{"id":1720,"date":"2021-09-07T23:24:59","date_gmt":"2021-09-07T21:24:59","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=1720"},"modified":"2021-09-07T23:27:42","modified_gmt":"2021-09-07T21:27:42","slug":"der-ruecksichtslose-sohn","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/der-ruecksichtslose-sohn\/","title":{"rendered":"Der rücksichtslose Sohn"},"content":{"rendered":"
Der 25-jährige S, Sohn der Eheleute M und F bewohnt dasselbe Mehrparteienhaus wie seine Eltern und besucht diese zwei- bis dreimal wöchentlich. Die F litt unter erheblichen Bauchbeschwerden, die sich vermutlich auf eine psychosomatische Erkrankung zurückführen lassen. Aus diesem Grund wurde sie über sechs Jahre mindestens zwanzigmal stationär behandelt, ohne dass sich eine Besserung ihres Zustandes einstellte. F war stark untergewichtig und wurde in Übereinkunft der Eheleute allein vom M gepflegt. Zuletzt war sie bettlägerig und nicht mehr zur eigenständigen Nahrungsaufnahme oder Körperhygiene fähig. In den letzten vier Wochen vor ihrem Tod verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand aufgrund einer Lungenentzündung und dem schlechten Pflegezustand, was auch für Laien ersichtlich war. M, der an einer Demenzerkrankung litt, konnte den Gesundheitszustand der F in dieser Phase nicht mehr zutreffend einschätzen. S besuchte seine Mutter weiterhin; zuletzt am Vorabend ihres Todes, an dem er sie in ihren eigenen Fäkalien liegend auffand. S erkannte den lebensbedrohlichen Zustand seiner Mutter und ihre Hilfsbedürftigkeit, unterließ es dennoch gebotene ärztliche Hilfe zu rufen. F verstirbt am Folgetag, was S billigend in Kauf nahm. Es ist davon auszugehen, dass die F durch ärztliche Hilfe noch hätte gerettet werden können. \n\n\n\n
Strafbarkeit des S nach dem StGB?\n\n\n\n S könnte sich des Totschlags durch Unterlassen gem. §§ 212 I, 13 I StGB strafbar gemacht haben, indem er es unterließ ärztliche Hilfe zu rufen, als die F in ihren eigenen Fäkalien lag und sichtlich in Lebensgefahr schwebte.\n\n\n\n Der Tod der F ist eingetreten. \n\n\n\n Der S unterließ es, ärztliche Hilfe zu rufen, obwohl es ihm am Vorabend des Todes der F ohne weiteres möglich gewesen wäre.\n\n\n\n Das Unterlassen müsste auch quasi-kausal für den Tod der F gewesen sein. Die gebotene Handlung dürfte also nicht hinzuzudenken sein, ohne dass der tatbestandliche Erfolg in seiner konkreten Gestalt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele. Hier ist laut Sachverhalt davon auszugehen, dass die F durch ärztliche Hilfe noch hätte gerettet werden können, sodass das Unterlassen quasi-kausal ist.\n\n\nVernetztes Lernen: Im Originalfall konnte nicht sicher geklärt werden, ob ärztliche Hilfe die F noch gerettet hätte. Welche Konsequenzen hätte dies für die Falllösung? Der Erfolg müsste auch objektiv zurechenbar sein. Das ist der Fall, wenn durch das Unterlassen eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen wird, die sich im tatbestandlichen Erfolg verwirklicht. Das Unterlassen des Hilferufens schafft die Gefahr der weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes der F, welche sich am Folgetag durch ihren Tod verwirklichte. Der Erfolg ist objektiv zurechenbar.\n\n\nAnmerkung: Freiverantwortliche Selbstschädigung
\n\n\n\nSkizze\n\n\n\n\n\n
Gutachten\n\n\n\n
Strafbarkeit gem. §§ 212 I, 13 I StGB\n\n\n\n
I. Tatbestand\n\n\n\n
1. Objektiver Tatbestand \n\n\n\n
a) Taterfolg\n\n\n\n
b) Unterlassen trotz physisch-realer Möglichkeit\n\n\n\n
c) Quasi-Kausalität\n\n\n\n
\n\n\n\n\nd) Objektive Zurechnung\n\n\n\n