{"id":1285,"date":"2021-03-11T08:00:32","date_gmt":"2021-03-11T07:00:32","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=1285"},"modified":"2021-05-13T11:22:39","modified_gmt":"2021-05-13T09:22:39","slug":"das-insich-darlehen","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/das-insich-darlehen\/","title":{"rendered":"Das Insich-Darlehen"},"content":{"rendered":"
BGH (IX. Zivilsenat), Urteil vom 29.10.2020 – IX ZR 212\/19, BeckRS 2020, 31084\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

Die K-GmbH & Co. KG (folgend: K) gewährte der S-GmbH & Co. KG (folgend: S) ein Darlehen in Höhe von 27.000,00 EUR. Beide Gesellschaften wurden bei Abschluss des Vertrages vom Geschäftsführer G (folgend: G) vertreten, der zu diesem Zeitpunkt sowohl Geschäftsführer der Komplementärin der K als auch der Komplementärin der S war.
Im Handelsregister war für beide Komplementärinnen eine Befreiung von den Beschränkungen des
§ 181 BGB im Außenverhältnis eingetragen. Nach dem Gesellschaftsvertrag der S war für die Kreditaufnahme jedoch vorgesehen, dass die Einwilligung der Gesellschafterversammlung nötig ist. Diese Einwilligung wurde für die Aufnahme des Darlehens bei K nicht erteilt.
Der Darlehensbetrag in Höhe von 27.000,00 EUR wurde von K auf Anweisung des G nicht an S, sondern zur Begleichung einer Verbindlichkeit der S gegenüber der M-GmbH (folgend: M) unmittelbar an M ausbezahlt. Kurze Zeit später war man sich auf Seiten der K nicht mehr sicher, ob der geschlossene Darlehensvertrag infolge der Vertretung durch G auf beiden Seiten überhaupt wirksam zustande gekommen ist. Zur Sicherheit fordert K nunmehr von S die Rückzahlung des Darlehens.\n\n\n\n

Zu Recht?\n\n\n\n

Hinweis: Das Darlehen ist aufgrund seiner Bedingungen für die S als nachteilig einzustufen.\n\n\n\n


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Skizze\n\n\n\n\n\n
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Gutachten\n\n\n\n

A. Anspruch aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB\n\n\n\n

K könnte gegen S einen Anspruch auf Rückzahlung der Darlehenssumme in Höhe von 27.000,00 EUR aus dem Darlehensvertrag § 488 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. §§ 161 Abs. 2, 124 HGB haben.\n\n\n\n

I. Anspruch entstanden\n\n\n\n

Der Anspruch auf Rückzahlung der Darlehenssumme müsste zunächst entstanden sein\n\n\n\n

1. Wirksamer Vertragsschluss\n\n\n\n

Zwischen der K und der S müsste ein wirksamer Darlehensvertrag im Sinne des § 488 Abs. 1 BGB zustande gekommen sein. Vorliegend wurden beide Parteien jeweils durch den G als Geschäftsführer beider Komplementärinnen vertreten. Es müsste daher eine wirksame Stellvertretung gem. §§ 164ff. BGB vorliegen.\n\n\n\n

a) Eigene Willenserklärung\n\n\n\n

Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist jeweils von der Abgabe einer eigenen Willenserklärung durch G auszugehen.\n\n\n\n

b) In fremden Namen\n\n\n\n

Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist auch von der Abgabe der Willenserklärungen im fremden Namen auszugehen.\n\n\nAnmerkung: Unternehmensbezogenes Geschäft

\nAngesichts der Darlehenssumme ließen sich auch gut die Grundsätze des unternehmensbezogenen Geschäfts heranziehen. Hierbei handelt es sich aber offensichtlich nicht um einen Schwerpunkt.
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c) Mit Vertretungsmacht\n\n\n\n

Weiterhin müsste der E auch mit Vertretungsmacht gehandelt haben. Fraglich ist dahingehend, wie die Vertretungsverhältnisse bei einer GmbH & Co. KG ausgestaltet sind. Bei der GmbH & Co. KG handelt es sich um eine Kommanditgesellschaft im Sinne des § 161 HGB mit der Besonderheit, dass die einzig persönlich haftende Gesellschafterin (Komplementärin) eine GmbH ist. Aus §§ 161 Abs. 2, 125, 170 HGB ergibt sich dabei, dass die GmbH als Komplementärin grundsätzlich alleinvertretungsberechtigt ist. Die GmbH wird dabei wiederum gemäß § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG durch den Geschäftsführer der GmbH vertreten. Vorliegend war der G Geschäftsführer der jeweiligen Komplementär-GmbH, sodass er die notwendige Vertretungsmacht hatte. Demnach lägen grundsätzlich die Voraussetzungen einer wirksamen Stellvertretung vor.\n\n\n\n

d) Verstoß gegen das Verbot der Mehrfachvertretung gemäß § 181 Hs. 1 Alt. 2 BGB\n\n\n\n

Fraglich ist jedoch, ob die beiderseitige Stellvertretung nicht aufgrund eines Verstoßes gegen das Verbot der Mehrfachvertretung gemäß § 181 Hs. 1 Alt. 2 BGB unwirksam ist.   \n\n\n\n

aa) Grundsatz\n\n\n\n

Gemäß § 181 Hs. 1 Alt. 2 BGB ist es einem Vertreter grundsätzlich untersagt im Namen des Vertretenen mit sich als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft abzuschließen. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn ihm etwas anderes gestattet wird und somit die Vertretungsmacht erweitert wird.
Ausweislich des die S betreffenden Handelsregisterauszuges war für die Komplementärin der S eine Befreiung von den Beschränkungen des
§ 181 BGB im Außenverhältnis eingetragen.
Auf der anderen Seite war jedoch nach dem Gesellschaftsvertrag der S für die Kreditaufnahme vorgesehen, dass die Einwilligung der Gesellschaftervereinbarung nötig ist, welche hinsichtlich der fraglichen Darlehensaufnahme nicht erklärt worden war. Es liegt damit ein Verstoß gegen die Grenzen der Vertretungsmacht der Komplementärin der S und somit dessen Geschäftsführers G im Innenverhältnis vor. Die Überschreitung im Innenverhältnis hat jedoch auf die Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis grundsätzlich keinen Einfluss.
[1]BGH, Urteil vom 29.10.2020 – IX ZR 212\/19 Rn. 8