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Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis
OVG Münster, Urt. v. 30.08.2023, Az. 20 A 2384/20 und OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 24.04.2023, Az. 3 M 13/23

Sachverhalt

Der A ist Jäger und die Kreispolizeibehörde (P) der D erteilte ihm im Jahr 2009 eine Waffenbesitzkarte mit zwei eingetragenen halbautomatischen Pistolen des Kalibers 22lr. Seit 2020 ist A zudem Abgeordneter des Landtags im Bundesland B und gehört der Fraktion der N an.

Während einer einwöchigen Urlaubsabwesenheit wurde in das Wohnhaus des A eingebrochen. Die Einbrecher entwendeten aus dem dortigen Waffenschrank, der unbeschädigt geblieben ist, eine der zwei Pistolen und diverse Munition. Geöffnet wurde der Schrank mit dem dazugehörigen Schlüssel. Diesen bewahrte der A in derselben Wohnung in einem etwa 40 kg schweren, dick- und doppelwandigen Stahltresor mit Zahlenschloss auf. Der Tresor befand sich wenige Meter neben dem Waffenschrank. Dieser genügte allerdings nicht dem gesetzlichen Sicherheitsstandard für die Aufbewahrung von Waffen und Munition.

Zeitgleich informierte das Ministerium des Inneren des Landes N die P im Rahmen der waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsüberprüfung darüber, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz den Landesverband der N Partei zum Verdachtsfall erhoben habe.

Nach Kenntnis über diesen Sachverhalt hörte die P den A an. Auf Nachfrage hat der A angegeben, dass der Tresor der übliche Aufbewahrungsort des Schlüssels für den Waffenschrank sei. Bezüglich der Beobachtung des Verfassungsschutzes beteuerte der A, dass er selbst nie verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt habe.

Die P entzog dem A mit Schreiben vom 21.01.2023 formell rechtmäßig die Waffenerlaubnis. Zwar entspräche der Waffenschrank dem gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsstandard für die Aufbewahrung von Waffen und Munition. Jedoch erfülle der Tresor, in dem der Schlüssel zum Waffenschrank aufbewahrt wurde, nicht den Anforderungen an die Aufbewahrung. Zudem lägen durch die Beobachtung des Verfassungsschutzes Tatsachen vor, die Anhaltspunkte dafür bieten, dass der Landesverband der N verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge. Da er Mitglied dieser Vereinigung sei und diese zudem unterstütze, erfülle er den Tatbestand der sogenannten Regelunzuverlässigkeit. Der Widerruf sei daher damit begründet, dass der A als waffenrechtlich unzuverlässig anzusehen sei.

Der A will den Widerruf nicht akzeptieren. Er entgegnet daher, dass seine von der Behörde herangezogene Mitgliedschaft in der N Fraktion nicht ausreiche, um ihm die Erlaubnis zu entziehen. Vielmehr sei die gesicherte Feststellung verfassungsfeindlicher Bestrebungen erforderlich. Daher erfordere der Begriff des Verfolgens einen individuellen, aktiven Beitrag des Betroffenen. Einen solchen werfe die Behörde ihm schon nicht vor. Auch für die N sei lediglich durch die Erhebung zum Verdachtsfall die Verfolgung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen nicht abschließend geklärt. Der A meint zudem, es läge kein grober Verstoß gegen die Aufbewahrungspflichten vor, weil bisher nicht abschließend geklärt sei, welche Pflichten an die Aufbewahrung des Schlüssels zu einem Waffenschrank gestellt werden.

Ist der Widerruf rechtmäßig?


Skizze


Gutachten

A. Ermächtigungsgrundlage

Der Widerruf findet seine Rechtsgrundlage in § 45 II 1 WaffG. Danach ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen.

Vernetztes Lernen: Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten
Bekannt dürften aus dem Verwaltungsrecht die §§ 48, 49 VwVfG für die Rücknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten sein. Diese finden jedoch nur Anwendung, wenn keine spezialgesetzliche Regelung vorhanden ist. Für den Widerruf der Waffenerlaubnis wäre es daher falsch, unmittelbar auf § 49 VwVfG zurückzugreifen. Weitere spezialgesetzliche Reglungen die man kennen sollte, sind der Widerruf der Gaststättenerlaubnis nach § 15 II GastG und der Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltskammer § 7 BRAO.

B. Formelle Rechtmäßigkeit

Der Widerruf erging formell rechtmäßig.

C. Materielle Rechtmäßigkeit

I. Tatbestandsvoraussetzungen

Der Widerruf müsste auch materiell rechtmäßig sein. § 45 II 1 WaffG statuiert den Grundsatz des zwingend vorgeschriebenen Widerrufs von Erlaubnissen bei einem nachträglichen Wegfall einer Erlaubnisvoraussetzung. Dabei rekurriert die Norm auf die Voraussetzungen zur Erlaubniserteilung. § 4 I Nr. 2 Alt. 1 WaffG legt fest, dass die Erlaubnis zu versagen ist, wenn der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG besitzt. Die Zuverlässigkeit als allgemeine Erlaubnisvoraussetzung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der durch die in § 5 WaffG aufgeführten Unzuverlässigkeitstatbestände im Einzelnen, aber nicht abschließend, bestimmt wird.[1]Nomos-BR/König/Papsthart WaffG, 2. Aufl. 2012, WaffG § 5 Rn. 1.

Als Anknüpfungspunkt für die Unzuverlässigkeit kommen hier in Betracht die Mitgliedschaft in einer vom Verfassungsschutz beobachteten Fraktion und die Lagerung des Schlüssels zum Waffenschrank in einem möglicherweise nicht ausreichenden Behältnis.

Vernetztes Lernen: Voraussetzungen zur Erteilung einer Erlaubnis
Die Voraussetzungen zur Erteilung von waffenrechtlichen Erlaubnissen sind in den §§ 4 ff. WaffG geregelt. Diese sind in § 4 I WaffG aufgezählt:
1. die Vollendung des 18. Lebensjahrs (§ 2 I),
2. die erforderliche Zuverlässigkeit (§ 5),
3. die persönliche Eignung (§ 6),
4. wenn der Antragssteller die erforderliche Sachkunde nachgewiesen hat (§ 7),
5. das Bedürfnis nachgewiesen wurde (§ 8) und
6. bei der Beantragung eines Waffenscheins oder einer Schießerlaubnis eine Versicherung gegen Haftpflicht in Höhe von 1 Million Euro – pauschal für Personen- und Sachschäden – nachgewiesen ist.
1. Mitgliedschaft in einer vom Verfassungsschutz beobachteten Fraktion

In Betracht kommt hier als Grund für die Unzuverlässigkeit der § 5 II Nr. 3 Buchst. b WaffG. Demnach besitzt eine Person die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren Mitglied in einer Vereinigung war, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat. Der A ist Mitglied in einer Fraktion, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Das könnte den Schluss nahe legen, den A als unzuverlässig einzustufen.

a) Auswirkung der Einstufung der Verfassungsschutzbehörde

Fraglich ist also, ob die Einstufung als Verdachtsfall schon die Grenze der waffenrechtlichen Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Bestrebung“ erfüllt.

Ginge es allein um den Standpunkt des Verfassungsschutzes käme eine Regelvermutung der Unzuverlässigkeit in Betracht, da der Verfassungsschutz die Fraktion als Verdachtsfall einstufte. Daraus ergäbe sich dann als Indizwirkung, dass zugleich die Voraussetzungen des § 5 II Nr. 3 WaffG erfüllt wären und somit Tatsachen vorlägen, die die Annahme verfassungsfeindlicher Bestrebungen begründen könnten. Die Auslegung des Verfassungsschutzes kann aber nicht alleine maßgeblich sein. Mit welchem Grad der Überzeugung verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegen müssen, bestimmt sich nämlich allein anhand des Waffengesetzes und nicht nach den Verfassungsschutzgesetzen.

b) Auslegung nach dem WaffG

Des Weiteren ist aber fraglich, welchen Überzeugungsmaßstab das WaffG fordert. Insofern ist hier die Auslegung des Merkmals „Vereinigung die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat“ maßgeblich und damit die Frage entscheidend, mit welchem Grad der Überzeugung die Behörde von verfassungsfeindlichen Bestrebungen der in Frage stehenden Vereinigung ausgeht.

Zunächst könnte sich aus dem Wortlaut ergeben, dass für die Unzuverlässigkeit gefordert wird das die Verfolgung verfassungsfeindlicher Bestrebungen feststehen muss. Eingeleitet werden die Unzuverlässigkeitsgründe in Nr. 3 mit der Formulierung „Bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen…“. Nach dem Wortlaut bezieht sich der tatsachenbegründete Verdacht jedoch allein auf die Mitgliedschaft in einer Vereinigung und nicht darauf, ob die Organisation verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat.

Anmerkung: Wortlaut der Norm
§ 5 II Nr. 3 a-c WaffG
3. Bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren
a) Bestrebungen einzeln verfolgt haben, die
aa) gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind,
bb) gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind oder
cc) durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
b) Mitglied in einer Vereinigung waren, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, oder
c) eine solche Vereinigung unterstützt haben,

Folglich würde es nach dem Wortlaut gerade nicht genügen, dass nur Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Vereinigung verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge oder verfolgt habe, aber die Mitgliedschaft in der Vereinigung gesichert ist.[2] OVG Magdeburg Beschl. v. 24.4.2023 – 3 M 13/23, BeckRS 2023, 8320 Rn. 10.

Auch nach der Gesetzeshistorie ergibt sich, dass das Verfolgen verfassungsfeindlicher Bestrebungen feststehen muss. Der tatsachenbegründende Verdacht betraf schon nach der Vorgängerfassung allein die aktive individuelle Betätigung der betroffenen Person als Einzelperson oder im Kollektiv. Dass sich der tatsachenbegründende Verdacht auch auf die verfassungsfeindliche Betätigung der Vereinigung als Kollektiv bezog, ist nicht ersichtlich.[3] OVG Magdeburg Beschl. v. 24.4.2023 – 3 M 13/23, BeckRS 2023, 8320 Rn. 15.

Der tatsachenbegründende Verdacht bezieht sich also nicht auf die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der in Frage stehenden Vereinigung. Vielmehr muss das aktive Verfolgen der Bestrebungen feststehen. Die verdachtsbegründenden Tatsachen beziehen sich lediglich auf die Mitgliedschaft in der Vereinigung. Durch die Einordung als Verdachtsfall wird jedoch gerade keine definitive Aussage über die Verfolgung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen durch die Vereinigung getroffen. Demnach ist hier die Grenze des § 5 II Nr. 3 WaffG noch nicht überschritten. Es steht nicht fest, dass die Vereinigung oder der A selbst verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen.

Anmerkung: Andere Ansicht in der Rechtsprechung
Einen ähnlich gelagerten Fall entschied das VG Düsseldorf (VG Düsseldorf, Urteil vom 07.03.2023 – 22 K 7087/20.) anders. Demnach stellte sich das Verwaltungsgericht auf dem Standpunkt, dass die Einstufung einer Vereinigung als Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz indiziere, dass zugleich die Voraussetzungen des § 5 II Nr. 3 WaffG erfüllt sind, da die Norm ebenfalls – allein – voraussetzt, dass ein tatsachenbegründeter Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen vorliegt. Es müsse hingegen nicht bereits erwiesen sein, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt werden.
c) Zwischenergebnis

Der A ist damit nicht wegen seiner Mitgliedschaft in der Fraktion der N als unzuverlässig einzustufen.

2. Unzuverlässigkeit durch die Aufbewahrung des Schlüssels zum Waffenschrank

Die Unzuverlässigkeit könnte sich aber aus der Aufbewahrung des Schlüssels zum Waffenschrank ergeben. Nach § 5 I Nr. 2 WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder sie nicht sorgfältig verwahren werden. Maßgeblich für die Beurteilung der Unzuverlässigkeit ist dabei eine auf Tatsachen gestützte, in die Zukunft gerichtete Prognose.[4]Nomos-BR/König/Papsthart WaffG, 2. Aufl. 2012, WaffG § 5, Rn. 8.

a) Unsachgemäße Aufbewahrung

Dabei ergeben sich die Anforderungen grundsätzlich unmittelbar aus dem Gesetz. Nach § 36 WaffG hat derjenige der Waffen oder Munition besitzt, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhandenkommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen. Welche Maßnahmen im Einzelnen getroffen werden müssen, damit der allgemeinen Sorgfaltspflicht nach § 36 I WaffG genügt wird, bemisst sich jeweils nach den Umständen des Einzelfalles.[5]VG Düsseldorf Urt. v. 23.6.2020 – 22 K 3002/19, BeckRS 2020, 63109 Rn. 26. Der Waffenschrank selbst entsprach den Anforderungen, jedoch nicht der Tresor, in dem der Schlüssel zum Waffenschrank aufbewahrt wurde. Schlüssel zu einem Waffenschrank sind jedoch ebenfalls in einem Behältnis aufzubewahren, das seinerseits den gesetzlichen Sicherheitsstandards an die Aufbewahrung der im Waffenschrank befindlichen Waffen und Munition entspricht.[6]OVG Münster Urt. V. 30.08.2023, Az. 20 A 2384/20. Der A hat durch die konkrete Aufbewahrung des Schlüssels zum Waffenschrank Unbefugten den Zugriff dergestalt ermöglicht, dass die Sicherheitsstufe des eigentlichen Waffenschrankes umgangen werden konnte. Beide Schränke stellten schon durch ihre räumliche Entfernung eine funktionale Einheit dar. Der A verstieß damit gegen die waffenrechtliche Aufbewahrungspflicht.

b) Auswirkungen auf die Zuverlässigkeit

Fraglich ist, welche Auswirkungen dies im konkreten Fall auf die Zuverlässigkeit des A hat. Bisher wurde bei dem A weder eine Waffe noch Munition aufgrund einer unsorgfältigen Aufbewahrung entwendet. Somit könnte auch aufgrund der erstmaligen Vorkommnisse eine zukünftige Beurteilung dahingehend getroffen werden, dass der A nicht unzuverlässig ist und daher die Erlaubnis nicht zu widerrufen sei. Bei der Prognoseentscheidung handelt es sich um eine zukunftsbezogene Erwartung, die gestützt wird auf belastbare Erfahrungssätze, sodass es grundsätzlich auch möglich ist, bei einmaligen Verhaltensweisen vom Vorliegen der erforderlichen gewissen bzw. hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines weiteren Verstoßes auszugehen.[7]VGH München Beschl. v. 24.4.2023 – 24 CS 23.412, BeckRS 2023, 10164 Rn. 16. Demnach geht auch die Rechtsprechung davon aus, dass bereits ein einmaliger Verstoß gegen die Aufbewahrungspflichten grundsätzlich die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigen kann.[8]vgl. BayVGH, B.v. 14.11.2016 – 21 ZB 15.648, BeckRS 2016, 55033 Rn. 17; BayVGH, Bschl. v. 4.11.2015 – 21 CS 15.2023, BeckRS 2015, 55134 Rn. 15. Dies gilt aber nicht in jedem Fall. Erforderlich ist vielmehr, dass ein nachgewiesener Verstoß unweigerlich eine negative Prognose ergibt. Dies ist aufgrund einer Gesamtschau zu ermitteln, wobei es nach allgemeiner Lebenserfahrung plausibel erscheinen muss, dass ein ähnlicher Verstoß denkbar wäre. Auch die Schwere des Verstoßes kann dabei eine Rolle spielen. Je erheblicher der Verstoß ist, desto eher kann von einer Unzuverlässigkeit ausgegangen werden. Gleiches gilt im umgekehrten Fall (ua sogenannte Bagatellverstöße).[9]VGH München Beschl. v. 24.4.2023 – 24 CS 23.412, BeckRS 2023, 10164 Rn. 16.

Vernetztes Lernen: Muss eine konkrete Gefahr von dem Verstoß gegen die Aufbewahrungspflicht ausgehen?
Ebenfalls ohne Belange ist, ob von einer vorherigen unsorgfältigen Verwahrung von Waffen oder Munition konkrete Gefahren ausgehen.[10]VGH München Beschl. v. 24.4.2023 – 24 CS 23.412, BeckRS 2023, 10164, Rn. 14. Es geht um die abstrakte Gefahr, die von der unsorgfältigen Aufbewahrung ausgeht.

Der A hat mit der Aufbewahrung in dem Stahltresor jedenfalls Vorkehrungen getroffen, die geeignet gewesen sind, einen Zugriff durch unbefugte Dritte zu verhindern oder zu erschweren. Somit liegt zunächst kein grober Verstoß vor.

Entscheidender ist aber, dass es bisher keine eindeutig erkennbare Rechtslage für die Aufbewahrung von Schlüsseln zu Waffenschränken gab. Dem A musste es sich nicht aufdrängen, dass die Waffenschrankschlüssel demjenigen gesetzlichen Sicherheitsstandard entsprechend aufzubewahren sind, der für die Aufbewahrung der Waffen und Munition gilt. Mithin ist nicht von einer Unzuverlässigkeit des A auszugehen, obwohl er gegen die Aufbewahrungspflichten verstoßen hat.

Wenn kein grober Verstoß vorliegt, dann reicht dies nicht aus, um bei einem einmaligen Verstoß bereits die Unzuverlässigkeit zu begründen. Deshalb ist A nicht unzuverlässig.

D. Ergebnis 

Der Widerruf war rechtswidrig.


Zusatzfragen

1. Der in K lebende KSK-Soldat B war im Afghanistan-Einsatz. Nach seiner Rückkehr befürchtet er nun wegen seiner früheren Einsätze in Afghanistan Vergeltungsanschläge islamistischer Terrorgruppen. Er beantragte daher beim zuständigen Polizeipräsidium die Erteilung eines Waffenscheins, der zum Führen einer Schusswaffe berechtigt. Dazu trägt er vor, dass er erheblichen Gefahren ausgesetzt sei. Ihm sei aufgefallen, dass vermehrt Menschen mit südländischem Aussehen ihn beobachten würden. Zudem sei er der Meinung, dass seine Identität bei dem letzten Einsatz offenkundig geworden und er somit nun eine Zielscheibe für Terrororganisationen sei. Der Antrag wurde abgelehnt mit der Begründung, dass es glaubhaft gemacht werden müsse, dass die Person des Antragsstellers wesentlich mehr als die Allgemeinheit gefährdet ist. Es reiche nicht aus, dass generell eine Gefahr terroristischer Übergriffe in Deutschland durch islamistische Gruppierungen oder Einzeltäter theoretisch möglich sei. Lägen bei einer Klage die materiellen Anspruchsvoraussetzungen vor?
Anspruchsgrundlage für die Erteilung zum Führen einer Waffe ist § 10 IV WaffG. Dafür muss der B die Voraussetzungen zur Erteilung erfüllen. In Frage steht hier das Bedürfnis zum Tragen einer Waffe. Nach § 8 WaffG ist ua der Nachweis eines Bedürfnisses erbracht, wenn gegenüber den Belangen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung besonders anzuerkennende persönliche oder wirtschaftliche Interessen und die Geeignetheit und die Erforderlichkeit der Waffe oder der Munition für den beantragten Zweck glaubhaft gemacht werden. Ein Bedürfnis für eine gefährdete Person wird gem. § 19 I WaffG nur anerkannt, wenn diese glaubhaft macht, dass sie außerhalb der eigenen Wohnung, Geschäftsräume oder des eigenen befriedeten Besitztums wesentlich mehr als die Allgemeinheit durch Angriffe auf Leib und Leben gefährdet ist und eine Schusswaffe geeignet ist die Gefahr zu minimieren. Das Führen der Waffe wird also zum Zweck des Selbstschutzes gestattet.[11]Nomos-BR/König/Papsthart WaffG/Achim-Volker König/Christian Papsthart, 2. Aufl. 2012, WaffG § 19 Rn. 1f. Die Voraussetzungen sind jedoch akribisch zu überprüfen, da eine Schusswaffe im öffentlichen Raum gleichsam für diesen eine erhöhte Gefährlichkeit bedeutet. So kann sie ua schneller abhandenkommen oder in die Hände Unbefugter gelangen.[12]BVerwG, Urt. v. 24. Juni 1975 – I C 25.73.
Die besondere Gefährdung ist anhand objektiver Kriterien zu beurteilen. Mithin spielt die subjektive Überzeugung des B keine erhebliche Rolle.[13]VG Minden, Urteil vom 03.08.2020 – 8 K 2132/19, Rn. 35.
Dabei dürfte der Verweis auf die Mitgliedschaft im Sondereinsatzkommando nicht genügen. Andernfalls müsste der B vortragen, warum KSK-Mitglieder oder sonstige Bundeswehrangehörige im Bundesgebiet objektiv wesentlich mehr einer Gefährdung durch islamistisch motivierte Angriffe als die Allgemeinheit unterlägen. In Betracht kämen dabei eine offenkundige Identifizierung oder Drohungen. Anhaltspunkte für eine konkrete Bedrohungslage hat der B jedoch nicht vorgetragen. Zudem ist nicht feststellbar, dass das Führen einer Schusswaffe geeignet sei, die vom B behauptete Gefährdung seiner Person durch terroristische Angriffe zu mindern.[14]a.A. VG Minden, Urteil vom 03.08.2020 – 8 K 2132/19, Rn. 35.
Die materiellen Anspruchsvoraussetzungen liegen nicht vor.
2. Mit welcher Klageart müsste der B sein Begehren verfolgen?.
Die statthafte Klageart bestimmt sich nach dem Klagebegehren des Klägers, § 88 VwGO. Sollte der B gegen den Ablehnungsbescheid der zuständigen Behörde vorgehen, erhält er nicht automatisch die gewünschte Erlaubnis aus dem WaffG. Der B begehrt vielmehr den Erlass einer Erlaubnis nach dem WaffG. Diese kann er mit der Verpflichtungsklage nach § 42 II VwGO einklagen, wenn die Erlaubnis einen Verwaltungsakt nach § 35 S.1 VwVfG darstellt. Die Erteilung nach § 10 IV WaffG erfüllt alle Merkmale eines Verwaltungsaktes, sodass die Verpflichtungsklage die statthafte Klageart wäre.

Zusammenfassung

1. Mit welchem Grad der Überzeugung verfassungsfeindliche Bestrebungen bei einer Vereinigung vorliegen müssen, ist allein anhand des Waffengesetzes zu bestimmen. Bereits der Wortlaut des § 5 II Nr. 3 Buchst. b WaffG setzt voraus, dass das Verfolgen von Bestrebungen im Sinne der Vorschrift feststehen muss.

2. Die Einstufung einer Vereinigung als Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz indiziert nicht, dass zugleich die Voraussetzungen des § 5 II Nr. 3 WaffG vorliegen.

3. Die Aufbewahrung des Schlüssels zu einem Waffenschrank unterliegt denselben Anforderungen, die auch an den Waffenschrank gestellt werden.

4. Im Rahmen der Prognoseentscheidung der Unzuverlässigkeit kann ein einmaliger Verstoß gegen die Aufbewahrungspflichten grundsätzlich ausreichen, um eine Unzuverlässigkeit anzunehmen. Je schwerer die Pflichtverletzung wiegt, desto eher ist eine Unzuverlässigkeit anzunehmen.

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