{"id":1571,"date":"2021-07-07T00:03:00","date_gmt":"2021-07-06T22:03:00","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=1571"},"modified":"2022-02-01T21:43:29","modified_gmt":"2022-02-01T20:43:29","slug":"eugh-und-ezb-ultra-vires","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/eugh-und-ezb-ultra-vires\/","title":{"rendered":"EuGH und EZB ultra vires"},"content":{"rendered":"

BVerfG, Urteil vom 05.05.2020 – 2 BvR 859\/15 u.a.; NJW 2020, 1647\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

(leicht geändert und gekürzt)\n\n\n\n

Die deutsche A wendet sich mit einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB), das Public Sector Purchase Programme (PSPP), welches seit 2015 läuft.\n\n\n\n

Durch das PSPP soll die Inflationsrate auf knapp unter 2 % erhöht werden. Im Rahmen des PSPP hat das Eurosystem Wertpapiere im Gesamtwert von 2 Billionen Euro erworben. Bei den Beschlüssen zur Ein- und Durchführung des PSPP nahm die EZB – davon ist hier auszugehen – nur oberflächliche Verhältnismäßigkeitserwägungen vor und gab an, ein währungspolitisches Ziel zu verfolgen.\n\n\n\n

A meint, die Anleihekaufprogramme verstießen gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 I EUV i.V.m. Art. 119, 127 ff. AEUV). Schließlich handele es sich bei den zugrundeliegenden Maßnahmen doch aufgrund deren Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft und die Sozialpolitik um wirtschaftspolitische und nicht nur um währungspolitische Maßnahmen. Für wirtschaftspolitische Maßnahmen habe weder die EU und schon gar nicht die EZB eine Kompetenz. Insoweit seien die zugrundeliegenden Beschlüsse der EZB ultra vires, also sog. ausbrechende Rechtsakte. Die Bundesregierung und der Bundestag hätten es unterlassen durch die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel gegen die Anleihekaufprogramme vorzugehen.\n\n\n\n

Das Bundesverfassungsgericht hat das Verfahren am 18.07.2017 ausgesetzt und dem EuGH mehrere Fragen betreffend das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung, das Mandat der EZB für die Währungspolitik und die Frage eines Übergriffs der EZB in die Zuständigkeit der Haushaltspolitik der Mitgliedsstaaten zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der EuGH hat daraufhin mit Urteil vom 11.12.2018 die Einhaltung des Mandats der EZB angenommen. Eine Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Auswirkungen des PSPP und insgesamt eine wertende Gesamtbetrachtung nahm der EuGH dabei nicht vor. Der EuGH billigt die Behauptung der EZB, es handele sich um eine geldpolitische Zielsetzung. Die wirtschaftspolitischen Dimensionen der Anleihekäufe seien unmaßgeblich.\n\n\n\n

Hat die Verfassungsbeschwerde von A Erfolg?\n\n\n\n

Bearbeitungsvermerk: Eine Auseinandersetzung mit einer etwaigen Kompetenzüberschreitung der Beschlüsse der EZB zum PSPP und mit dem Urteil des EuGH vom 11.12.2018 ist nicht erforderlich, soweit ein Verstoß des PSPP gegen Art. 123 I AEUV also das Verbot der monetären Staatsfinanzierung im Raum steht.[1]Hierzu näher BVerfG NJW 2020, 1647, 1661 ff. Rn. 180-221.