{"id":1115,"date":"2021-01-06T16:35:49","date_gmt":"2021-01-06T15:35:49","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=1115"},"modified":"2021-01-07T13:46:37","modified_gmt":"2021-01-07T12:46:37","slug":"die-unendliche-probefahrt","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/die-unendliche-probefahrt\/","title":{"rendered":"Die unendliche Probefahrt"},"content":{"rendered":"
BGH, Urteil vom 18.09.2020 – V ZR 8\/19, NJW 2020, 3711\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

Autohändlerin A ist Eigentümerin eines als Vorführwagen genutzten Pkw (Wert: ca. 53.000 EUR). Für eine Probefahrt legte der B einen italienischen Personalausweis und Führerschein sowie eine Meldebestätigung aus Deutschland vor, die sich später als hochwertige, nicht erkennbare Fälschungen herausstellten. Die A kopierte die Unterlagen und füllte gemeinsam mit B ein als „Fahrzeug-Benutzungsvertrag“ bezeichnetes Formular aus, in dem eine einstündige, unbegleitete Probefahrt des B festgelegt und die Mobilfunknummer des B eingetragen wurde. A händigte dem B daraufhin das mit einem roten Kennzeichen versehene Kraftfahrzeug nebst passendem Schlüssel sowie eine Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil I aus. Von der Probefahrt kehrte B nicht wieder zurück.
Mit B, der den Pkw kurze Zeit später auf einem Internetportal „privat“ zum Verkauf anbot, vereinbarte die C telefonisch ein Treffen am Hauptbahnhof. Bei dem Treffen legte B der C die Zulassungsbescheinigungen Teil I und II für den Pkw vor, die auf die angeblichen Personalien des B ausgestellt waren. Dass es sich dabei ebenfalls um Fälschungen handelte, war für C nicht erkennbar. C schloss daraufhin mit B einen Kaufvertrag über den Pkw und zahlte 46.500 Euro in bar. In dem Vertragsformular vermerkten die Vertragsbeteiligten allerdings nur einen Kaufpreis von 43.500 Euro, weil B angab, dass dies „besser für seine Arbeit“ sei. Der Pkw, die gefälschten Zulassungspapiere und der Fahrzeugschlüssel wurden an C übergeben. Nachdem die Zulassungsbehörde daraufhin die Zulassung des als gestohlen gemeldeten Pkw ablehnte und A informiert wurde, verlangt A nun die Herausgabe des Pkws von C.\n\n\n\n

Zu Recht?\n\n\n\n


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Skizze\n\n\n\n\n\n
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Gutachten\n\n\n\n

A. Anspruch aus § 985 BGB\n\n\n\n

A könnte gegen C einen Anspruch auf Herausgabe des Pkws gemäß § 985 BGB haben. Dies wäre der Fall, wenn A als Anspruchstellerin Eigentümerin des Pkw und C als Anspruchsgegnerin Besitzerin ist. Weiterhin dürfte C kein Recht zum Besitz i.S.d. § 986 BGB haben..\n\n\n\n

I. Anspruchsgegnerin = Besitzerin\n\n\n\n

Unproblematisch ist C derzeit Besitzerin des Pkw im Sinne von § 854 I BGB, da sie die tatsächliche Sachherrschaft über den Pkw innehat.\n\n\n\n

II. Anspruchstellerin = Eigentümerin\n\n\n\n

Weiterhin müsste A als Anspruchstellerin derzeit auch Eigentümerin des Pkw sein.\n\n\n\n

1. Verlust durch Übereignung von B an C gemäß §§ 929 S. 1, 185 I BGB\n\n\n\n

Ausweislich des Sachverhalts war A ursprünglich Eigentümerin des Pkw. Sie könnte das Eigentum jedoch durch Übereignung von B an C gemäß §§ 929 S. 1, 185 I BGB verloren haben.\n\n\n\n

a) Einigung über den Eigentumsübergang i.S.d. § 929 S. 1 BGB\n\n\n\n

Zunächst müssten sich B und C über den Übergang des Eigentums an dem Pkw geeinigt haben. Eine Einigung liegt vor, wenn zwei übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen, die auf den Übergang des Eigentums gerichtet sind. Die Erklärungen können dabei formlos und auch konkludent abgegeben werden.[1]Kindl in BeckOK BGB § 929 Rn. 9