{"id":1759,"date":"2021-10-01T22:09:23","date_gmt":"2021-10-01T20:09:23","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=1759"},"modified":"2021-10-01T22:22:07","modified_gmt":"2021-10-01T20:22:07","slug":"der-undankbare-sohn","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/der-undankbare-sohn\/","title":{"rendered":"Der undankbare Sohn"},"content":{"rendered":"
BGH, Urteil vom 22.10.2019 – X ZR 48\/17 – NJW-RR 2020, 179\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

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M und V sind Eigentümer eines Grundstückes. Das Grundstück ist mit einem Haus bebaut, welches über zwei Wohnungen verfügt. Der Wert des Grundstückes beläuft sich auf 1.500.000 €. Am 28. 06.1994 übertragen M und V ihrem Sohn S mit notariellen und als „Übergabevertrag“ überschriebenen Vertrag das Grundstück. Dieser solle den Hof zukünftig weiterführen. Vertraglich wird festgelegt, dass die M und der V ein lebenslanges Wohnrecht an der Wohnung im zweiten Stock des Hauses erhalten. Weiterhin verpflichtet sich der S im selben Vertrag zu einer Ausgleichszahlung an seine Geschwister in Höhe von insgesamt 400.000 DM, die zwei Jahre nach dem Tode des Längstlebenden von M und V zu zahlen sind.\n\n\n\n

Im Laufe der Jahre kommt es immer wieder zu – wenngleich nicht körperlichen –   Streitigkeiten zwischen S und seinen Eltern. Die Streitigkeiten gipfeln in einem Vorfall am 07.11.2006. Der V, der bereits in der Vergangenheit seinen Sohn S immer wieder provozierte, wirft dem S bewusst provozierend bei einem Gespräch im Hof vor, diesen nicht ordnungsgemäß zu führen. Tief getroffen und aufgebracht durch die Anschuldigungen brennen dem S die Sicherungen durch. Aus einem Affekt heraus stößt er unvermittelt dem V heftig gegen die Brust, sodass dieser zu Boden fällt. Nach dem der V sich auf seine Knie aufrafft, stellt sich der S hinter den V und nimmt ihn in den „Schwitzkasten“. Nach dem S wieder zu sich gefunden hat, lässt er den V los und rennt weg.\n\n\n\n

M und V sind im Nachgang dieses Geschehen von dem maßlosen und aggressiven Verhalten des S entsetzt. Mit Schreiben vom 15.11.2006 erklären sie ohne genauen Bezug zu dem Vorfall gemeinsam gegenüber S den Widerruf der Übertragung des Hauses, da der S sich über jedes Maß hinaus undankbar gezeigt habe. Mit weiterem Schreiben vom 16.11.2006 ergänzen sie nur noch, dass dies „die Konsequenz deines Handelns am 07.11.“ sei.\n\n\n\n

S ist empört. Er meint, dass ein solcher Vorfall wohl kaum so eine schwerwiegende Konsequenz tragen könne – schließlich habe ihn der V ja auch provoziert. Man könne zudem auch nicht unbeachtet lassen, dass sie besondere Umstände aus dem gemeinsamen Bewohnen des Hofes ergeben. Letztlich sei auch das Widerrufsschreiben überhaupt nicht genau genug, denn mit dem Schreiben vom 15.11.2006 hätten die M und V keinen Bezug zum Ereignis genommen und im Schreiben vom 16.11.2006, in dem dies zwar dargelegt worden sei, sei hingegen überhaupt nicht der Widerruf erklärt worden.\n\n\n\n

Haben M und V dennoch einen Rückgabeanspruch aus §§ 530 Abs. 1, 531 Abs. 2, 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB?\n\n\n\n

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Skizze\n\n\n\n\n\n
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Gutachten\n\n\n\n

A. Anspruch aus §§ 530 Abs. 1, 531 Abs. 2, 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB\n\n\n\n

Die M und der V könnten einen Anspruch auf Übertragung des Grundstücks gegen S aus §§ 530 Abs. 1, 531 Abs. 2, 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB haben.\n\n\nAnmerkung: Aufbau und Systematik

Bei § 531 Abs. 2 handelt es sich um eine Rechtsgrundverweisung auf die §§ 812 ff. BGB. Demnach ist der Geschenkte Gegenstand herauszugeben, beziehungsweise bei einer Unmöglichkeit der Herausgabe Wertersatz zu leisten.[1]BeckOK BGB\/Gehrlein, 59. Ed. 1.8.2021 Rn. 2, BGB § 531 Rn. 2