{"id":1082,"date":"2020-12-02T09:35:34","date_gmt":"2020-12-02T08:35:34","guid":{"rendered":"https:\/\/examensgerecht.de\/?p=1082"},"modified":"2022-02-01T21:46:25","modified_gmt":"2022-02-01T20:46:25","slug":"aeusserung-eines-bundesministers","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/staging.examensgerecht.de\/aeusserung-eines-bundesministers\/","title":{"rendered":"Äußerung eines Bundesministers"},"content":{"rendered":"

BVerfG, Urteil vom 09.06.2020 – 2 BvE 1\/19; NJW 2020, 2096\n\n\n\n

Sachverhalt\n\n\n\n

Am 14.09.2018 (außerhalb des Wahlkampfes) veröffentlichte das Bundesministerium des Innern auf seiner Internetseite ein Interview des Ministers S mit der Deutschen Presse-Agentur. In dem Interview äußert sich Seehofer (S) (CSU) in Bezug auf die AfD (A) wie folgt:\n\n\n\n

„Die stellen sich gegen diesen Staat. Da können sie tausend Mal sagen, sie sind Demokraten. Das haben Sie am Dienstag im Bundestag miterleben können mit dem Frontalangriff auf den Bundespräsidenten. Das ist für unseren Staat hochgefährlich. Das muss man scharf verurteilen. Ich kann mich nicht im Bundestag hinstellen und wie auf dem Jahrmarkt den Bundespräsidenten abkanzeln. Das ist staatszersetzend.“\n\n\n\n

Dieses Verhalten sei, so S, „einfach schäbig“. S bejaht die Frage, ob die AfD radikaler geworden ist und führt weiter aus:\n\n\n\n

„Die sind auf der Welle, auf der sie schwimmen, einfach übermütig geworden und haben auch dadurch die Maske fallen lassen. So ist es auch leichter möglich, sie zu stellen, als wenn sie den Biedermann spielt.“\n\n\n\n

Und weiter:\n\n\n\n

„Mich erschreckt an der AfD dieses kollektive Ausmaß an Emotionalität, diese Wutausbrüche – selbst bei Geschäftsordnungsdebatten. (…) So kann man nicht miteinander umgehen, auch dann nicht, wenn man in der Opposition ist.“\n\n\n\n

Ab dem 01.10.2018 ist das Interview nicht mehr auf der Homepage des Ministeriums zu sehen.\n\n\n\n

Die Partei A fühlt sich durch die Veröffentlichung des Interviews auf der Internetseite in ihren Rechten verletzt und möchte gegen S vor dem BVerfG vorgehen.\n\n\n\n

Mit Erfolg?\n\n\n\n


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Skizze\n\n\n\n\n\n
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Gutachten\n\n\n\n

A kann im Wege eines Organstreitverfahrens gem. Art. 93 I Nr. 1 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 5, 23, 63 ff. BVerfGG beim BVerfG beantragen festzustellen, dass sie in ihren Rechten verletzt ist. Ein solcher Antrag hat Erfolg, wenn er zulässig und begründet ist.\n\n\n\n

A. Zulässigkeit\n\n\n\n

I. Zuständigkeit\n\n\n\n

Das BVerfG ist für Organstreitverfahren nach Art. 93 I Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG zuständig.\n\n\n\n

II. Parteifähigkeit\n\n\n\n

A als Antragsstellerin und S als Antragsgegner müssten parteifähig sein, § 63 BVerfGG. Die A-Partei ist weder ein oberstes Bundesorgan noch ein Teil eines solchen, sodass die Parteifähigkeit nicht aus § 63 BVerfGG folgen kann. Nach Art. 93 I Nr. 1 GG sind aber auch andere Beteiligte parteifähig, die u.a. durch das GG mit eigenen Rechten ausgestattet sind. In Art. 21 GG werden Parteien mit eigenen Rechten (u.a. Chancengleichheit) ausgestattet, sodass sie jedenfalls insoweit parteifähig sind, als sie ihre Rechte aus Art. 21 GG geltend machen.[1]St. Rsp. s. nur BVerfG BeckRS 2020, 11570 Rn. 36 m.w.N.