
BVerfG Urt. v. 14.01.2025 – 1 BvR 548/22; BVerwG, Urt. v. 21.12.2021 – 9 B 6.21; Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18.
Sachverhalt
Bei sog. Hochrisikospielen in der Fußball-Bundesliga kommt es zu zahlreichen, teils schwersten Straftaten der Fangruppen untereinander. Die Polizeikräfte werden immer wieder gewalttätig angegangen. Die Gefahrenabwehr durch die massiven Polizeieinsätze mit zum Teil mehr als 1.000 Polizistinnen und Polizisten verursacht hohe Kosten, die von dem Land getragen werden, in dem das Hochrisikospiel stattfindet. Auch die Kosten für zusätzlich angeforderte Kräfte aus anderen Ländern bezahlt das jeweilige Land.
Im Land B bricht eine Debatte darüber aus, wie man die Profiteure des sehr lukrativen Profifußballs an den bei den Hochrisikospielen entstehenden hohen Kosten beteiligen könnte. Man einigt sich schließlich auf eine Neuregelung des Gebührengesetzes (GebG) und fügt einen neuen § 4 IV GebG ein, die sog. Veranstaltergebühr.
§ 4 IV GebG lautet jetzt:
„(4) Eine Gebühr wird von Veranstaltern erhoben, die eine gewinnorientierte Veranstaltung durchführen, an der voraussichtlich mehr als 5.000 Personen zeitgleich teilnehmen werden, wenn wegen erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen vor, während oder nach der Veranstaltung am Veranstaltungsort, an den Zugangs- oder Abgangswegen oder sonst im räumlichen Umfeld der Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird. Die Gebühr ist nach dem Mehraufwand zu berechnen, der aufgrund der zusätzlichen Bereitstellung von Polizeikräften entsteht. Der Veranstalter oder die Veranstalterin ist vor der Veranstaltung über die voraussichtliche Gebührenpflicht zu unterrichten …“
Die D-GmbH (D) organisiert und trägt die Spiele der Fußball-Bundesliga und der 2. Bundesliga aus und ist berechtigt, die Vermarktungsrechte zu verwerten. Die D hält § 4 IV GebG für verfassungswidrig. Nicht nur, fehle dem Land B die Zuständigkeit, weil die Finanzverfassung des Grundgesetzes abschließend sei. Daraus folge auch, dass die Länder keine Abgaben erfinden dürften, dem stünde die Begrenzungsfunktion des Finanzverfassungsrechts entgegen. Außerdem könnten polizeiliche Aufgaben nicht aus Gebühren finanziert werden, sondern müssten steuerfinanziert sein. Es könne ja nicht angehen, dass Einzelne (besonders Große) für den Schutz bezahlen müssten, während andere den Schutz kostenfrei bekämen.
Und wenn man darüber nachdenke, wären ja nicht die Vereine das Problem, sondern die gewaltbereiten Fans. Die D findet, diese müssten zuerst herangezogen werden.
Und überhaupt könnte man nicht eine Sache regeln, die am Ende nur die D-GmbH betreffe. Darin läge ein Verstoß gegen das Verbot von Einzelfallgesetzen. Außerdem handele es sich um eine zu unbestimmte Regelung. Es sei nicht klar, wie ein normales Spiel von einem Hochrisikospiel abzugrenzen sei.
Das Ganze würde dazu führen, dass die Grundrechte aus Arts. 3, 12 und 14 GG von D verletzt seien. Jedenfalls sei das Gesetz unverhältnismäßig, da die Allgemeinheit auch ein Interesse an der Gefahrenabwehr hätte.
B hält dem entgegen, dass gerade nicht die weiterhin kostenlos zur Verfügung stehende Grundsicherung bei Großveranstaltungen betroffen sei, die würde weiter steuerfinanziert gestemmt, auch bei Hochrisikospielen. Die D würde jedoch von den Einsätzen und den – über die normale Grundsicherung hinaus – anfallenden Kosten in hohem Maße profitieren. Sie sei als Nutznießer als Gebührenschuldner heranzuziehen. Es könne nicht den Steuerzahlenden zugemutet werden, über die kostenlose polizeiliche Grundsicherung bei Großveranstaltungen auch noch für die Sicherheit des sehr lukrativen Profifußballs bei Hochrisikospielen aufzukommen. § 4 IV GebG erfasse nur den individuell zurechenbaren Mehraufwand für Polizeieinsätze bei zu erwartenden Gewalthandlungen. Die D nehme, was tatsächlich stimmt, selbst die Einordnung in Hochrisikospiele nach den gleichen Kriterien vor. Auf Rechtsfolgenseite seien die entsprechenden Kostensätze durch Rechtsverordnung eindeutig festgelegt worden. Die D und andere Veranstalterinnen und Veranstalter von Hochrisikoveranstaltungen mit vielen Tausenden Teilnehmenden seien im Ergebnis Sondernutzer, deren Heranziehung gerechtfertigt sei. Außerdem würden die Kosten im Durchschnitt nicht mehr als 25 % des Gewinns einzelner Großveranstaltungen betragen.
Ist die Regelung des § 4 IV GebG verfassungsgemäß?
Skizze
Gutachten
A. Verfassungskonformität
§ 4 IV GebG ist verfassungskonform, wenn dieser formell und materiell verfassungsmäßig ist.
I. Formelle Verfassungsmäßigkeit
Die Vorschrift des § 4 IV GebG könnte formell verfassungswidrig sein.
1. Gesetzgebungskompetenz
Zunächst müsste das Land B die Gesetzgebungskompetenz innehaben. Gemäß Art. 70 I GG haben grundsätzlich die Länder die Gesetzgebungskompetenz, soweit nicht durch das Grundgesetz dem Bund die Gesetzgebungskompetenz übertragen ist. Eine derartige Übertragung auf den Bund könnte sich aus den Katalogen der Arts. 73, 74 GG ergeben. Eine ausdrückliche Ermächtigung zur Regelung der Kosten, die bei gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahmen entstehen, sieht das Grundgesetz nicht vor. Das Gefahrenabwehrrecht ist – gerade im Gegensatz zur Strafverfolgung – nicht dem Bund übertragen. Den Ländern obliegt es eine Regelung zum Gefahrenabwehrrecht zu treffen. Die Regelung der Gebühren von Gefahrenabwehrmaßnahmen ist zwar nicht selbst Teil der Regelung des Gefahrenabwehrrechts, aber damit eng verbunden. Die Zuständigkeit der Länder für den Erlass des GebG könnte sich insoweit als Annexkompetenz zum Gefahrenabwehrrecht ergeben.[1]BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18, Rn. 18. Mithin steht den Bundesländern gem. Art. 70 I GG eine Kompetenz zur Regelung der Kosten für gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen zu, soweit keine anderen Kompetenzen des Bundes bestehen.
Vernetztes Lernen: Welche ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenzen gibt es?Klassischerweise wird von drei ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenzen ausgegangen: Der Kompetenz kraft Sachzusammenhang, die Kompetenz kraft Natur der Sache und die Annexkompetenz.
Eine Kompetenz kraft Sachzusammenhang ergibt sich, wenn eine „ausdrücklich zugewiesene Materie verständigerweise nicht geregelt werden kann, ohne dass zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene andere Materie mitgeregelt wird, wenn also ein Übergreifen in nicht ausdrücklich zugewiesene Materien unerlässliche Voraussetzung ist, für die Regelung einer der Bundesgesetzgebung zugewiesenen Materie.“[2]BVerfG NJW 1999, 841, 842.
Eine Zuständigkeit aus Annexkompetenz betrifft Fälle, in denen dem Bund eine Regelungsmaterie zugewiesen ist und dieser darüberhinausgehend auch die Stadien der Vorbereitung und Durchführung mitregeln muss /möchte. Dem materiell zugewiesenen Gehalt folgen also auch die Zuständigkeit für die zur Umsetzung notwendigen Normen.[3]Seiler in Epping/Hillgruber (Hrsg.), GG, 59. Ed., Stand: 15.09.2024, Art. 70 Rn. 23.
Demgegenüber betreffen Fälle der ungeschriebenen Kompetenz kraft Natur der Sache solche Angelegenheiten, die begriffsnotwendig nur vom Bund geregelt werden können.[4]Seiler in Epping/Hillgruber (Hrsg.), GG, 59. Ed., Stand: 15.09.2024, Art. 70 Rn. 24. Davon umfasst sind die Nationalhymne oder die Flagge des deutschen Bundes.
a) (P) Veranstaltergebühr als Steuer
Die Zuständigkeit zum Erlass einer Regelung wie in § 4 IV GebG könnte durch die spezielleren Normen des Finanzverfassungsrechts, Arts. 104a ff. GG, an den Bund übertragen worden sein. Das Finanzverfassungsrecht regelt u.a. die Kostenteilung zwischen Bund und Ländern, als auch die Zuständigkeit für den Erlass von Steuern (Arts. 105 ff. GG). Würde es sich also bei § 4 IV GebG um eine Steuer im Sinne des Finanzverfassungsrechts handeln, wären die Regelungen der Arts. 105 ff. GG anzuwenden. Dafür ist es notwendig zwischen Steuern und insbesondere Gebühren als unterschiedliche Formen der öffentlichen Abgaben zu unterscheiden. Gebühren unterfallen nicht den Arts. 105 ff. GG.
Steuern sind hoheitlich auferlegte Geldleistungen, die keine Gegenleistung für eine besondere Leistung des Staates darstellen, §3 I AO. Als Gebühren lassen sich öffentlich-rechtliche Geldleistungen verstehen, die aus Anlass individuell zurechenbarer Leistungen durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder eine sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und insbesondere dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistungen deren Kosten ganz oder teilweise zu decken oder deren Vorteil oder deren Wert auszugleichen.[5]BVerfG Urt. v. 14.01.2025 – 1 BvR 548/22, Rn. 61.
Die Veranstaltergebühr errechnet sich ausweislich des Wortlauts der Norm nach dem zusätzlichen Mehraufwand, der über die normalerweise bereitzustellende Gefahrenabwehr hinaus, entsteht. Es handelt sich also um eine konkrete Gegenleistung für die hier Kosten auferlegt werden und für die staatlicherseits spezifische Aufgaben erbracht werden.[6] BVerfG Urt. v. 14.01.2025 – 1 BvR 548/22, Rn. 62. Es handelt sich damit nicht um eine Steuer, sondern um eine Gebühr. Es liegt daher keine Bundeskompetenz aus dem Finanzverfassungsrecht vor.
Vernetztes Lernen: Welche Formen öffentlicher Abgaben gibt es neben Steuern?Gebühren: Entgelt für eine konkrete staatliche Leistung, z.B. Verwaltungsgebühr, Benutzungsgebühr
Beiträge: Kostenbeteiligung für die (bloße) Möglichkeit, eine staatliche Leistung in Anspruch zu nehmen, z.B. Rundfunkbeiträge
b) Ergebnis
Das Land B war damit zuständig für den Erlass der Norm.
2. Verfahren und Form
Anhaltspunkte für Verstöße gegen die Verfahrens- und Formvorschriften des Gesetzgebungsverfahrens sind nicht ersichtlich.
3. Ergebnis
§ 4 IV GebG ist formell verfassungskonform ergangen.
II. Materielle Verfassungsmäßigkeit
Das Gesetz müsste weiterhin materiell verfassungskonform sein.
1. Unzulässiges Einzelfallgesetz
Zunächst könnte es sich um ein unzulässiges Einzelfallgesetz gem. Art. 19 I 1 GG handeln.
Ein solches liegt vor, wenn eine Vorschrift nicht abstrakt-generell, sondern lediglich auf einen konkreten Fall bezogen ist. Diese Anforderungen sind dann erfüllt, wenn sich aufgrund der Fassung des gesetzlichen Tatbestands nicht absehen lässt, auf wie viele und welche Fälle sich das Gesetz anwenden lässt.[7]Enders in Epping/Hillgruber (Hrsg.), GG, 59. Ed., Stand: 15.09.2024, Art. 19 Rn. 8 f. Sondern, dass im Ergebnis zur Zeit des Erlasses der Regelung nur ein Sachverhalt mit dem Gesetz geregelt werden soll und auch in Zukunft kein Sachverhalt denklogisch folgt.
Der Wortlaut der in Frage stehenden Regelung ist zunächst ausreichend abstrakt formuliert. Das Gesetz knüpft an einen Sachverhalt an, der in unterschiedlicher Ausformung entstehen kann. Art. 19 I 1 GG soll nicht davor schützen, dass ein Gesetz nur einen Fall betrifft.[8] BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18, Rn. 19. Vielmehr soll die Regelung davor schützen, dass bei mehreren gleich gelagerten Fällen durch den Gesetzgeber ein Einzelfall herausgegriffen und gesondert geregelt werden könnt. Hier ist eine Regelung geschaffen worden für Fälle, die in unterschiedlichen Zusammenhängen entstehen könnten. Bedenken, wie sie D formuliert hat, bestehen nicht.[9]In Bezug auf diesen Punkt war die Verfassungsbeschwerde unzulässig: BVerfG Urt. v. 14.01.2025 – 1 BvR 548/22, Rn. 42.
2. Bestimmtheitsgebot
Jedoch könnte ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot vorliegen. Das Bestimmtheitsgebot ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 III GG und verlangt, dass der Inhalt von Normen eindeutig bestimmbar ist.[10]Ausführlich: Rux in BeckOK Grundgesetz, Epping / Hillgruber, 59. Ed., Stand 15.09.2024, Art. 20 GG Rn. 182 ff. Regelung und Rechtsfolge müssen jedenfalls durch die Anwendung der bekannten Auslegungsmethoden unzweifelhaft ermittelt werden können. Damit kommt es auf die Bestimmbarkeit des Inhalts an (angemessene Regelungsdichte), wodurch eine willkürliche Handhabung durch die Behörden ausgeschlossen wird.[11]BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18, Rn. 42; BVerfG Urt. v. 14.01.2025 – 1 BvR 548/22, Rn. 110 ff.
Hier könnten die folgenden Begriffe zu unbestimmt sein: „Gewalthandlungen“, „erfahrungsgemäß“, „vor während oder nach der Veranstaltung“ und „der Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird“.
Der Begriff Gewalthandlungen erscheint jedoch in Anlehnung an strafrechtliche Delikte, wie Körperverletzung (§ 223 StGB), Sachbeschädigung (§ 303 StGB), aber auch den besonders schweren Landfriedensbruch (§ 125a StGB) einer Auslegung zugänglich. Der Begriff verlangt zudem eine Häufung von mehr als nur vereinzelten Fällen. Der Begriff ist mithin eindeutig bestimmbar.
Auch der Begriff „erfahrungsgemäß“ lässt sich interpretieren: Wenn nachprüfbare Tatsachen vorliegen, die in der Vergangenheit auftraten und die man auf eine Situation in der Zukunft übertragen kann, kann man von einer Einschätzung sprechen, die ein Eintreten „erfahrungsgemäß“ wahrscheinlich erscheinen lässt. Der Begriff ist mithin auch nicht unbestimmt. Zudem wird durch das Merkmal „Vor, während oder nach der Veranstaltung“ ein räumlich zeitlicher Zusammenhang zu der vom Gebührenschuldner organisierten Veranstaltung verlangt.
Zuletzt könnte die Anforderung, dass der „Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird“ zu unbestimmt sein. Es ist zunächst nicht offensichtlich, was die Vergleichsgröße für die Berechnung ist. Doch lässt sich aus dem Sinn und Zweck der Norm herleiten, dass es um einen Vergleich zwischen einer Veranstaltung in vergleichbarer Größenordnung bei friedlichem Verlauf handelt. Auch die Veranstaltenden von gewinnorientierten Veranstaltungen mit mehr als 5.000 Teilnehmenden verfügen regelmäßig über Bewertungsverfahren für die Risikoeinschätzung einer Veranstaltung. Auch die polizeilich vorzunehmende Gefahrenprognose – auf die es letzten Endes ankommt – unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle.
Darüber hinaus muss auch die Gebührenhöhe für die Gebührenschuldner ausreichend bestimmbar sein, bevor man eine Veranstaltung durchführt. Hier könnte es problematisch sein, dass die polizeilichen Einschätzungen von Fall zu Fall variieren können und der Gebührenschuldner keinen Einfluss auf die polizeilichen Entscheidungen hat. Die genaue Höhe kann dementsprechend nicht vorab errechnet werden. Jedoch sind die Bemessungsfaktoren bekannt und ausreichend klar erkennbar und vorhersehbar, sodass es für die Betroffenen möglich ist, eine wesentliche Schätzung im Vorhinein abzugeben. Schließlich hängt die abschließende Summe auch von der Zahl der Einsatzstunden ab, welche durch die Lage vor Ort verändert sein kann.[12]Dazu auch: BVerfG Urt. v. 14.01.2025 – 1 BvR 548/22, Rn. 114.
Die Norm genügt den Anforderungen an die Bestimmtheit des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 III GG.
3. Unzulässige Anknüpfung an Nichtstörer
Fraglich ist, ob die Auferlegung der Kosten zu Lasten der Veranstalter:innen gegen allgemeine Verfassungsprinzipien verstößt.
a) Überlagernde allgemeine Pflicht des Staates zur Herstellung von Sicherheit?
Die D argumentierte, dass die Gewährleistung der Sicherheit eine öffentliche Pflicht begründete und deshalb die Kosten aus dem allgemeinen Steueraufkommen zu finanzieren seien. Fraglich ist, ob der Verfassung Prinzipien oder Grundsätze zu entnehmen sind, die dies begründen könnten.
Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, wonach staatliches Tätigwerden aus Steuern finanziert werden muss. Es ist zwar richtig, dass der Staat zur Gewährleistung von Sicherheit verpflichtet ist, um die Grundrechte der Bürger:innen zu schützen, insbesondere das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 II 1 GG. Fraglich ist, ob daraus jedoch auch ein Anspruch auf ein steuerfinanziertes Tätigwerden hergeleitet werden kann.
Betrachtet man die bestehenden Regelungen der Finanzierung von öffentlich-rechtlichem gefahrenabwehrrechtlichem Tätigwerden der Behörden, sieht man, dass in den Bundesländern und im Bund umfangreiche Regelungen zur Kostentragung auch in den Fällen bestehen, in denen der Staat seinen grundrechtlichen Schutzpflichten nachgeht (z.B. Auferlegung von Kosten für Polizei oder Feuerwehreinsätze auf Störer, Auferlegung von Kosten für Abrissbescheide im baurechtlichen Gefahrenabwehrrecht). Besonders deutlich wird dies, wenn man die gerichtliche Gebührenerhebung in den Blick nimmt. Es ist unstreitig, dass der Staat aus den Arts. 92 ff. GG verpflichtet ist die staatliche Organisation von Gerichten zu übernehmen und auch die Leistungsfähigkeit der Justiz sicherstellen muss. Damit verbunden ist jedoch keine Pflicht, dass die Kosten für die Inanspruchnahme der Gerichte aus dem Steueraufkommen finanziert werden müssen. Vielmehr ist es zulässig, Gerichtsgebühren zu erheben. Es ist sogar verfassungsrechtlich zulässig in Strafverfahren dem verurteilten Straftäter oder der unterliegenden Partei in verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Gebühren für das Verfahren aufzuerlegen,[13]BVerfG Urt. v. 14.01.2025 – 1 BvR 548/22, Rn. 76 mit Verweis auf BVerfG Urt. v. 09.05.1989 – 1 BvL 35/86. obwohl die Strafverfolgung und die Möglichkeit der Anrufung des Gerichts zu den staatlichen Kernaufgaben gehört.
Während das BVerwG diesbezüglich noch festhielt, dass gegen eine Trennung von allgemeinen Kosten polizeilicher Gefahrenabwehr und besonderen Leistungen der Sicherheitsvorsorge keine Bedenken bestehen,[14]BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18, Rn. 28; so ähnlich auch: BVerfG Urt. v. 14.01.2025 – 1 BvR 548/22, Rn. 71. hat das BVerfG sogar betont, dass es noch nicht einmal eine Pflicht gibt, dass Leistungen des Staates, selbst solche, auf die ein Anspruch besteht (vom BVerfG als „staatliche Kernaufgabe“ bezeichnet), aus Steuern finanziert sein müssen.[15]BVerfG Urt. v. 14.01.2025 – 1 BvR 548/22, Rn. 74 ff.
Aus der Verfassung ergibt sich nicht, dass bestimmte Leistungen vom Staat ohne Gebührenerhebung gewährleistet werden müssen. Zweifellos ist die Gebührenerhebung bei Störern zulässig. Der Umfang der vom Staat umlagefinanziert vorzuhaltenden Institutionen ist sehr begrenzt. Insbesondere in Bezug auf Mehrkosten, die sich aus einer Sondersituation ergeben, gibt es von Verfassungs wegen keine Vorgaben zur Art der Kostenerhebung.
b) Begrenzung nichtsteuerlicher Abgaben
Eine unzulässige Gebührenerhebung könnte sich aber dann ergeben, wenn der Anknüpfungspunkt der Gebührenerhebung den Verursacher:innen nicht ausreichend konkret zugerechnet werden könnte.
Anmerkung: Prüfungsstandort und Finanzverfassungsrecht als PrüfungsstoffDas Finanzverfassungsrecht ist in mehreren Bundesländern nicht Teil des Prüfungsstoffes fürs Examen. Die Grundbegriffe (wie Abgaben [Steuern, Gebühren, Beiträge]) gehören aber zum allgemeinen Teil des Staatsrechts dazu.
Auch die Erhebung nicht-steuerlicher Abgaben unterliegt finanzverfassungsrechtlichen Beschränkungen. Dem Finanzverfassungsrecht der Arts. 104a ff. GG kann auch eine Begrenzungs- und Schutzfunktion gegenüber überbordenden finanziellen Belastungen durch nicht-steuerliche Abgaben entnommen werden. Um dem gerecht zu werden, muss für die Erhebung einer Abgabe ein über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehende besondere sachliche Rechtfertigung gegeben sein.[17]BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18, Rn. 21; etwas anders: BVerfG Urt. v. 14.01.2025 – 1 BvR 548/22, Rn. 87 ff.
Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Gebührenerhebung ist, dass zwischen der kostenverursachenden Leistung und dem Gebührenschuldner eine besondere Beziehung besteht, die es gestattet, ihm oder ihr die Amtshandlung individuell zuzurechnen.[18]BVerfG Urt. v. 14.01.2025 – 1 BvR 548/22, Rn. 87 ff. Dies kann insbesondere bei einer das übliche Maß überschreitenden „Sondernutzung“ öffentlicher Sachen mit einer besonderen Inanspruchnahme begrenzter staatlicher Ressourcen anzunehmen sein.[19]BVerfG Urt. v. 14.01.2025 – 1 BvR 548/22, Rn. 89. Durch die Möglichkeit der individuellen Zurechenbarkeit ergibt sich die Rechtfertigung dafür, dass man die Leistung nicht aus allgemeinen Steuermitteln erbringt. Fraglich ist, ob den Leistungsschuldnern der Regelung des § 4 IV GebG die Leistungen individuell zugerechnet werden können.
aa) Individuelle Zurechenbarkeit
Die Leistungen wären den Gebührenschuldnern individuell jedenfalls zuzurechnen, wenn sie Störer i.S.d. Gefahrenabwehrrechts wären. Störer ist diejenige Person, die die Gefahr unmittelbar herbeigeführt hat und damit selbst und in eigener Person die Gefahrenschwelle überschritten hat.[20]Lindner in BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Möstl/Schwabenbauer, 16. Edition, Stand: 15.03.2021, Rn. 23 f.
Es ließe sich zunächst überlegen, ob eine Person, die eine solche Veranstaltung ausrichtet, eine derartig unkontrollierbare Gemengelage schafft, dass sie selbst zum Verhaltensstörer wird. Jedoch führt die Organisation einer solchen Veranstaltung nicht bereits zwangsläufig zu Ausschreitungen, die von Personen bei der Veranstaltung ausgehen, auf welche die Organisator:innen auch keinen Einfluss haben.
Jedoch könnte es sich bei den Organisator:innen einer vom Gesetz umfassten Veranstaltung um Zweckveranlasser handeln.
Als Zweckveranlasser wird eine Person bezeichnet, der eine Gefährdung oder Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch Dritte aufgrund einer eigenen, für sich betrachtet rechtmäßigen bzw. neutralen Handlung zugerechnet wird.[21]Lindner in BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Möstl/Schwabenbauer, 16. Edition, Stand: 15.03.2021, Rn. 32; siehe zu einem Fall zum Zweckveranlasser: … Continue reading
Umstritten ist, ob der Zweckveranlasser subjektiv bezwecken muss, dass eine Gefahr verursacht wird oder ob das objektiv gefahrerhöhende Verhalten ausreicht.[22]Genau deswegen hatte sich der Gesetzgeber in der dem Fall zu Grunde liegenden Konstellation dagegen entschieden, auf das Konstrukt zurückzugreifen, BVerfG Urt. v. 14.01.2025 – 1 BvR 548/22, Rn. … Continue reading Von der Norm sind nur diejenigen Organisator:innen betroffen, die einen Raum eröffnen, den – nach langjähriger Erfahrung, erwartungsgemäß – einzelne hinzutretende Dritte für ihre (gewalttätigen) Zwecke nutzen. Ob dies ausreicht, um von den Veranstaltenden als Zweckveranlasser auszugehen, ist umstritten.[23]Zu den unterschiedlichen Ansichten: BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18, Rn. 37. Diese Frage kann jedoch offen bleiben, wenn die Veranstalter:innen als Nutznießer herangezogen werden könnten.
bb) Nutznießer
Die Organisator:innen einer entsprechenden Veranstaltung könnten hier Nutznießer der polizeilichen Mehraufwendungen sein. Nutznießer ist derjenige, der einen Vorteil durch die staatliche Maßnahme erlangt. Die Veranstalter:innen der von der Vorschrift betroffenen Veranstaltungen, profitieren von den staatlichen Leistungen.
Der Gedanke eines Vorteilsausgleichs ist dem Verfassungsrecht und dem Gebührenrecht auch nicht fremd. Es gibt auch im Gefahrenabwehrrecht keinen Grundsatz, dass man bestimmte Kosten nur dem Störer auferlegen darf,[24]BVerfG Urt. v. 14.01.2025 – 1 BvR 548/22, Rn. 101. wie es die D behauptet.
Damit der Nutznießer herangezogen werden kann, muss jedoch das eben beschriebene besondere Näheverhältnis zwischen Gebührenschuldner und der Inanspruchnahme bestehen, welches die Zurechnung begründet.[25]BVerfG Urt. v. 14.01.2025 – 1 BvR 548/22, Rn. 99 ff.
Die individuelle Zurechenbarkeit könnte sich hier daraus ergeben, dass der Erfolg der Veranstaltungen gerade auf der Sicherheit der Veranstaltungen beruht. Die gewinnorientierten Veranstaltungen mit mehr als 5.000 Personen könnten – ohne einen Mehraufwand bei der Polizei – darunter leiden, dass durch die gewalttätigen Störer auch andere Besucher:innen nicht sicher zum Veranstaltungsort kommen können.[26]BVerfG Urt. v. 14.01.2025 – 1 BvR 548/22, Rn. 100 ff. Es könnte gar sein, dass einzelne Veranstaltungen dieser Art abgebrochen werden müssten oder nicht in der Form durchgeführt werden könnten, wenn die im Interessenkreis der Veranstalter:innen entstehenden Gefahren nicht von der Polizei kontrolliert würden. Dass neben den Interessen der Veranstalter:innen auch öffentliche Interessen berührt sind, schließt ein vorrangig privates Interesse keineswegs aus.[27]So auch OVG Bremen NVwZ 2018, 913, 914 f. Die Veranstalter:innen erlangen durch die Risikominimierung einen wirtschaftlichen Vorteil, den sie sonst auf eigene Kosten herstellen müssten.
Indem sie eine Veranstaltung durchführen, bei der erfahrungsgemäß Gewalthandlungen in erheblichem Maße zu erwarten sind (Hochrisikoveranstaltung), veranlassen die Veranstalter:innen eine deutlich gesteigerte staatliche Sicherheitsvorsorge, nehmen damit begrenzte öffentliche Ressourcen in deutlich übermäßigem Umfang in Anspruch und begründen so ein Näheverhältnis zu der erbrachten staatlichen Leistung.[28]Vgl. BVerfG Urt. v. 14.01.2025 – 1 BvR 548/22, Rn. 94.
Dass also für den Zeitraum und den Ort der Veranstaltung die Veranstalter:innen als Nutznießer herangezogen werden können, begegnet keinen Bedenken. Anders könnte dies in Bezug auf die An- und Abfahrtswege sein. Auf der einen Seite gehören die An- und Abfahrtswege nicht mehr zu dem Bereich, den die Veranstalter:innen unmittelbar kontrollieren können – bzw. deren Kontrolle man mit eigenem Personal erwarten könnte. Doch auch hier können die Veranstalter:innen die Gewinne nur wegen des massenhaften Besuchs der Veranstaltung generieren. Die Sicherung der An- und Abfahrtswege ist gerade bei besonders gefährlichen Fangruppen (wie man sie z.B. im Fußball antrifft [Hooligans]) notwendiger Bestandteil der Sicherung des Veranstaltungsortes. Die Großveranstalter:innen stehen deutlich näher an der Leistung als die Allgemeinheit.[29]Denz, HanLR 2018, 282, 285. Die für eine Gebühr erforderliche individuelle Zurechenbarkeit ist mithin insgesamt gegeben.
cc) Ergebnis
Die Veranstalter:innen können mithin als Nutznießer des polizeilichen Mehraufwands in Anspruch genommen werden. Mithin verstößt eine derartige Gebühr auch nicht gegen die Begrenzungsfunktion des Finanzverfassungsrechts.
4. Verstoß gegen Grundrechte
Jedoch könnte die Norm gegen Grundrechte verstoßen.
a) Eigentumsfreiheit
Ein Verstoß gegen Art. 14 I GG kommt in Betracht, wenn die Vorschrift über Gebühr in die Eigentumsfreiheit der Betroffenen eingreift. Die Eigentumsfreiheit schützt jedoch nicht gegen die Auferlegung von Geldleistungspflichten, die aus dem Vermögen als solches und nicht aus einem bestimmten Eigentumsobjekt beglichen werden müssen. Umstritten ist außerdem, ob der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb von Art. 14 I GG geschützt ist. Dieser schützt jedoch insbesondere den Bestand an vermögenswerten Rechten und richtet sich nicht auf das Vermögen als solches. Damit ist der Schutzbereich hier nicht betroffen.[30]Zum Ganzen Absatz: BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18, Rn. 68.
b) Berufsfreiheit
Die Vorschrift könnte jedoch gegen die Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG verstoßen.
aa) Schutzbereich
Dafür müsste zunächst der sachliche Schutzbereich eröffnet sein. Art. 12 I GG schützt jede auf Dauer angelegte Tätigkeit, zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage, die nicht schlechthin gemeinschädlich ist.[31]Ruffert in BeckOK Grundgesetz, Epping / Hillgruber, 59. Ed., Stand 15.09.2024, Art. 12, Rn. 40. Umfasst ist dementsprechend auch die Durchführung von gewinnorientierten Veranstaltungen.
bb) Eingriff
In den Schutzbereich des Art. 12 I GG müsste durch die Regelung eingegriffen worden sein. Nach dem modernen Eingriffsbegriff liegt ein Eingriff bei jedem staatlichen Handeln vor, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht.[32]BVerfGE 105, 279, 299 ff.
Öffentliche Abgaben stellen jedoch im Regelfall weder nach dem klassischen noch nach dem modernen Eingriffsbegriff einen Eingriff dar. Es handelt sich lediglich um die Änderung der Rahmenbedingungen. Der Schutz vor derartig mittelbaren Eingriffen ist allerdings dann gegeben, wenn die Vorschrift berufsregelnde Tendenzen aufweist, welche den Schwerpunkt beruflich ausgeübter Tätigkeiten betrifft.[33]Ruffert in BeckOK Grundgesetz, Epping / Hillgruber, 59. Ed., Stand 15.09.2024, Art. 12, Rn. 55. Die aus der Norm resultierende Belastung durch einen Gebührenbescheid kann unmittelbaren Einfluss auf die Durchführung eines Bundesligaspiels haben, indem zur Refinanzierung die Ticketpreise erhöht oder zur Vermeidung weiterer Kosten weniger Tickets verkauft werden.[34]Schiffbauer, Unhaltbar? Zum Bremer Vorstoß einer Kostentragungspflicht für Polizeieinsätze im Profifußball, NVwZ 2014, 1282, 1284. Die jeweils auf Grundlage des Gesetzes erlassenen Gebührenbescheide lagen auch mit mehreren Hundertausenden Euro in einem Bereich, der eine relevante Verschiebung der Grundlagen der Berufsausübung darstellen kann und damit berufsregelnde Tendenz hat. Gewinnorientierte Großveranstaltungen, wie in der Vorschrift anvisiert, werden regelmäßig beruflich organisiert. Ein Eingriff liegt damit vor.
cc) Rechtfertigung
Der Eingriff könnte jedoch gerechtfertigt sein. Dazu müsste die Regelung insbesondere verhältnismäßig sein. Die Anforderungen an die Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 12 I GG richten sich nach der sog. 3-Stufen-Theorie. Auf der ersten Stufe steht ein Eingriff, welcher die Berufsausübung betrifft. Auf der zweiten Stufe stehen subjektive Berufswahlbeschränkungen und auf der dritten Stufe objektive Berufswahlbeschränkungen.[35]Zum Ganzen: Ruffert in BeckOK Grundgesetz, Epping / Hillgruber, 59. Ed., Stand 15.09.2024, Art. 12, Rn. 93 ff. Hier ist lediglich die Berufsausübung betroffen und damit liegt ein Eingriff in die erste Stufe der Berufsausübung vor. Zur Rechtfertigung von Eingriffen auf der ersten Stufe müssen vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls vorliegen.[36]BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18, Rn. 69.
Anmerkung: Verwendung der 3-Stufen-Theorie durch das BVerfG?(1) Legitimes Ziel
Der Gesetzgeber müsste ein legitimes Ziel verfolgen. Mit der Veranstaltergebühr verfolgt der Gesetzgeber das Ziel Kostendeckung für eine konkrete öffentliche Leistung, also im Ergebnis das Ziel einer gerechten Kostenverteilung, die die Allgemeinheit nicht belastet.[37]BVerfG Urt. v. 14.01.2025 – 1 BvR 548/22, Rn. 68 ff.
Anmerkung: Vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls = legitimes ZielDie Regelung zielt ersichtlich darauf ab, die durch die Durchführung der beschriebenen Veranstaltungen entstandenen Mehrkosten der Polizei auf die Veranstalter:innen abzuwälzen, um auf diese Weise einen Lastenausgleich zu erreichen.[39]vgl. BVerfG Urt. v. 14.01.2025 – 1 BvR 548/22, Rn. 69. Die zuletzt immens gestiegenen Kosten sollen nicht zu Lasten der Allgemeinheit gehen, gerade bei gewinnorientierten Veranstaltungen. Der wirtschaftlich Begünstigte soll zur Lastentragung herangezogen werden. Schließlich wird die Gebührenhöhe im Regelfall in einem angemessenen Verhältnis zum – auch dank des verstärkten Polizeieinsatzes – realisierbaren Gewinns stehen.[40] BVerfG Urt. v. 14.01.2025 – 1 BvR 548/22, Rn. 69; BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 – 9 C 4.18, Rn. 69. Die Kosten entsprechen der erbrachten öffentlichen Leistung. Darüber hinaus werden den Veranstalter:innen nur die Mehrkosten auferlegt.[41]OVG Bremen NVwZ 2018, 913 (918) Dabei handelt es sich um vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls, welche zur Rechtfertigung ausreichen.
(2) Geeignetheit und Erforderlichkeit
Die Maßnahme müsste auch geeignet sein. Der § 4 IV GebG müsste die Zielerreichung also zumindest fördern. Die Schaffung des § 4 IV GebG ermöglicht die Kostenerhebung für den Mehraufwand bei besonders risikogeneigten gewinnorientierten Veranstaltungen. Damit wird nicht nur die Allgemeinheit vor den Kosten bewahrt, sondern werden diese auch den wirtschaftlichen Nutznießern sowie Verursacherinnen und Verursachern auferlegt. Die Regelung ist damit geeignet, das legitime Ziel zu fördern. Ein weniger eingriffsintensives gleich geeignetes Mittel, mit dem die Allgemeinheit von der Lastentragung der Mehrkosten befreit wird, ist nicht ersichtlich, die Maßnahme ist deshalb auch erforderlich.
(3) Angemessenheit
Zuletzt dürfte § 4 IV GebG nicht unangemessen sein. Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordert, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen. Um dem Übermaßverbot zu genügen, müssen hierbei die Interessen des Gemeinwohls umso gewichtiger sein, je empfindlicher die Einzelnen in ihrer Freiheit beeinträchtigt werden.[42]BVerfG Urt. v. 14.01.2025 – 1 BvR 548/22, Rn. 81 ff.
Der Eingriff durch die Gebührenerhebung ist angesichts der möglicherweise erheblichen finanziellen Belastung gewichtig. Allerdings wird die Gebühr nur bei Veranstaltungen erhoben, die mit Gewinnerzielungsabsicht durchgeführt werden. Auf der anderen Seite können die gebührenpflichtigen Veranstalter:innen im Ergebnis, weil sie keinen Einfluss auf die tatsächlich entstehenden Gefahren und notwendigen Maßnahmen haben, nicht sicherstellen, dass die möglicherweise zu erhebenden Gebühren über den für die Durchführung notwendigen Kosten liegen.[43]BVerfG Urt. v. 14.01.2025 – 1 BvR 548/22, Rn. 83.
Der Zweck der wirtschaftlichen Heranziehung der Nutznießer, als den sinngemäßen Veranlasser und Profiteur dieser Kosten, kann dazu beitragen, eine gerechte Kostenverteilung zu erreichen. Eine gerechte Kostenverteilung ist für ein Gemeinwesen und für den sozialen Frieden von erheblicher Bedeutung.[44]BVerfG Urt. v. 14.01.2025 – 1 BvR 548/22, Rn. 84.
Im Einzelfall kann zwar das Allgemeininteresse an der Durchführung auch von gewinnorientierten Veranstaltungen das Interesse an einer gerechten Kostenverteilung überwiegen. Würde die Wirtschaftlichkeit der Durchführung solcher dem Gemeinwohl bzw. der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben dienenden Veranstaltungen durch die Gebührenpflicht aufgehoben, könnte dieser Punkt erreicht und die Gebührenpflicht nicht mehr gerechtfertigt sein. Dazu gibt es jedoch bisher keine Anhaltspunkte, da die Kosten bisher im Durchschnitt 25 % des Gewinns betrugen.
Insbesondere berücksichtigt die Vorschrift den notwendigerweise engen Zurechnungszusammenhang und gibt den Veranstalter:innen nur den bei besonders risikogeneigten Spielen entstehenden Mehraufwand auf.
Die mit der Gebührenerhebung verbundenen Belastungen gehen auch nicht so weit, dass sie die Veranstalter:innen von einem grundrechtlich geschützten Verhaltens abschrecken oder die Ausübung unzumutbar beeinträchtigen würden.
Im Ergebnis ist die Vorschrift angemessen. Mithin ist der Eingriff in Art. 12 I GG gerechtfertigt.
c) Verstoß gegen Gleichheitsrechte
Die Regelung könnte jedoch einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 I GG darstellen.
aa) Ungleichbehandlung
Dafür müsste zunächst eine Ungleichbehandlung vorliegen. Durch den allgemeinen Gleichheitssatz müssen Akte der öffentlichen Gewalt wesentlich Gleiches gleich und wesentliches Ungleiches ungleich behandeln.[45]Kischel in BeckOK Grundgesetz, Epping / Hillgruber, 59. Ed., Stand 15.09.2024, Art. 3, Rn. 15 ff. Im Vergleich zu Veranstaltungen mit weniger als 5.000 Personen, die friedlich und nicht gewinnorientiert organisiert werden, liegt in Hinblick auf jedes Merkmal eine Ungleichbehandlung durch das Gesetz vor.
bb) Sachliche Rechtfertigung
Diese Ungleichbehandlung könnte jedoch gerechtfertigt sein. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen.[46]Vgl. BVerfG Urt. v. 14.01.2025 – 1 BvR 548/22, Rn. 117. Gebührentatbestände unterliegen aus Gleichheitsgesichtspunkten wegen des sie als Vorzugslast prägenden Ausgleichscharakters grundsätzlich keinen hohen Rechtfertigungsanforderungen.[47]Ebd. Rn. 122. Die Prüfung beschränkt sich hier auf die Einhaltung des Willkürverbots.
(1) Großveranstaltung
Zwischen großen und kleinen Veranstaltungen zu unterscheiden, müsste sachlich gerechtfertigt sein. Eine Grenzziehung (irgendeiner Art) zwischen kleineren und großen Veranstaltungen ist notwendig. Fraglich ist, ob die Zahl von 5.000 Personen zu diesem Zweck angezeigt ist. Dabei eine Unterscheidung zwischen Veranstaltungen, welche eine Teilnehmerzahl von mehr als 5.000 Personen haben und solchen darunter erscheint unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, dass sich hieran die Vermutung knüpfen lässt, dass derartige Veranstaltungen professionell-beruflich organisiert werden. Diese Schwelle wird auch in § 1 I Nr. 3 MusterversammlungsstättenVO verwendet, was zur Einheitlichkeit der Rechtsordnung beiträgt. Die Differenzierung ist sachlich gerechtfertigt.
(2) Ausschluss nicht-kommerzieller Veranstaltungen
Der Unterschied zwischen kommerziellen und nicht-kommerziellen Veranstaltungen wird häufig darin liegen, dass nicht-kommerzielle Anbieter keinen wirtschaftlichen Vorteil aus der Veranstaltung ziehen, welchen man abschöpfen könnte. Das Ziel des Gesetzes, die Nutznießer zur Kostentragung heranzuziehen, könnte hier nicht erreicht werden. Darin liegt ein sachlicher Grund, der die Ungleichbehandlung rechtfertigen kann.
(3) Friedliche Veranstaltung
Bei friedlichen Veranstaltungen bedarf es – im Gegensatz zu unfriedlichen Veranstaltungen – nur einem normalen Aufwand bei der Gefahrenabwehr. Unfriedliche Veranstaltungen stellen gerade zusätzliche Anforderungen für die über das normale Maß hinausgehender Aufwand betrieben werden muss. Darin liegt ein sachlicher Grund, der die Ungleichbehandlung rechtfertigt.
cc) Doppelabrechnung
Einer Rechtfertigung könnte es jedoch entgegenstehen, wenn die Regelung zu einer Doppelabrechnung führen würde, sodass die öffentliche Hand hierdurch zwei Mal „entlastet“ werden würde. Dieses Gebot der Folgerichtigkeit setzt voraus, dass Kosten, die anderen (insbesondere einzelnen Störern) in Rechnung gestellt werden könnten, auch von diesen getragen werden müssen. Diese Frage ist jedoch nicht im Gesetz entscheidend angelegt, sondern wird in der Anwendung im Einzelfall nachzuprüfen sein.
dd) Ergebnis Rechtfertigung
Der Eingriff in Art. 3 I GG ist damit gerechtfertigt.
d) Ergebnis: Grundrechtsverstoß
Mithin ist kein Grundrechtsverstoß ersichtlich.
5. Ergebnis: Materielle Rechtmäßigkeit
Die Regelung des § 4 IV GebG ist damit materiell rechtmäßig.
B. Ergebnis
Die Regelung des § 4 IV GebG ist sowohl formell als auch materiell rechtmäßig und ist demnach verfassungskonform.
Zusatzfrage
Kann die Figur des Zweckveranlassers bei Versammlungen uneingeschränkt angewendet werden?Als Zweckveranlasser wird eine Person bezeichnet, der eine Gefährdung oder Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch Dritte aufgrund einer eigenen, für sich betrachtet rechtmäßigen bzw. neutralen Handlung zugerechnet wird.[48]Lindner in BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Möstl/Schwabenbauer, 16. Edition, Stand: 15.03.2021, Rn. 32.
Umstritten ist, ob der Zweckveranlasser subjektiv bezwecken muss, dass eine Gefahr verursacht wird oder ob das objektiv gefahrerhöhende Verhalten ausreicht.
Jedenfalls bedarf es aber einer weiteren Einschränkung: Könnten Versammlungen oder politische Veranstaltungen als Zweckveranlasser uneingeschränkt zum Adressat von polizeilichen Anordnungen gemacht werden, würde es ausreichen, eine gewaltsame Gegendemo (oder ähnliches) zu organisieren, um ein Verbot einer Versammlung zu erzwingen. Dann müssten diejenigen, die eine friedliche Veranstaltung abhielten, diese abbrechen, weil die Gegendemonstrant:innen zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit würden. Damit obläge es den Gegendemonstrant:innen, ob eine Veranstaltung stattfindet oder nicht. Mithin steht der Schutz von Versammlungen durch Art. 8 I GG über der Möglichkeit, den Zweckveranlasser zur Aufgabe der Tätigkeit zu bringen.
Siehe dazu auch den Fall: https://examensgerecht.de/anlassgeber-oder-zweckveranlasser-verbot-eines-festivals/
Zusammenfassung
1. Die Erhebung von Gebühren, neben Steuern, setzt voraus, dass ein über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehender Sachzusammenhang besteht. Damit eine Gebühr einem Einzelnen auferlegt werden kann, muss ein ausreichend konkreter Anhaltspunkt für eine individuell zurechenbare Leistung bestehen.
2. Neben Störern können auch Nutznießer, also wirtschaftlich Bevorteilte eines staatlichen Aktes, zur Leistung von Gebühren herangezogen werden.
3. Selbst für „staatliche Kernaufgaben“, also für Aufgaben, auf die die Bürger:innen einen Anspruch haben, besteht keine Pflicht, diese aus Steuern zu finanzieren.
4. Eine gerechtfertigte Inanspruchnahme liegt insbesondere dann vor, wenn durch die individuell zurechenbare staatliche Leistung Einzelnen ein wirtschaftlicher Vorteil durch die „Sondernutzung“ begrenzter staatlicher Ressourcen entsteht.