{"id":1767,"date":"2021-10-25T11:18:50","date_gmt":"2021-10-25T09:18:50","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=1767"},"modified":"2022-05-07T12:17:08","modified_gmt":"2022-05-07T10:17:08","slug":"grobes-foulspiel","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/grobes-foulspiel\/","title":{"rendered":"Grobes Foulspiel"},"content":{"rendered":"

OLG Schleswig, Urteil vom 19.11.2020 – 7 U 214\/19 – BeckRS 2020, 32254\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

Am 21.05.2017 gegen 12.00 Uhr fand im Ort Y ein Punktspiel in der Kreisklasse, der niedrigsten deutschen Spielklasse im Fußball, statt. Es spielten die zweiten Mannschaften des SV X und des SC Y gegeneinander. A war Stürmer beim SV X, B war Verteidiger beim SC Y. Es war das letzte Saisonspiel, welches für den Saisonausgang beider Teams unerheblich war. \n\n\n\n

In der achten Spielminute wollte A in der Höhe des Mittelkreises, mit dem Rücken zum gegnerischen Tor stehend, den Ball annehmen und weiterspielen. Hierbei wurde er von B gefoult. B sprang dem A mit gestreckten Beinen (“offene Sohle“) und ohne jede Möglichkeit, an den Ball zu kommen, von hinten mit erheblicher Wucht gegen dessen Standbein. \n\n\n\n

Der Schiedsrichter der Partie, der den Zusammenprall aus nächster Nähe beobachtet hatte, zeigte dem B die Rote Karte und verwies ihn des Platzes.\n\n\n\n

A erlitt infolge der Grätsche des B eine zweitgradig offene Unterschenkelschaftfraktur distal rechts. A wurde direkt ins Krankenhaus gebracht und erhielt eine Schiene, bis er am 01.06.2017 operiert wurde, woraufhin er am 09.06.2017 aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Allerdings befand sich A von 20.07.2017 bis zum 01.08.2017 erneut in stationärer Behandlung in der Klinik, da die Fraktur zunächst nicht, wie ärztlicherseits erhofft, verheilte. Bis Ende 2017 ging A auf Krücken. Die Anschlussheilbehandlungen, also Reha, Massagen, Muskeltraining usw., dauerten bis Juni 2018. Insgesamt war der Kläger 14 Monate krankgeschrieben. Er kann bis heute noch nicht wieder Joggen.\n\n\n\n

A verlangt von B die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 7.500 Euro. Zu Recht? \n\n\n\n

Bearbeitervermerk: In dem Regelwerk des Deutschen Fußball Bundes (DFB) für die Saison 2016\/2017 heißt es unter Regel 12 Nr. 3 unter der Überschrift „Grobes Foulspiel“ ua : „Tacklings oder Angriffe, die eine Gefahr für den Gegner darstellen oder übermäßig hart oder brutal ausgeführt werden, sind als grobes Foul zu ahnden. Ein Spieler, der im Kampf um den Ball von vorne, von der Seite oder von hinten mit einem oder beiden Beinen in einen Gegner übermäßig hart hineinspringt oder die Gesundheit des Gegners gefährdet, begeht ein grobes Foul.“ Nach Regel 12 Nr. 1 ist ein Spieler, der ein solch grobes Foul begeht, vom Feld zu verweisen. \n\n\n\n


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Skizze\n\n\n\n\n\n
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Gutachten\n\n\n\n

A. Anspruch aus §§ 823 I, 253 II BGB\n\n\n\n

A könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 7.500 Euro aus §§ 823 I, 253 II BGB haben.\n\n\n\n

I. Rechtsgutsverletzung\n\n\n\n

Dazu müsste zunächst eine Rechtsgutsverletzung i.S.d. § 823 I BGB vorliegen. Die offene Unterschenkelschaftfraktur, welche A sich zuzog, stellt eine Körper- bzw. Gesundheitsverletzung dar. Damit ist eine Rechtsgutsverletzung gegeben. \n\n\nVernetztes Lernen: Welche Rechte\/Rechtsgüter sind Paragraph 823 I BGB erfasst?
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\n–\tLeben
\n–\tKörper
\n–\tGesundheit
\n–\tFreiheit
\n–\tEigentum
\n–\tSonstige absolute Rechte, z. B.:Berechtigter Besitz; Allgemeines Persönlichkeitsrecht; Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
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II. Durch zurechenbares Verhalten\n\n\n\n

Diese müsste auch durch ein zurechenbares Verhalten des B entstanden sein. Ein Verhalten des B liegt in der Grätsche gegen das Bein des A in Form eines aktiven Tuns vor. Zurechenbar ist dieses, wenn es äquivalent und adäquat kausal zu der konkreten Rechtsgutsverletzung geführt hat und vom Schutzzweck der Norm gedeckt ist. Die Grätsche des B kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass die Verletzung des A entfällt und damit ist sie äquivalent kausal im Sinne der csqn-Formel. [1]vgl. zur Defintion Förster, in: BeckOK BGB, § 823 Rn. 257.