
BGH, Urteil vom 25.9.2024 – VIII ZR 58/23, MDR 2024, 1440
Sachverhalt
(abgewandelt und gekürzt)
Verbraucher V möchte sich ein neues Auto für den privaten Gebrauch zulegen. Im Autohaus der A-GmbH wird er vom Mitarbeiter M beraten und interessiert sich für ein hochpreisiges Modell der Marke CMW. Da er sich einen Kauf nicht leisten kann, fragt er nach Leasingmöglichkeiten. M erklärt, dass die A-GmbH mit der C-Bank – der Hausbank von CMW – zusammenarbeite. Diese würde das Fahrzeug direkt beim Hersteller bestellen und V für 24 Monate überlassen. Der Leasingvertrag solle direkt zwischen V und der C-Bank zustande kommen; die A-GmbH sei im Vertrag auch nur als „Vermittler“ benannt.
M und V bereiten gemeinsam im Autohaus einen Leasingantrag vor. Nach einigen Berechnungen des M einigen sie sich darauf, dass das Fahrzeug V für monatlich 500 € überlassen werde, bei einer jährlichen Laufleistung von maximal 25.000 km. Mehr- oder Minderkilometer sollen mit 0,05 €/km ausgeglichen werden. Eine Kaufoption oder –pflicht am Ende des Leasingzeitraums wird nicht vereinbart. M führt zudem die gesetzlich vorgeschriebene Identitätsprüfung durch, beantwortet verschiedene Fragen des V zum Fahrzeug und überreicht diesem die Kopien seines Antrags sowie eine Widerrufsbelehrung, welche allerdings nur für Finanzierungsleasingverträge, nicht für Kilometerleasingverträge, ausgestaltet ist. Anschließend sendet M den Antrag des V an die C-Bank, welche diesen später annimmt. Einen Monat später übernimmt V das Fahrzeug bei der A-GmbH.
Nach rund elf Monaten erkennt V, dass er deutlich mehr Kilometer fährt als vereinbart. Bei Durchsicht seiner Vertragsunterlagen fällt ihm die Widerrufsbelehrung auf. V meint sich dunkel zu erinnern, mal etwas über die Widerrufbarkeit von Leasingverträgen aufgrund deren Kreditcharakter gehört zu haben. Zumindest sei er jedoch zum Widerruf berechtigt, da sein Antrag an die C-Bank von M nur per Mail geschickt wurde und er, V, sich dabei im Autohaus der A-GmbH befunden habe. Daher sendet V seinen Widerruf an die C-Bank und verlangt die Rückzahlung der gezahlten Leasingraten in Höhe von 5.500 € gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Die C-Bank antwortet auf das Schreiben, dass bei Kilometerleasingverträgen aus keinem rechtlichen Grund ein Widerrufsrecht bestehe und sie weiter auf ordnungsgemäße Vertragsdurchführung bestehe.
Hat V einen Anspruch auf Rückzahlung der gezahlten Leasingraten in Höhe von 5.500 € gegen Rückgabe des Fahrzeugs?
Auszug der Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge
Artikel 2 – Geltungsbereich
(1) Diese Richtlinie gilt für Kreditverträge.
(2) Diese Richtlinie gilt nicht für […]
d) Miet- oder Leasingverträge, bei denen weder in dem Vertrag selbst noch in einem gesonderten Vertrag eine Verpflichtung zum Erwerb des Miet- bzw. Leasinggegenstands vorgesehen ist; von einer solchen Verpflichtung ist auszugehen, wenn der Kreditgeber darüber einseitig entscheidet;
Skizze
Gutachten
A. Anspruch auf Rückzahlung der 5.500 € gegen Rückgabe des Fahrzeugs aus § 357b Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 506 Abs. 1, 2, 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB
V könnte gegen die C-Bank einen Anspruch auf Rückzahlung der bereits geleisteten Leasingraten iHv 5.500 € gegen Rückgabe des Fahrzeugs aus § 357b Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 506 Abs. 1, 2, 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB haben.
Anmerkung: Reihenfolge der AnsprücheDie Reihenfolge der zu prüfenden Ansprüche ist für die Klausurbearbeitung nicht von Relevanz. Es wäre ebenso richtig, zunächst die Ansprüche wegen eines Widerrufsrechts aus § 312g BGB zu prüfen. Diese Lösungsskizze orientiert sich an den Entscheidungsgründen der zugrundeliegenden BGH-Entscheidung (BGH VIII ZR 58/23) sowie den Vorlagefragen an den EuGH im Verfahren C-38/21 und beginnt daher mit den Widerrufsrechten aus Verbraucherkreditrecht.
I. Widerrufsrecht aus sonstiger Finanzierungshilfe §§ 506 Abs. 1, 2, 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB
V könnte ein Widerrufsrecht aus §§ 506 Abs. 1, 2, 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB haben, wenn es sich bei dem Kilometerleasingvertrag zwischen ihm und der C-Bank um Verbrauchervertrag handelt, der eine sonstige Finanzierungshilfe iSd § 506 Abs. 1, 2 BGB zum Gegenstand hat.
1. Persönlicher Anwendungsbereich des § 355 BGB: Verbrauchervertrag
Damit der persönliche Anwendungsbereich des § 355 BGB eröffnet ist, müsste es sich bei dem Kilometerleasing-Vertrag zwischen V und der C-Bank um einen Verbrauchervertrag handeln. V müsste somit als Verbraucher iSd § 13 BGB, die C-Bank als Unternehmer iSd § 14 BGB anzusehen sein.
V möchte sich das Fahrzeug für den privaten Gebrauch zulegen, er handelt somit nicht im Rahmen seiner gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit und ist daher als Verbraucher iSd § 13 BGB anzusehen.
Die C-Bank wiederum ist die Hausbank des Autoherstellers CMW. Sie vermittelt im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit Leasingverträge für Fahrzeuge des Herstellers CMW an Verbraucher, indem sie auf Antrag ihrer Kunden Fahrzeuge bei CMW bestellt und diese dann im Rahmen eines Leasingvertrags an ihre Kunden überlässt. Die C-Bank ist daher als Unternehmer iSd § 14 BGB anzusehen.
2. Kilometerleasingvertrag als entgeltliche Finanzierungshilfe gem. § 506 Abs. 1, 2 BGB
Damit das Widerrufsrecht nach § 355 BGB gem. §§ 506 Abs. 1 S. 1, 495 Abs. 1 BGB auf den Vertrag Anwendung findet, müsste es sich bei dem Kilometerleasingvertrag zwischen V und der C-Bank um einen entgeltlichen Zahlungsaufschub oder eine sonstige Finanzierungshilfe iSd § 506 BGB handeln.
Da der Kilometerleasingvertrag vorliegend nicht die Gewährung eines entgeltlichen Zahlungsaufschubes (z.B. Ratenzahlung) sondern die entgeltliche Nutzung des Leasingwagens gegen Zahlung einer monatlichen Leasingrate regelt, kann es sich lediglich um eine sonstige entgeltliche Finanzierungshilfe nach § 506 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB handeln. Für Verträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher über die entgeltliche Nutzung eines Gegenstands bestimmt § 506 Abs. 2 S. 1 BGB im Wege einer enumerativen Aufzählung, unter welchen Voraussetzungen diese als entgeltliche Finanzierungshilfe iSd Abs. 1 gelten soll.[1]BGH NJW 2021, 1942 Rn. 21. Dies ist nur dann der Fall wenn im Vertrag vereinbart ist, dass (1) der Verbraucher zum Erwerb des Gegenstandes verpflichtet ist, (2) der Unternehmer vom Verbraucher den Erwerb des Gegenstandes verlangen kann oder (3) der Verbraucher bei Beendigung des Vertrags für einen bestimmten Wert des Gegenstandes einzustehen hat.
Dies ist beim Kilometerleasing jedoch gerade nicht der Fall. Der Vertrag zwischen V und der C-Bank sieht keine Kaufoption oder Kaufpflicht des V nach Ablauf des Leasingzeitraums vor. Auch soll V nicht für einen bestimmten Wert des Fahrzeugs zum Ende des Leasingzeitraums einstehen. Es ist lediglich vereinbart, dass die Mehr- oder Minderkilometer am Ende des Leasingzeitraums zwischen den Parteien abgerechnet werden. Für einen bestimmten (bezifferten) Wert des Fahrzeugs muss V jedoch gerade nicht einstehen.[2]vgl. BT-Drs. 16/11643, 91, 92; OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 2020, 1126.
Anmerkung: Unterschied zum FinanzierungsleasingDies stellt den Unterschied des Kilometerleasings gegenüber dem Finanzierungsleasing dar. Beim Finanzierungsleasing wird das wirtschaftliche Risiko für das Leasingobjekt auf den Leasingnehmer übertragen, da dieser gewährleisten muss, dass das Leasingobjekt am Ende des Leasingzeitraums noch einen gewissen Restwert besitzt. Alternativ wird dem Leasingnehmer eine Kaufoption oder, etwa bei einem zu geringen Restwert, eine Kaufpflicht auferlegt. Das Finanzierungsleasing ist daher für den Leasinggeber auf Vollamortisation ausgelegt; es soll die Anschaffungs- und Nebenkosten, die der Leasinggeber aufgewendet hat, vollständig abdecken. Dies ist beim Kilometerleasing gerade nicht der Fall, wie auch der BGH schon 2021 in seiner Entscheidung BGH NJW 2021, 1942 festgestellt hat.
Auch eine analoge Anwendung des § 506 Abs. 1, 2 BGB auf Fälle des Kilometerleasings scheidet aus. Durch die erschöpfende Aufzählung des § 506 Abs. 2 S. 1 BGB sowie die klare europarechtliche Grundlage in Art. 2 Abs. 2 lit. d) der Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge ergibt sich, dass es sich nicht um eine planwidrige Regelungslücke handelt, sondern der Gesetzgeber nur Fälle des Finanzierungsleasings dem Widerrufsrecht der Verbraucherkreditverträge unterstellen wollte.[3]BGH NJW 2021, 1942 Rn. 37-66; OLG München NJW-RR 2020, 1248 Rn. 20-31.
3. Zwischenergebnis
Da es sich bei dem Kilometerleasingvertrag nicht um eine entgeltliche Finanzierungshilfe iSd § 506 Abs. 1, 2 BGB handelt findet das Widerrufsrecht des § 495 Abs. 1, § 355 BGB keine Anwendung auf den Vertrag.
II. Ergebnis
V steht kein Anspruch auf Rückzahlung der bereits geleisteten Leasingraten iHv 5.500 € gegen Rückgabe des Fahrzeugs aus § 357b Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 506 Abs. 1, 2, 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB zu.
B. Anspruch aus § 357 Abs. 1 BGB i.V.m. § 312g Abs. 1, § 355 BGB
V könnte einen Anspruch auf Rückzahlung der bereits geleisteten Leasingraten iHv 5.500 € gegen Rückgabe des Fahrzeugs aus § 357 Abs. 1 BGB i.V.m. § 312g Abs. 1, § 355 BGB haben.
I. Widerrufsrecht aus § 312g Abs. 1 BGB
1. Verbrauchervertrag
Wie o.g. liegt mit dem Kilometerleasingvertrag ein Verbrauchervertrag vor.
2. Fernabsatzvertrag § 312c BGB
Es müsste sich bei dem zwischen V und der C-Bank geschlossenem Vertrag um einen Fernabsatzvertrag iSd § 312c BGB handeln.
Anmerkung: Beachtung der VertragsverhältnisseMachen Sie sich an diesem Punkt klar, zwischen wem eine Vertragsbeziehung vorliegt (V – C-Bank) und wo V seinen Leasingantrag abgegeben hat (im Autohaus der A-GmbH)
Fernabsatzverträge sind Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt, vgl. § 312c Abs. 1 BGB. Fernabsatzverträge sind dadurch gekennzeichnet, dass Anbieter und Verbraucher sich nicht physisch begegnen und der Verbraucher die vom Unternehmer angebotene Ware in der Regel nicht vor Vertragsschluss in Augenschein nehmen oder sich Kenntnis von den Eigenschaften der Dienstleistung verschaffen kann.[4]BGH BeckRS 2024, 27833 Rn. 18.
V befand sich bei Absendung seines Leasingantrags im Autohaus der A-GmbH. Dort füllte er gemeinsam mit Mitarbeiter M der A-GmbH den Leasingantrag aus. Mit einem Mitarbeit der C-Bank hatte V jedoch zu keiner Zeit Kontakt, der Antrag wurde elektronisch durch M übermittelt.
a. Mitarbeiter der A-GmbH als „im Namen oder Auftrag handelnde Person“ der C-Bank iSd § 312c Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB
Fraglich ist, ob der der Kontakt mit M, dem Mitarbeiter der A-GmbH, welche im Leasingvertrag als „Vermittler“ bezeichnet wird, ausreichend ist, um dem Leasinggeschäft den Charakter als Fernabsatzvertrag zu nehmen. Denn gem. § 312c Abs. 1 Hs. 1 BGB liegt auch dann kein Fernabsatzvertrag vor, wenn der Verbraucher zwar nicht mit dem Unternehmer, aber mit einer in dessen Namen oder Auftrag handelnden Person in Kontakt tritt. Daher ist zu klären, ob M als Mitarbeiter der A-GmbH als eine im Namen oder im Auftrag der C-Bank handelnde Person angesehen werden kann.
Dies wäre dann zu verneinen, wenn sich die Rolle des M auf eine bloße Botenfunktion beschränkt, die über den Vertragsinhalt und insbesondere über die Beschaffenheit der Vertragsleistung keine näheren Auskünfte geben kann und soll. Denn ein solcher Bote vermag die durch das Distanzgeschäft begründeten Defizite – fehlende Prüfbarkeit der Ware oder Dienstleistung; fehlende Informationsmöglichkeit durch eine natürliche Person – nicht auszugleichen.[5]BGH BeckRS 2024, 27833 Rn. 18. M und V verhandelten jedoch über den Vertragsinhalt, zudem gab M dem V die gesetzlich verlangten Pflichtinformationen und beantwortete mehrere Nachfragen des V zum Fahrzeug.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass M nicht als rechtsgeschäftlicher Vertreter, sondern lediglich als „Vermittler“ der C-Bank auftrat. Denn der Begriff der „in seinem Namen handelnde Person“ in § 312c Abs. 1 BGB erfasst nicht nur rechtsgeschäftlich bevollmächtigt handelnde Personen, sondern jede vom Unternehmer beauftragte Person, die dem Verbraucher über Informationen über die Produkte erteilen soll und kann.[6]EuGH NJW 2024, 809 Rn. 163-167. Daher ist der M als eine im Auftrag der C-Bank handelnde Person anzusehen.
b. Zwischenergebnis
Dadurch, dass der M als von der C-Bank beauftragte Person in unmittelbarem Kontakt mit V bei Abschluss des Leasingvertrages war und diesem Fragen zum vertragsgegenständlichen Fahrzeug beantworten konnte liegt das für den Fernabsatzvertrag iSd § 312c BGB charakteristische Informationsdefizit gerade nicht vor. Es handelt sich bei dem Kilometerleasingvertrag zwischen V und der C-Bank somit nicht um einen Fernabsatzvertrag iSd § 312c BGB.
3. Außergeschäftsraumvertrag § 312b BGB
Da der V den Leasingvertrag mit der C-Bank im Autohaus der A-GmbH abschloss und nicht in den Räumlichkeiten der C-Bank, könnte ein Außergeschäftsraumvertrag iSd § 312b BGB vorliegen. Sinn und Zweck des Widerrufsrechts bei Außergeschäftsraumverträgen ist es, den Verbraucher vor Überrumpelungsaktionen zu schützen, bei dem ihm ein nicht gewollter Vertragsabschluss aufgenötigt wird.[7]EuGH NJW 2024, 809 Rn. 178.
Gegen das Vorliegen eines Außergeschäftsraumvertrages könnte jedoch § 312b Abs. 1 S. 2 BGB sprechen, welcher die Geschäftsräume von Personen, welche im Auftrag des Unternehmers handeln, den Geschäftsräumen des Unternehmers gleichstellen. Da die A-GmbH als „Vermittler“ für die Leasingverträge der C-Bank beauftragt ist gilt auch hier das schon zu § 312c BGB ausgeführte, sodass die Geschäftsräume der A-GmbH mit denen der C-Bank gleichzusetzen sind.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Autohaus, in dessen Geschäftsräumen der V sein Angebot auf Abschluss des Leasingvertrags abgab, in einer anderen Branche tätig ist als die C-Bank (Autoverkäufe ./. Leasingverträge). Denn V musste aus der Sicht eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers damit rechnen, von einem Mitarbeiter der A-GmbH zu kommerziellen Zwecken mit dem Ziel der Aushandlung und des Abschlusses eines Kauf- oder Leasingvertrags angesprochen zu werden.[8]EuGH NJW 2024, 809 Rn. 181 f. Leasinggeber bedienen sich im Leasinggeschäft mit Verbrauchern zur Anbahnung von Fahrzeugleasingverträgen regelmäßig – wie vorliegend – der Vermittlung durch Fahrzeugverkäufer. Anhaltspunkte dafür, dass dennoch eine den Außergeschäftsraumvertrag kennzeichnende Druck- oder Überraschungssituation auf Seiten des V vorgelegen hat, sind nicht ersichtlich.[9]BGH BeckRS 2024, 27833 Rn. 39.
Somit ist in dem Vertragsschluss zwischen V und der C-Bank im Autohaus der A-GmbH auch kein Außergeschäftsraumvertrag iSd § 312b Abs. 1 BGB zu sehen, da die Geschäftsräume der A-GmbH denen der C-Bank gleichstehen.
II. Zudem: Ausschluss des Widerrufsrechts aus § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB
Selbst wenn man von einem Fernabsatzvertrag iSd § 312c Abs. 1 BGB oder einem Außergeschäftsraumvertrag iSd § 312b BGB ausginge, könnte das Widerrufsrecht aus § 312g Abs. 1 BGB nach § 312g Abs. 2 BGB ausgeschlossen sein. Denn nach § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB besteht das Widerrufsrecht des § 312g Abs. 1 BGB nicht für „Verträge zur […] Kraftfahrzeugvermietung, […], wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht“.
Kraftfahrzeugvermietungen sind dadurch gekennzeichnet, dass ihr Hauptgegenstand darin besteht, dem Verbraucher ein Kraftfahrzeug gegen Zahlung eines Mietpreises oder von monatlichen Raten zur Verfügung zu stellen.[10]EuGH NJW 2024, 809 Rn. 190. Der Hauptgegenstand des Kilometerleasingvertrages zwischen V und der C-Bank ist die Zurverfügungstellung des Leasingfahrzeugs gegen Zahlung der monatlichen Leasingrate, sodass die mietvertraglichen Elemente des Leasingvertrages im Vordergrund stehen. Denn ebenso wie bei einer „Kraftfahrzeugvermietung“ ist V zum Kauf des Fahrzeugs am Ende der Leasingzeit nicht verpflichtet. Da die Kraftfahrzeugvermietung auch für einen spezifischen Zeitraum, hier den Leasingzeitraum von 24 Monaten, abgeschlossen wurde, ist der Wortlaut des § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB erfüllt. Es ist auch gerade nicht ersichtlich, dass der Ausschlussgrund des § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB nur auf kurzfristige Kraftfahrzeugvermietungen anzuwenden ist. Aus dem Wortlaut des § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB ergibt sich eben keine konkrete zeitliche Beschränkung im Sinne einer Höchstdauer des Kraftfahrzeugmietvertrages.[11]BGH BeckRS 2024, 27833 Rn. 47. Es handelt sich daher auch bei dem Kilometerleasingvertrag um eine Kraftfahrzeugvermietung iSd § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB.
Somit wäre ein etwaiges Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB bei Vorliegen eines Fernabsatzvertrages nach § 312c BGB oder eines Außergeschäftsraumvertrages nach § 312b BGB nach § 312g Abs.2 Nr. 9 BGB sowieso ausgeschlossen.
III. Ergebnis
V hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der bereits geleisteten Leasingraten iHv 5.500 € gegen Rückgabe des Fahrzeugs aus § 357 Abs. 1 BGB i.V.m. § 312g Abs. 1, § 355 BGB.
C. Gesamtergebnis
V hat gegen die C-Bank keinen Anspruch auf Rückzahlung der bereits geleisteten Leasingraten iHv 5.500 € gegen Rückgabe des Fahrzeugs.
Zusatzfrage
Wie ist ein Leasingvertrag rechtlich ausgestaltet?Bei einem Leasingvertrag handelt es sich regelmäßig um einen atypischen, mietähnlichen Vertrag im Dreiparteienverhältnis. Der Leasinggeber kauft das Leasingobjekt vom Hersteller und vermietet es an den Leasingnehmer. Im Verhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer werden die mietrechtlichen Gewährleistungsansprüche der §§ 536 ff. BGB vertraglich ausgeschlossen, dafür tritt der Leasinggeber seine kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche aus §§ 434 ff. BGB an den Leasingnehmer ab und bevollmächtigt ihn, diese gegenüber dem Hersteller geltend zu machen. Der Leasinggeber bleibt Eigentümer des Leasingobjekts, haftet aber nicht für dessen Beschaffenheit. Der Leasingnehmer muss sich bei Mängeln direkt an den Hersteller wenden.
Zusammenfassung
- Ein Kilometerleasingvertrag ohne Erwerbsverpflichtung ist keine Finanzdienstleistung.
- Die physische Anwesenheit eines vom Unternehmer bevollmächtigten Vermittlers, der dem Verbraucher alle Informationen geben kann, welche ihm auch der Unternehmer geben könnte, schließt das Vorliegen eines Fernabsatzvertrages iSd § 312c BGB aus.
- Wird ein Vertrag in den Geschäftsräumen eines solchen Vermittlers geschlossen, so handelt es sich nicht um einen Außergeschäftsraumvertrag iSd § 312b BGB.
- § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB erfasst nicht nur die in der Regel kurzfristigen Kraftfahrzeugmietverträge, sondern auch Kilometerleasingverträge.