{"id":1681,"date":"2021-08-18T11:48:00","date_gmt":"2021-08-18T09:48:00","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=1681"},"modified":"2022-04-26T13:53:41","modified_gmt":"2022-04-26T11:53:41","slug":"error-in-persona-des-mittaters","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/error-in-persona-des-mittaters\/","title":{"rendered":"Der missglückte Drogenhandel und eine gebrochene Nase"},"content":{"rendered":"

BGH, Urteil vom 1.8.2018 – 3 StR 651\/17, NStZ 2019, 511\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

Der C schlägt dem E im Zuge seiner Geburtstagsfeier vor, einen ihnen unbekanntem Drogenhändler Ecstasy-Pillen notfalls mit Gewalt abzunehmen. Anschließend wollen sie die Pillen verkaufen und den Erlös für sich behalten. E stimmt seinem Vorschlag zu. E wollte C unterstützen, weil er sich wegen der Einladung zur Feier und des großzügigen Versorgens mit Drogen dazu verpflichtet fühlte. Der C ruft den Drogenhändler an und fordert ihn auf, zur Wohnung zu kommen. Der C gibt dem E einen Baseballschläger und begibt sich in den Innenhof. E versteckt sich im dunklen Erdgeschoss des Hauses.\n\n\n\n

Zunächst erscheint indes S, mit dem beide befreundet sind. Der C begrüßt S und sagte ihm, er könne sich zu den anderen Gästen in die Wohnung begeben. Für den C ist dabei vorhersehbar, dass E den S mit dem Drogenhändler verwechseln könnte. Er geht jedoch davon aus, dass E den S rechtzeitig erkennen würde. Er unterlässt es daher, E oder S zu warnen. E hält allerdings in der Dunkelheit S für den herbeigerufenen Drogenhändler. Der E schlägt daher wie geplant dem S, der mit keinem Angriff rechnet, mit dem Baseballschläger auf die Nase, die dadurch bricht. Erst jetzt erkennt E seinen Irrtum.\n\n\n\n

Wie haben sich C und E strafbar gemacht?\n\n\n\n

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Skizze\n\n\n\n\n\n

Gutachten\n\n\n\n

A. Strafbarkeit des E\n\n\n\n

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I. Strafbarkeit gemäß §§ 253 Abs. 1, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB\n\n\n\n

E könnte sich wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung gemäß §§ 253 Abs. 1, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er S mit dem Baseballschläger ins Gesicht schlug, um den Besitz der Ecstasy-Pillen zu erlangen.\n\n\n\n

1. Vorprüfung\n\n\n\n

S besaß keine Ecstasy-Tabletten, weshalb keine Vermögensminderung bei ihm eintreten konnte. Die Tat ist damit nicht vollendet. Der Versuch ist gemäß § 23 Abs. 1 StGB aufgrund des Verbrechenscharakters (§ 12 Abs. 1 StGB) der räuberischen Erpressung strafbar.\n\n\n\n

2. Tatentschluss\n\n\n\n

Hierzu müsste E den Tatentschluss zur Begehung der räuberischen Erpressung gefasst haben. Dieser umfasst den Vorsatz, also den Willen zur Verwirklichung des Tatbestandes in Kenntnis aller objektiven Tatbestandsmerkmale zum Tatzeitpunkt, und das Vorliegen aller sonstigen subjektiven Tatbestandsmerkmale.\n\n\n\n

a) Qualifiziertes Nötigungsmittel\n\n\n\n

E müsste Vorsatz bezüglich der Anwendung eines qualifizierten Nötigungsmittels, also der Anwendung von Gewalt gegen eine Person oder der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gehabt haben, §§ 253, 255 StGB. Gewalt gegen eine Person liegt vor, wenn der Täter einen körperlich wirkenden Zwang durch eine mittelbare oder unmittelbare Einwirkung auf eine Person ausübt, der dazu bestimmt und geeignet ist, einen tatsächlich geleisteten oder erwarteten Widerstand zu brechen.[1]Rengier, Strafrecht BT II, 22. Auflage 2021, § 23 Rn. 2ff., 23.