253 Abs. 1, 255 StGB strafbar gemacht haben, indem er O dazu brachte bei seinen Freunden und Verwandten ein Darlehen aufzunehmen und die Auszahlung in Höhe von 975.000 € an sich selbst veranlasste.\n\n\n\n

I. Tatbestand\n\n\n\n

1. Qualifiziertes Nötigungsmittel\n\n\n\n

A müsste ein qualifiziertes Nötigungsmittel, also die Anwendung von Gewalt gegen eine Person oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, genutzt haben, §§ 253, 255 StGB. Sowohl die angewandten Schläge während der Überwältigung und die Fesselung (Gewalt) als auch die ausgesprochenen Todesdrohungen (Drohung) gegenüber O sind als qualifiziertes Nötigungsmittel anzusehen.\n\n\n\n

2. Nötigungserfolg\n\n\n\n

Durch die angewandte Gewalt und die Todesdrohungen durch A müsste bei O eine tatbestandsmäßige Opferreaktion i.S.d. § 253 StGB hervorgerufen werden. Nach dem Wortlaut der Norm ist unklar, welches Verhalten dem Opfer im Rahmen einer räuberischen Erpressung abgenötigt werden muss. Daran anknüpfend stellt sich die Frage, wie die räuberische Erpressung im Verhältnis zum Raub steht. Nach der h.L. kann für die Opferreaktion i.R.d. §§ 253, 255 StGB aufgrund der Nähe zum Betrugstatbestand nur eine freiwillige, bewusste Vermögensverfügung ausreichend sein.[1]statt vieler: Rengier, Strafrecht BT I, 22. Auflage 2020, § 11 Rn. 13; MüKoStGB\/Sander, 4. Auflage 2021, § 253 Rn. 13ff.