
BGH, Urteil vom 15.03.2024 – V ZR 115/22, NJW 2024, 2310
Sachverhalt
(leicht abgewandelt)
B verkaufte der K mit notariellem Vertrag ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück. In dem Vertrag, in welchem B und K zugleich die Auflassung erklärten, wurde ein Kaufpreis von 120.000 € beurkundet. Tatsächlich hatten sich B und K jedoch im Vorhinein auf einen Preis von 150.000 € geeinigt. Den nicht mitbeurkundeten Differenzbetrag von 30.000 € hatte die K dem B bereits vor dem Beurkundungstermin in bar gezahlt, um die auf den Mehrbetrag entfallende Grunderwerbsteuer zu sparen. Nach Zahlung der weiteren 120.000 € an den B wurde die K als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.
Nachdem B Selbstanzeige beim zuständigen Finanzamt erstatte und das Finanzamt die Grunderwerbssteuer für den gesamten Kaufpreis festsetzte, kam es zwischen K und B zu Gesprächen über die Wirksamkeit des Kaufvertrags und dessen Rückabwicklung. Im Zuge dessen beantragte und bewilligte die K auf Verlangen und zu Gunsten des B die Eintragung eines Widerspruchs gegen ihre Eintragung als Eigentümerin im Grundbuch. B überwies daraufhin einen Betrag i.H.v. 120.000 € auf das Treuhandkonto eines Notars, welcher den Betrag an die K auszahlte, obwohl B noch nicht wieder als Eigentümerin ins Grundbuch eingetragen worden war. Unterdessen brach K die Gespräche mit B über die Rückabwicklung des Kaufvertrags ab und überwies die 120.000 € umgehend nach dem Erhalt der Zahlung an den B zurück.
K verlangt nun von B die Zustimmung zur Löschung des Widerspruchs. B ist hingegen der Ansicht, dass eine Löschung des Widerspruchs nicht in Frage käme. Schließlich müsse die Steuerhinterziehung zu einer Nichtigkeit des Kaufvertrags führen. Erst vor kurzem habe er mitbekommen, dass ein Werkvertrag ohne Rechnung immer nichtig ist, weil ein Verstoß gegen das SchwarzArbG vorliegt – das müsse ja auch in diesem Fall so sein.
Hat K gegen B einen Anspruch auf Zustimmung zur Löschung des Widerspruchs?
Bearbeiterhinweis: Vorschriften des GwG sind nicht zu prüfen. Auf § 1 Abs. 2 SchwarzArbG und § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO wird ausdrücklich hingewiesen.
§ 1 SchwarzArbG
(1) Zweck des Gesetzes ist die Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung.
(2) Schwarzarbeit leistet, wer Dienst- oder Werkleistungen erbringt oder ausführen lässt und dabei
1. als Arbeitgeber, Unternehmer oder versicherungspflichtiger Selbstständiger seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Melde-, Beitrags- oder Aufzeichnungspflichten nicht erfüllt,
2. als Steuerpflichtiger seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt,
[…]
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
[…]
Im Originalsachverhalt wurde kein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück, sondern eine Wohnungs- und Teileigentumseinheit verkauft. Da das WEG nicht examensrelevant ist, wurde hier eine Anpassung vorgenommen.
In den Vorinstanzen war nicht festgestellt worden, ob die Unterverbriefung tatsächlich aus dem Zweck erfolgte, Steuern zu sparen. Der BGH ist davon jedoch ausgegangen,[1]Vgl. BGH, Urt. v. 15.03.2024 – V ZR 115/22, NJW 2024, 2310, Rn. 16. so dass dies in dem vorstehenden Sachverhalt als feststehend ausgewiesen wurde.
Zunächst hatte die Klägerin im Ausgangssachverhalt außerdem beantragt, festzustellen, dass die Beklagte mit der Entgegennahme der Rückzahlung i.H.v. 120.000 € in Annahmeverzug geraten sei. Diesbezüglich kam es nach der erfolgten Rückzahlung der 120.000 € zu einer einseitigen Erledigungserklärung der Klägerin. Dieses Problem ist lediglich in prozessualer Hinsicht von Interesse und wurde bei dieser Bearbeitung daher außer Acht gelassen.
Skizze
Gutachten
A. Anspruch K gegen B auf Zustimmung zur Löschung des Widerspruchs, § 894 BGB (analog)
K könnte ein Anspruch auf Zustimmung zur Löschung des Widerspruchs aus § 894 BGB (analog) zustehen.
Anmerkung: Untypische KonstellationDie Konstellation, in der sich die Frage nach der Zulässigkeit des sog. „Schwarzkaufs“ (auch „Unterverbriefung“)[2]Also die Beurkundung nur eines Teils des tatsächlichen Kaufpreises eines Grundstücks aus Zwecken der Steuerersparnis. hier stellt, ist untypisch. Klassischerweise sind entsprechende Fragestellungen im Rahmen eines Anspruchs auf Kaufpreiszahlung aus § 433 II BGB oder im Rahmen des Anspruchs auf Auflassung des Grundstücks (§ 433 I BGB) zu prüfen.
Eine inzidente Prüfung der Unterverbriefung kann allerdings auch im Rahmen eines Grundbuchberichtigungsanspruchs aus § 894 BGB in die Klausur eingebettet werden. Dabei sind zwei Konstellationen denkbar:
(1) Es ist noch nicht zu einer Auflassung gekommen, jedoch ist zu Gunsten des Käufers bereits eine Vormerkung (§§ 883 ff. BGB) eingetragen worden. Gegen diese Vormerkung wendet sich der Verkäufer in der Klausur mit der Argumentation, dass der Kaufvertrag in Folge der Unterverbriefung nichtig sei.
(2) Es ist bereits zur Auflassung des Grundstücks gekommen und der Käufer ist als Eigentümer in das Grundstück eingetragen worden. In diesen Fällen wendet sich typischerweise der Verkäufer gegen die Wirksamkeit des dinglichen Verfügungsgeschäfts mit der Argumentation, dass eine Nichtigkeit des Kaufvertrags im Wege der Fehleridentität auf das Verfügungsgeschäft durchgreifen würde (§ 894 BGB gegen die Eintragung des Käufers als Eigentümer). Alternativ ist aber auch die in diesem Fall dargestellte Konstellation möglich, in welcher bereits ein Widerspruch (§ 899 BGB) gegen die Eintragung des Käufers als Eigentümer des Grundstücks ins Grundbuch eingetragen ist. In diesem Fall kann sich der Käufer auch gegen die Eintragung des sein Recht belastenden Widerspruchs richten, indem er argumentiert, dass die Unterverbriefung gerade nicht zu einer Nichtigkeit des Verfügungsgeschäfts (bzw. bereits des Verpflichtungsgeschäfts) geführt hat.
I. In Ansehung eines Rechts an einem Grundstück, eines Rechts an einem solchen Recht oder einer Verfügungsbeschränkung
§ 894 BGB setzt seinem Wortlaut nach voraus, dass die Unrichtigkeit des Grundbuchs „in Ansehung eines Rechts an dem Grundstück, eines Rechts an einem solchen Recht oder einer Verfügungsbeschränkung der in § 892 I BGB bezeichneten Art“ besteht. Problematisch ist in diesem Kontext, dass K sich hier gegen einen Widerspruch i.S.d. § 899 BGB wendet.
Anmerkung: Aufbau der PrüfungDieser Prüfungspunkt ist untypisch und wird in einem Beispielschema zum Anspruch aus § 894 BGB so wohl eher nicht zu sehen sein. Vielmehr wird die Frage nach der Rechtsnatur der Eintragung, hinsichtlich welcher der Anspruch aus § 894 BGB besteht, regelmäßig kurz im Rahmen der Prüfung der Unrichtigkeit des Grundbuchs beantwortet werden können. Wie aus der hier dargestellten Prüfung ersichtlich wird, besteht im Falle des Vorgehens gegen einen Widerspruch i.S.d. § 899 BGB allerdings die Besonderheit, dass ein solcher Widerspruch nicht ohne Weiteres unter den Wortlaut des § 894 BGB subsumiert werden kann, so dass eine etwas umfangreichere Prüfung geboten ist. Dabei bietet sich die Voranstellung dieses Prüfungspunktes an, da die Vorwegnahme der Feststellung der analogen Anwendung des § 894 BGB auf den Widerspruch die Prüfung der Unrichtigkeit des Widerspruchs vorab einordnet. Eine Prüfung nach der Unrichtigkeit bzw. gemeinsam mit der Unrichtigkeit des Widerspruchs wäre jedoch auch möglich. Eine vorweggenommene Ablehnung des Anspruchs § 894 BGB in direkter Anwendung unter Verweis auf den nicht passenden Wortlaut und eine anschließende Prüfung eines Anspruchs aus § 894 BGB analog wäre selbstverständlich ebenfalls möglich.
1. Anwendbarkeit des § 894 BGB auf den Widerspruch
Da es sich bei einem Widerspruch i.S.d. § 899 BGB nicht um ein Recht an einem Grundstück, ein Recht an einem Grundstücksrecht oder eine Verfügungsbeschränkung i.S.d. § 892 I 2 BGB handelt, scheidet eine direkte Anwendung des § 894 BGB aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Norm aus.[3]H. Schäfer in MüKo BGB, 9. Auflage 2013, § 899 BGB Rn. 20 m.w.N.; nicht für ausgeschlossen hält eine direkte Anwendung hingegen wohl Picker in Staudinger, 17. Auflage 2019, § 899 BGB Rn. 42.
2. Analoge Anwendung des § 894 BGB auf den Widerspruch
Allerdings könnte eine analoge Anwendung des § 894 BGB im Falle von Widersprüchen, die zwar materiell-rechtlich erloschen, jedoch weiterhin im Grundbuch eingetragen sind, in Frage kommen. Dies würde eine planwidrige Regelungslücke sowie eine vergleichbare Interessenlage voraussetzen.[4]Zu den Voraussetzungen einer Analogie: Mann/Tettinger, Einführung in die juristische Arbeitstechnik, 5. Auflage 2015, Rn. 274.
a) Planwidrige Regelungslücke
Ein Anspruch auf Abgabe der nach § 19 GBO zur Löschung eines materiell-rechtlich nicht bestehenden bzw. erloschenen Widerspruchs erforderlichen Erklärung des durch den eingetragenen Widerspruch Begünstigten ist nicht geregelt. Die bloße Möglichkeit des Vorgehens im Rahmen des Grundbuchverfahrens nach § 22 GBO, ohne dass es dafür einer entsprechenden Erklärung nach § 19 GBO bedarf, ändert an dieser Regelungslücke nichts.[5]Vielmehr steht die Möglichkeit eines Grundbuchverfahrens selbständig neben dem Anspruch aus § 894 BGB (analog); ob ein auf einen Anspruch i.S.d. § 894 BGB gerichtetes Verfahren u.U. nicht zum … Continue reading Von der Planwidrigkeit der Regelungslücke ist auszugehen.
b) Vergleichbare Interessenlage
Der Eintrag eines Widerspruchs unterscheidet sich von den in § 894 BGB genannten Rechten und Verfügungsbeschränkungen dahingehend, dass ein Widerspruch nur dann eine rechtliche Wirkung nach sich zieht, wenn das durch den Widerspruch gesicherte Recht bzw. die gesicherte Verfügungsbeschränkung für den Eingetragenen wirklich besteht.[6]H. Schäfer in MüKo BGB. § 899 BGB, Rn. 20. Der bloße Umstand, dass ein unrichtiger Widerspruch demnach in rechtlicher Hinsicht keinerlei Verfügungsbeschränkung oder Grundbuchsperre auslöst,[7]Hertel in BeckOGK BGB, Stand 15.04.2021, § 899 Rn. 55. führt aber nicht dazu, dass eine vergleichbare Interessenlage ausgeschlossen ist. Die vergleichbare Interessenlage ergibt sich hier nämlich aus der faktischen Verfügungsbehinderung, die mit einem eingetragenen Widerspruch einhergeht[8]H.Schäfer in MüKo BGB, 9. Aufl. 2023, § 899 BGB Rn. 29. und daraus folgt, dass schon der bloße Umstand, dass ein Widerspruch ins Grundbuch eingetragen ist, dazu geeignet ist, potenzielle Erwerber abzuschrecken.[9]H. Schäfer in MüKoBGB, § 899 BGB, Rn. 20, 40. Da ein eingetragener Widerspruch somit faktisch die Wirkung einer Verfügungsbeschränkung i.S.d. § 894 BGB hat, ist eine vergleichbare Interessenlage gegeben.
3. Zwischenergebnis
Somit kann der Anspruch aus § 894 BGB in entsprechender Anwendung auch auf die Zustimmung zur Löschung eines Widerspruchs gerichtet sein.[10]Allgemeine Ansicht in der Literatur und Rspr.; statt vieler Hertel in BeckOGK BGB, Stand 15.04.2021, § 899 BGB Rn. 70; H.-W. Eckert in BeckOK BGB, 64. Edition, Stand 01.11.2022, § 894 BGB, Rn. 6; … Continue reading
II. Unrichtigkeit des eingetragenen Widerspruchs
Ein solcher Anspruch aus § 894 BGB würde zunächst voraussetzen, dass das Grundbuch hinsichtlich des gegen die Eintragung der K als Eigentümerin eingetragenen Widerspruchs materiell unrichtig ist.
Ein Widerspruch i.S.d. § 899 I BGB ist materiell-rechtlich unwirksam, wenn seine materiell-rechtlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, weil diese von Anfang an nicht bestanden haben oder nachträglich weggefallen sind.[11]Hertel in BeckOGK BGB, Stand 15.04.2021, § 899 BGB Rn. 62 – insbesondere auch mit der Feststellung, dass dies auch dann gilt, wenn die materielle Voraussetzung zum Zeitpunkt der Eintragung des … Continue reading
§ 899 I BGB setzt als einzige materielle Tatbestandsvoraussetzung des Widerspruchs das Bestehen eines Anspruchs aus § 894 BGB hinsichtlich des Rechts, gegen welches der Widerspruch eingetragen werden soll, voraus.
Unrichtig wäre der Widerspruch also insbesondere dann, wenn B gegen die Eintragung des K als Eigentümer kein Anspruch aus § 894 BGB zustehen würde. Fraglich ist somit, ob K wirksam Eigentum an dem Grundstück erworben hat.
Anmerkung: Die konkrete Einkleidung der Unterverbriefung im BGH-UrteilDie alternativen Möglichkeiten zur Einbringung der Unterverbriefung in eine Klausur sind oben bereits dargestellt worden.[12]Siehe vorangegangene Anmerkung. Hier handelt es sich um den zuletzt dargestellten Fall, in dem sich der Käufer gegen einen Widerspruch wehrt, der sich gegen seine Eintragung als Eigentümer richtet. Neben der unüblichen Widerspruchs-Konstellation, besteht eine der Schwierigkeiten in solchen Fällen darin, dass eine Nichtigkeit des Verfügungsgeschäfts selbst und nicht bloß des Verpflichtungsgeschäfts geprüft werden muss, um die Wirksamkeit des Widerspruchs beurteilen zu können – sonst wäre die Eintragung des Käufers als Eigentümer korrekt und lediglich rechtsgrundlos.[13]Dies würde für den Widerspruch wiederum bedeuten, dass er unwirksam wäre, da der Verkäufer gerade keinen Anspruch aus § 894 BGB hätte. Diesen hätte er nur, wenn das Verfügungsgeschäft selbst … Continue reading
Im Zusammenhang mit der notariellen Unterverbriefung, die grds. nur den Grundstückskauf als Verpflichtungsgeschäft betrifft, kann sich diese Nichtigkeit nur daraus ergeben, dass der Fehler des Verpflichtungsgeschäfts – als schuldrechtliche Causa – auf das Verfügungsgeschäft durchschlägt.[14]Mehr dazu unten. Die Besonderheit ist dabei, dass ausnahmsweise die Prüfung der Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts zu prüfen ist, um die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts bewerten zu können. Hier zeigt sich auch, warum der BGH sich in diesem Fall gar nicht ausführlich mit der Figur der Fehleridentität auseinandersetzte: Ist bereits das Verpflichtungsgeschäft wirksam und sind keine weiteren Gründe der Nichtigkeit des Verfügungsgeschäfts ersichtlich, kann das Verfügungsgeschäft nicht nichtig sein und der Widerspruch ist zu Unrecht eingetragen.
Dies wäre dann der Fall, wenn K von B wirksam gem. §§ 873, 925 BGB Eigentum erworben hätte. Dies würde wiederum voraussetzen, dass K gem. § 873 I BGB als Eigentümerin ins Grundbuch eingetragen worden ist, K und B sich gem. § 873 I i.V.m. § 925 BGB vor einer zuständigen Stelle über den Eigentumsübergang geeinigt haben und B zur Eigentumsübertragung berechtigt war.
Hinsichtlich der Berechtigung des B und der Grundbucheintragung der K bestehen keine Zweifel. Allerdings könnte die Auflassung von B und K über den Eigentumsübergang in Folge der Unterverbriefung unwirksam sein.
Bei der Auflassung handelt es sich um einen dinglichen Vertrag aus miteinander korrespondierenden Willenserklärungen über den Eigentumsübergang an einem Grundstück,[15]J. Weber in BeckOGK, Stand 01.11.2024, BGB § 925, Rn. 80. auf welche die Vorschriften des allgemeinen Teils Anwendung finden, soweit sachenrechtliche Prinzipien und Spezialvorschriften dem nicht entgegenstehen.[16]Ebd. Anzuwenden sind daher insbesondere die Vorschriften über Willenserklärungen samt der Vorschriften, welche die Nichtigkeit der jeweiligen Willenserklärung (und damit im Ergebnis auch des entsprechenden Rechtsgeschäfts) anordnen.[17] J. Weber in BeckOGK, Stand 01.11.2024, BGB § 925, Rn. 81.
Nichtigkeitsgründe, die unmittelbar auf die Einigung über das Verfügungsgeschäft (§§ 873, 925 BGB) bezogen sind, sind nicht ersichtlich.
Eine Nichtigkeit könnte sich allerdings unter Berücksichtigung der Unterverbriefung in Zusammenschau mit einer etwaigen Nichtigkeit des zugrundeliegenden Verpflichtungsgeschäfts ergeben.[18]Vgl. zu dieser Erwägung: BGH, Urteil vom 15.03.2024 – V ZR 115/22, NJW2024, 2310, Rn. 11. Für den Fall, dass der notarielle Kaufvertrag wegen dieser Unterverbriefung nichtig wäre, könnte daraus eine Nichtigkeit des Verfügungsgeschäfts folgen, wenn die Parteien vereinbart hätten, dass das Verfügungsgeschäft unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 BGB) der Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts stehen soll, die Parteien von einem Geltungszusammenhang i.S.d. § 139 BGB ausgegangen sind oder die Anerkennung der Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts dazu führen würde, dass die durch die Anordnung der Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts zu verhindernde Rechtsfolge durch die dingliche Verfügung in nicht hinnehmbarer Weise manifestiert würde (sog. Fehleridentität).[19]Vgl. zur Übersicht über die entsprechenden Durchbrechungen des Abstraktionsprinzips: Lettmaier, in MüKo BGB, 9. Aufl. 2023, BGB § 873 Rn. 52 ff.
Vernetztes Lernen: Durchbrechung des AbstraktionsprinzipsZwei der wesentlichen Grundlagen des deutschen Sachenrechts sind das Trennungs- und das Abstraktionsprinzip.
Das Trennungsprinzip sieht die strikte Trennung zwischen Verfügungsgeschäft – also dem Geschäft mit dem eine (dingliche) Rechtsänderung unmittelbar herbeigeführt wird – und dem Verpflichtungsgeschäft – also dem Geschäft, in dem sich der Verfügende zu der Verfügung verpflichtet – vor.[20]Vgl. Wellenhofer, SachenR, 39. Aufl. 2024, § 3 Rn. 11. Das Abstraktionsprinzip besagt, dass zwischen Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäft nicht nur zu differenzieren ist, sondern diese auch in ihrer Wirksamkeit voneinander unabhängig (also „abstrakt“) sind.[21]Vgl. ebd.
Aus dem Abstraktionsprinzip folgt somit auch, dass ein Fehler des Verpflichtungsgeschäfts – wie z.B. die Nichtigkeit wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten – grds. nicht auch zur Nichtigkeit des Verfügungsgeschäfts führt.
Allerdings gibt es Einzelfälle, in denen eine Durchbrechung des Abstraktionsprinzips dergestalt möglich ist, dass eine Nichtigkeit/Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts auch zu einer solchen des Verfügungsgeschäfts führt:
Relativ unproblematisch ist die Vereinbarung, dass das Verfügungsgeschäft unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 BGB) der Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts stehen soll (sog. „Bedingungszusammenhang“).[22]Vgl. Lettmaier, in MüKo BGB, 9. Aufl. 2023, BGB § 873 Rn. 54.
Nur äußerst ausnahmsweise wird es vorkommen, dass die Parteien wirksam ein Verpflichtungsgeschäft abschließen, das entsprechende Verfügungsgeschäft dann aber nichtig ist, weil z.B. in der Zwischenzeit die Geschäftsfähigkeit entfallen ist oder ein Anfechtungsgrund nur bzgl. der Willenserklärung im Rahmen des Verfügungsgeschäfts vorliegt. Häufiger wird es hingegen vorkommen, dass bereits ein Verpflichtungsgeschäft nichtig ist, weil es z.B. gegen ein gesetzliches Verbot bzw. gegen die guten Sitten verstößt, die Geschäftsfähigkeit einer Partei schon beim Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts fehlt oder ein Anfechtungsgrund bzgl. des Verpflichtungsgeschäfts vorliegt. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob die Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts auch zu der Nichtigkeit des Verfügungsgeschäfts führen muss (Fälle der sog. „Fehleridentität“[23]Vgl. dazu Baur/Stürner, SachenR, 18. Aufl. 2009, § 5 Rn. 51. ). Dies ist dann unproblematisch, wenn das Verfügungsgeschäft selbst nichtig ist, weil es z.B. selbst gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (z.B. Übereignung von Betäubungsmitteln) oder die Geschäftsfähigkeit auch zur Zeit des Verfügungsgeschäfts noch nicht wieder hergestellt ist. Bei diesen Fällen handelt es sich streng genommen gar nicht um Fälle der Fehleridentität, da die einzelnen Rechtsgeschäfte zwar aus demselben Grund, aber dennoch jedes für sich nichtig sind.
Es gibt aber auch Fälle, in denen das Verfügungsgeschäft für sich genommen nicht nichtig ist. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die Verfügung der Erfüllung eines wucherischen Verpflichtungsgeschäfts dient (Verstoß gegen § 138 II BGB; die Verfügung selbst ist jedoch nicht gegenseitig, kann also keinem Gegenwert zugeordnet werden – Wucher ist somit nicht möglich), das Verpflichtungsgeschäfts wegen eines Irrtums angefochten werden kann, der bei der Erfüllung nicht bestand oder ein Verbotsgesetz, aufgrund dessen ein Verpflichtungsgeschäft gem. § 134 BGB nichtig ist, nur bestimmte Vertragsgestaltungen, nicht jedoch deren dinglichen Vollzug untersagt. In diesen Fällen ist entscheidend, ob die mit der Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts bezweckte Rechtsfolge durch das Verfügungsgeschäft dergestalt vertieft wird, dass die Annahme der Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts nicht hinnehmbar wäre. In diesen Fällen folgt die Nichtigkeit des Verfügungsgeschäfts aus der Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts.[24]Vgl. insb. zur Ausführung der klassischen Anwendungsfälle der Figur: Wellenhofer, SachenR, 39. Aufl. 2024, § 6 Rn. 7.
Weitestgehend übereinstimmend wird mittlerweile davon ausgegangen, dass eine Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts nicht dazu führt, dass ein zugleich abgeschlossenes Verfügungsgeschäft in Anwendung des § 139 BGB im Zweifelsfall ebenfalls als nichtig anzusehen ist.[25]Vgl. dazu auch Lettmaier, in MüKo BGB, 9. Aufl. 2023, BGB § 873 Rn. 55. Etwas anderes kann allenfalls dann angenommen werden, wenn zweifelsfrei davon auszugehen ist, dass die Parteien des Geschäfts einen solchen Geltungszusammenhang zwischen Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäft vornehmen wollten, ohne dass sie (konkludent) einen Bedingungszusammenhang vereinbart haben (vgl. oben).[26]Das wäre z.B. dann der Fall, wenn die Parteien derart sicher waren, dass das Grundgeschäft nicht nichtig ist, dass sie über die Vereinbarung eines Bedingungszusammenhangs gar nicht nachgedacht … Continue reading
Dies würde jedenfalls voraussetzen, dass der der Übereignung zugrundeliegende Kaufvertrag von B und K nichtig wäre. Andernfalls könnte offenbleiben, ob eine Durchbrechung des Abstraktionsprinzips in Frage käme.
In Frage steht hier die Nichtigkeit des von K und B geschlossenen Kaufvertrages über 150.000€, da die Erklärungen bzgl. des Kaufs zum Preis von 120.000€ vor dem Notar lediglich als Scheingeschäft (§ 117 I BGB) zu klassifizieren sind.[27]Vgl. Rehberg in BeckOGK, Stand 01.02.2025, BGB § 117 Rn. 21, 21.1; die bereits bestehende Rspr. bestätigend: BGH, Urteil vom 15.03.2024 – V ZR 115/22, NJW2024, 2310, Rn. 12.
Anmerkung: Zusammenhang von Unterverbriefung und ScheingeschäftBei der Unterverbriefung lassen die Parteien eine in bar gezahlte oder zu zahlende Anzahlung auf den Grundstückskauf nicht in den notariell beurkundeten Kaufpreis einfließen, um dadurch die auf den nicht beurkundeten Kaufpreis entfallende Grunderwerbsteuer zu sparen.[28]Gute Zusammenfassung bei Rehberg, in BeckOGK, Stand 01.02.2025, BGB § 117 Rn. 21.1. Da die Parteien somit vor dem Notar einen Kaufvertrag zu einem anderen Kaufpreis geschlossen haben als zuvor privat, stellt sich in solchen Konstellationen stets die Frage, zu welchem Preis der Vertrag letztlich abgeschlossen worden ist.
Daher sollte in diesen Fällen zunächst geprüft werden, ob ein Kaufvertrag zum niedrigeren – vor dem Notar beurkundeten – Kaufpreis geschlossen wurde. Dieses Geschäft ist dann gem. § 117 I BGB als Scheingeschäft unwirksam. Bzgl. des verdeckten (oder „dissimulierten“) Geschäfts im privaten Rahmen zum höheren Preis sind dann mögliche Nichtigkeitsgründe (insbesondere eine mögliche Formnichtigkeit) zu prüfen.
1. Nichtigkeit gem. § 125 BGB
Gem. § 311b I 1 BGB bedarf ein Grundstückskaufvertrag der notariellen Beurkundung. Eine Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Form würde grds. gem. § 125 S. 1 BGB zur Nichtigkeit des Kaufvertrages führen. Gem. § 311b I 1 BGB sind bei Grundstücksgeschäften alle Vereinbarungen beurkundungsbedürftig, aus denen sich das schuldrechtliche Verfügungsgeschäft dem Willen der Parteien nach zusammensetzt,[29]BGH, Urt. .v. 20.09.1985 – V ZR 148/84, MNJW 1986 , 248 m.w.N. was die Vereinbarung einer Voraus-, An- oder Nachzahlung mit einschließt.[30]Vgl. ebenda – noch zu § 313 BGB a.F, neu gefasst in § 313b I BGB. Grds. bedurfte die Abrede des Kaufpreises also gem. § 311b I 1 BGB der notariellen Beurkundung. Ob eine Berufung des B auf den Formmangel im vorliegenden Fall ausnahmsweise gegen Treu und Glauben verstößt (vgl. § 242 BGB), kann hier allerdings dahinstehen, da der Formmangel jedenfalls gem. § 311b I 2 BGB geheilt ist, weil Auflassung und Eintragung der K in das Grundbuch erfolgt sind. Dem kann lediglich die Nichtigkeit der Auflassung aus anderen Gründen, nicht jedoch deren Nichtigkeit wegen Formmangels (§ 125 S. 1 BGB) entgegenstehen. Somit ist der Kaufvertrag nicht gem. § 125 S. 1 BGB nichtig.[31]Vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2024 – V ZR 115/22, NJW2024, 2310, Rn. 14; BGH, Urteil vom 13.05.2016 – V ZR 265714, NJW-RR 2017, 114, Rn. 30.
Anmerkung: Fehleridentität bei FormmängelnIn Fällen, in denen die Prüfung der Unterverbriefung in die Anspruchsprüfung aus § 433 I oder II BGB eingebettet ist, muss auf die Formnichtigkeit – insbesondere auch auf einen etwaigen Verstoß gegen Treu und Glauben wegen der Berufung auf den Formmangel – in jedem Fall umfassend eingegangen werden, da in diesen Fällen mangels bereits erfolgtem Verfügungsgeschäft häufig noch keine Heilung nach § 311b I 2 BGB erfolgt sein wird (wenn es nur um den Anspruch auf Kaufpreiszahlung geht, mag das natürlich anders sein).
Wendet sich der Anspruchsteller mittels § 894 BGB gegen eine Vormerkung (§§ 883 ff. BGB), ist herauszuarbeiten, dass die Eintragung der Vormerkung alleine nicht zur Heilung nach § 311b I 2 BGB ausreicht.
Ist die Prüfung hingegen in anderer Weise gegen einen Anspruch aus § 894 BGB eingebettet, kann dieser Punkt schnell abgehandelt werden. Zum einen hat die Übereignung in diesen Fällen stets bereits stattgefunden, so dass der Formmangel stets gem. § 311b I 2 BGB geheilt worden ist. Zum anderen sorgt genau diese Heilungsvorschrift dafür, dass ein – in diesen Fällens stets erforderliches – Durchgreifen der Nichtigkeit vom Verpflichtungs- auf das Verfügungsgeschäft aus Gründen des Formmangels niemals angenommen werden kann. Schließlich soll § 311b I 2 BGB gerade in die andere Richtung wirken, indem er bei wirksamem Verfügungsgeschäften gerade das Entfallen der Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts anordnet.
2. Nichtigkeit gem. § 134 BGB i.V.m. § 370 I Nr. 1 AO
Der von K und B geschlossene Kaufvertrag könnte jedoch wegen eines Verstoßes gegen § 370 I Nr. 1 AO gem. § 134 BGB nichtig sein.
Eine solche Nichtigkeit wäre auch nicht von der Heilungswirkung des § 311b I 2 BGB geheilt, da sich diese Heilung nur auf eine zunächst bestehende Formnichtigkeit eines Grundstückskaufvertrages bezieht und nicht auch andere Nichtigkeitsgründe erfasst.[32]Vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2024 – V ZR 115/22, NJW 2024, 2310, Rn. 14; BGH, Urteil vom 13.05.2016 – V ZR 265714, NJW-RR 2017, 114, Rn. 30.
Anmerkung: Die Prüfung von VerbotsgesetzenMöchte man die Prüfung der Nichtigkeit nach § 134 BGB dogmatisch möglichst sauber vollziehen, erfolgt die Prüfung dreischrittig: Zu prüfen wäre demnach, (a) ob es sich bei der Norm, gegen die verstoßen worden ist, um ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB handelt, (b) ob das in Frage stehende Rechtsgeschäft gegen die Verbotsnorm verstößt und (c) dieser Verstoß dem Zweck des Verbotsgesetzes nach zu einer Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führen soll.[33]Vgl. dazu insb. Armbrüster, in MüKo BGB, 10. Aufl. 2025, BGB § 134 Rn. 60. Allerdings ist die Trennung zwischen Verbotsgesetz, Verstoß und Rechtsfolge häufig nur schwer durchzuhalten. Da der Trennung überdies keine wesentliche Bedeutung zukommt, ist es – insbesondere in Fällen, in denen der konkrete Verstoß schon dem Sinn und Zweck der Strafnorm zu Folge nicht zu einer Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führen soll – durchaus möglich, die Prüfungspunkte gemeinsam abzuhandeln.[34]So auch Vossler, in BeckOGK, Stand 01.01.2025, BGB § 134 Rn. 52.
a) § 370 I Nr. 1 AO
Das würde zunächst voraussetzen, dass es sich bei § 370 I Nr. 1 AO um ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB handelt. § 370 I Nr. 1 AO ist eine Strafnorm, nach der sich derjenige strafbar macht, der den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Bei Strafnormen handelt es sich nach herrschender Meinung jedenfalls dann um Verbotsgesetze, wenn sich alle an einem Rechtsgeschäft Beteiligten strafbar machen[35]Vgl. Armbrüster in MüKo BGB, 10. Aufl. 2025, BGB § 134 Rn. 70; BGH, Urt. v. 16.04.1996 – XI ZR 138/95, NJW 1996, 1812. oder die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts mit Blick auf den Zweck der Strafnorm nicht hinnehmbar erscheint.[36]Ebd. Im Zweifelsfall ist davon auszugehen, dass es sich bei einer Strafnorm um ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB handelt.[37]Vgl. Armbrüster in MüKo BGB, 10. Aufl. 2025, BGB § 134 Rn. 70; BGH, Urt. v. 10.07.1991 – VIII ZR 296/90, NJW 1991, 2955. Die Wirksamkeit eines der Steuerhinterziehung dienenden Rechtsgeschäfts ist jdf. nicht hinnehmbar, so dass es sich bei § 370 I Nr. 1 AO um ein Verbotsgesetz handelt.[38]Vgl. So auch die st. Rspr. des BGH – BGH, Urteil vom 15.03.2024 – V ZR 115/22, NJW 2024, 2310; vgl. Armbrüster, in MüKo BGB, 10. Aufl. 2025, BGB § 134 Rn. 77.
b) Verstoß gegen § 370 I Nr. 1 AO
K und B haben den Entschluss gefasst und umgesetzt, gegenüber der zuständigen Finanzbehörde über steuerlich erhebliche Tatsachen (Grundstückskaufpreis) unrichtige Angaben zu machen und dadurch Steuern zu verkürzen. Dies geschah mit der Unterzeichnung eines Vertrages, auf dem ein niedrigerer als der tatsächlich vereinbarte (und gezahlte) Kaufpreis ausgegeben war, um diesen Vertrag den Finanzbehörden als Grundlage der Steuerfestsetzung vorzulegen.[39]OLG Hamm, Urt., v. 06.02.2023 – 2 U 78/22, NJW 2023, 1891, Rn. 29; LG Münster, , Urt. v. 21.11.2014 – 16 O 68/14, BeckRS 2015, 16696. Das von K und B abgeschlossene Rechtsgeschäft verstößt somit gegen § 370 I Nr. 1 AO.[40]Vgl. ebd.
c) Rechtsfolge
Der Verstoß gegen ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB führt jedoch nicht stets zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, mit dem gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen wird. Eine Nichtigkeit ist nur dann anzunehmen, wenn der konkrete Gesetzesverstoß dem Sinn und Zweck der verbotenen Rechtsnorm nach die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts begründet.[41]Vossler, in BeckOGK, Stand 01.01.2025, BGB § 134 Rn. 52; Armbrüster, in MüKo BGB, 10. Aufl. 2025, BGB § 134 Rn. 59.
aa) Dies ist in Fällen, in denen der Kaufpreis bei der notariellen Beurkundung eines Grundstückkaufvertrages niedriger anngegeben wird, als dies mündlich der Fall war (sog. „Schwarzgeldabrede“), grds. nur dann der Fall, wenn die Steuerhinterziehung alleiniger oder hauptsächlicher Zweck des Rechtsgeschäfts ist.[42]Vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2024 – V ZR 115/22, NJW2024, 2310, Rn. 17 inklusive Bezugnahme auf die entsprechende Rspr. des Reichsgerichts. Das ist regelmäßig dann nicht der Fall, wenn der Leistungsaustausch ernstlich gewollt ist, der Vertrag also vornehmlich auf den Kauf gerichtet ist und die Steuerhinterziehung nur eine untergeordnete Rolle spielt.[43]Vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2024 – V ZR 115/22, NJW2024, 2310, Rn. 17; vgl. BGH, Urteil vom 17.12.1965 – V ZR 115/63, NJW 1966, 588 (589); vgl. BGH, Urteil vom 02.07.2003 – XII ZR 74/01, NJW … Continue reading Daran ändert auch der ggf. durch die quittungslose Hingabe von Bargeld entstehende Vollzugsdruck nichts. Auch wenn dieser Umstand ein Abstand nehmen von dem Handel u.U. erschwert, steht ebendieser Handel dennoch im Zentrum der Einigung.[44]Vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2024 – V ZR 115/22, NJW 2024, 2310, Rn. 26; BGH, Urteil vom 13.05.2016 – V ZR 265/14, NJW-RR 2017, 114, Rn. 18.
Auch B und K ging es primär um den Grundstückserwerb. Erst die aufgrund dieses Erwerbs anfallenden Steuern sollten durch die konkrete Vertragsgestaltung gemindert werden. Grundsätzlich ist also nicht davon auszugehen, dass der Vertrag wegen des Verstoßes gegen § 370 I Nr. 1 AO nichtig ist.
bb) Allerdings geht der BGH, wie B korrekt anführt, bei Schwarzarbeitsabreden im Werk- und Dienstrecht von einer Nichtigkeit von Verträgen aus, die gegen § 1 II SchwarzArbG verstoßen.[45]Vgl. dazu auch OLG Hamm, Urteil vom 06.02.2023 – 2 U 78/22, NJW 2023, 1891 Rn. 32 m.w.N; https://examensgerecht.de/das-schwarzarbeiter-haus/.
cc) Da beide Fälle sich insofern gleichen, als sich die Parteien jeweils darauf einigen, einen Teil der auf das Entgelt entfallenden Steuern zu sparen, ohne dass die Steuerhinterziehung der Hauptzweck des Vertrages sein soll, stellt sich die Frage, ob sich die Rechtsprechung zur Schwarzarbeit auch auf die notarielle Unterverbriefung übertragen lässt.
Entscheidend ist im Rahmen der Bewertung der Nichtigkeitsfolge von Verstößen gegen Verbotsgesetzen stets, ob eine Nichtigkeit in Anbetracht des Zwecks des Verbots begründet ist.[46]Vgl. Vossler, in BeckOGK, Stand 01.01.2025, BGB § 134 Rn. 52; Armbrüster, in MüKo BGB, 10. Aufl. 2025, BGB § 134 Rn. 59. Bei einer Bewertung der Übertragbarkeit der Rechtsprechung zu § 1 II SchwarzArbG auf § 370 I Nr. 1 AO ist also der Zweck des jeweiligen Verbots ins Auge zu fassen.
Für eine Übertragbarkeit spricht dabei zunächst, dass beide Normen einen generalpräventiven Charakter aufweisen[47]Vgl. dazu auch OLG Hamm, Urteil vom 06.02.2023 – 2 U 78/22, NJW 2023, 1891 Rn. 35. und (zumindest auch) der Verhinderung von Steuerhinterziehung dienen. Bei genauerer Betrachtung des jeweiligen Normzwecks fällt jedoch auf, dass § 370 I Nr. 1 AO und § 1 II SchwarzArbG nicht komplett dem gleichen Zweck folgen:
Bei Dienst- und Werkverträgen stehen typischerweise mehrere Anbieter im Wettbewerb zueinander. Lassen sich einige der Wettbewerber auf Schwarzarbeitsabreden ein, schadet dies insbesondere den Wettbewerbern, die sich nicht auf verbotene Abreden zur Steuerhinterziehung einlassen und die gleiche Leistung somit nur zu einem deutlich höheren Preis anbieten können. Um den Wettbewerb zu schützen verbietet § 1 II SchwarzArbG Schwarzarbeit als solche (vgl. dazu auch § 1 I SchwarzArbG). Auch aus Erwägungen des Schutzes der wirtschaftlichen Ordnung und des redlichen Wettbewerbs soll das in § 1 II SchwarzArbG also gerade dazu dienen,[48]BGH, Urteil vom 15.03.2024 – V ZR 115/22, NJW 2024, 2310, Rn. 22. dass solche Gestaltungen überhaupt nicht vorkommen, was es rechtfertigt, bei einem mit einer Schwarzgeldabrede belasteten Werkvertrag den Leistungsaustausch generell zu unterbinden und eine Nichtigkeit gem. § 134 BGB anzunehmen.[49]Vgl. Urteil vom 01.08.2013 – VI ZR 6/13, Rn. 17 ff.; BGH, Urteil vom 16.03.2017 – VII ZR 197/16, Rn. 18.
Ein ähnliches Wettbewerbsverhältnis zwischen mehreren Verkäufern von Häusern besteht wiederum nicht, da der Immobilien-Markt ganz anders aufgebaut ist, als der Markt mit Dienst- und Werkverträgen. Es existieren daher auch keine mit dem SchwarzArbG vergleichbare Normen, welche notarielle Unterverbriefungen beim Grundstückskauf konkret verbieten oder unter Strafe stellen. Stattdessen wird mit § 370 AO die zentrale Norm des materiellen Steuerstrafrechts als Verbotsnorm herangezogen.[50]Vgl. zu dieser Einordnung: Heuchemer, in BeckOK StGB, 64. Ed. Stand 01.02.2025, O § 370, Rn. 1. Als solche bezweckt § 370 I Nr. 1 AO nicht primär den Schutz von Wettbewerb und Wirtschaftsordnung, sondern den Schutz des staatlichen Steueraufkommens.[51]Vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2024 – V ZR 115/22, NJW2024, 2310, Rn. 22 mwN; BGH, Urteil vom 30.04.2009 – 1 StR 342/08, Rn. 32. Diesem Zweck kann allerdings bereits die Strafandrohung des § 370 I Nr. 1 AO Genüge tun, da die grundsätzliche Geltung des Rechtsgeschäfts dem staatlichen Steueraufkommen nicht schadet. Anders als bei § 1 II SchwarzArbG gebietet es der Hauptzweck des § 370 I Nr. 1 AO also nicht, dass Rechtsgeschäfte auch dann nichtig sind, wenn nicht ihr Hauptzweck in der Steuerhinterziehung zu sehen ist.[52]Vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2024 – V ZR 115/22, NJW2024, 2310, Rn. 22.
dd) Der Verstoß von K und B gegen § 370 I Nr. 1 AO ist also nicht mit Verstößen gegen § 1 II SchwarzArbG vergleichbar. Die Nichtigkeit des Grundstückskaufvertrages ist in den Fällen der Unterverbriefung nicht erforderlich, um das Verbot der Steuerhinterziehung durchzusetzen. Der von K und B geschlossene Vertrages ist somit nicht gem. § 134 BGB nichtig.
Anmerkung: Schwerpunkt des FallesDie Frage nach der Nichtigkeit des Vertrages wegen eines Verstoßes gegen § 370 I Nr. 1 AO ist der Schwerpunkt des Falles. Insbesondere die Vergleichbarkeit mit der Nichtigkeit von Verträgen, die gegen § 1 II SchwarzArbG verstoßen, ist Teil des BGH Urteils, da das Berufungsgericht die Nichtigkeit unter Heranziehung genau dieser Rechtsprechung bejaht hat.[53]Vgl. OLG Hamm, Urteil vom 06.02.2023 – 2 U 78/22, NJW 2023, 1891; LG Münster.
In einer Klausur wäre es mE allerdings nicht angebracht, die Rechtsprechungen miteinander zu vergleichen, wenn der Sachverhalt nicht – wie hier – eindeutig darauf hinaus will. Bei einem Fall der Unterverbriefung wäre es sinnvoll, im Rahmen der Prüfung der Nichtigkeit des Vertrages gem. § 134 BGB wegen eines Verstoßes gegen § 370 I Nr. 1 AO wie folgt vorzugehen:
Zunächst sollte kurz festgestellt werden, dass es sich bei § 370 I Nr. 1 AO um ein Verbotsgesetz handelt und jedenfalls die Schwarzgeldabrede gegen dieses Verbotsgesetz verstößt. Anschließend kann ausgehend vom Sinn und Zweck des § 134 BGB (ein Streit sollte hier aber nicht aufgemacht werden!)[54]Bei weitergehendem Interesse findet sich eine Übersicht zum Meinungsstand bzgl. des Zwecks des § 134 BGB bei Vossler, in BeckOGK, Stand 01.01.2025, BGB § 134. hergeleitet werden, dass ein Verstoß gegen ein Verbotsgesetz nur dann auch zur Nichtigkeit nach § 134 BGB führen soll, wenn dies dem Zweck des gesetzlichen Verbots entspricht. Dies führt zur Prüfung des Zwecks des Verbots aus § 370 I Nr. 1 AO, welcher primär im Schutz des staatlichen Steuereinkommens liegt. An diesem Punkt kann auch ein kurzer Vergleich zu § 1 II SchwarzArbG gezogen werden (und zwar ohne die entsprechende Rechtsprechung konkret zu nennen), indem angeführt wird, dass § 370 I Nr. 1 AO, anders als andere Normen, in denen sich das Verbot von Steuerhinterziehung findet, nicht auch auf Wettbewerbsschutz durch das Verbot konkret berzeichneter Formen der Steuerhinterziehung zielt, sondern als Generalnorm eben nur die Steuerhinterziehung selbst verbietet.
Daraus kann man dann ziehen, dass der Zweck des Verbotsgesetzes (Verhinderung von Steuerhinterziehung) nur dann die Nichtigkeit des gegen § 370 I Nr. 1 AO verstoßenden Rechtsgeschäfts gebietet, wenn die Steuerhinterziehung dessen Hauptzweck ist. Dann muss nur noch festgestellt werden, dass im Vordergrund der konkreten Abrede der Leistungsaustausch stand und die Prüfung ist abgehakt.
3. Nichtigkeit gem. § 138 BGB
Der Vertrag könnte jedoch gem. § 138 I BGB wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig sein. Gem. § 138 I BGB sind all diejenigen Rechtsgeschäfte nichtig, die gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen.[55]Jaki, in BeckOGK, Stand 01.04.2025, BGB § 138 Rn. 32 m.w.N.
Die Falschangabe des Kaufpreises zum Zwecke einer nachfolgenden Steuerhinterziehung hat unzweifelhaft einen rechtlich und moralisch anstößigen Charakter. Allerdings bezieht sich dies nur auf die Abrede, einen Teil des Kaufpreises zwecks Steuerhinterziehung nicht anzugeben. Auf den gesamten Kaufvertrag kann die Sittenwidrigkeit – ebenso wie die Verbotswidrigkeit – aber nur dann durchschlagen, wenn der Kaufvertrag selbst von dem sittenwidrigen Zweck getragen ist.[56]BGH, Urteil vom 15.03.2024 – V ZR 115/22, NJW2024, 2310, Rn. 23. Ebenso wie bei der Verbotswidrigkeit ist davon jedenfalls dann nicht auszugehen, wenn der Handel ernstlich gewollter Hauptzweck des Vertrages ist.[57]Vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2024 – V ZR 115/22, NJW2024, 2310, Rn. 23. Der Kaufvertrag ist somit auch nicht gem. § 138 BGB nichtig.
4. Nichtigkeit gem. § 139 BGB
Zweifellos gem. § 134 BGB nichtig ist jedoch die Schwarzgeldabrede selbst, durch welche B und K die Unterverbriefung vereinbarten. Die Nichtigkeit eines Teils eines Rechtsgeschäfts führt gem. § 139 BGB zur Nichtigkeit des gesamten Rechtsgeschäfts, sofern nicht anzunehmen ist, dass die Parteien eines Rechtsgeschäfts dessen wirksamen Teil auch ohne den nichtigen geschlossen hätten. Da hier allerdings der Immobilienkauf im Vordergrund steht, ist davon auszugehen, dass B und K den Kaufvertrag auch ohne die Schwarzgeldabrede geschlossen hätten.[58]So auch BGH, Urteil vom 15.03.2024 – V ZR 115/22, NJW2024, 2310, Rn. 29.
5. Zwischenergebnis
Somit haben sich K und B wirksam auf den Kauf des Grundstücks zu einem Preis von 150.000 € geeinigt, so dass schon keine Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts vorliegt, welche über die Figur der Fehleridentität Auswirkung auf die Auflassung nach §§ 873, 925 BGB als entsprechendes Verfügungsgeschäft haben kann. Somit hat B der K das Grundstück wirksam übereignet und K ist zurecht als Eigentümerin des Grundstücks ins Grundbuch eingetragen worden. B hat gegen K also keinen Anspruch auf Grundbuchberichtigung aus § 894 BGB in Ansehung dieser Eintragung, der gem. § 899 I BGB durch den in Frage stehenden Widerspruch abgesichert werden könnte.
Der Widerspruch ist also unabhängig von der Einhaltung der formalen Voraussetzungen in § 899 II BGB materiell-rechtlich unwirksam, sodass das Grundbuch in Bezug auf die Eintragung des Widerspruchs unrichtig ist.
III. K als von der Eintragung des Widerspruchs Beeinträchtigte
Der angegriffene Widerspruch ist gegen die Eintragung der K als Eigentümerin des Grundstücks gerichtet. Somit ist K die von der Eintragung des Widerspruchs Beeinträchtigte i.S.d. § 894 BGB (analog).
IV. B als Betroffener der Grundbuchberichtigung
Der B ist als vormals eingetragener Eigentümer der durch den Widerspruch Begünstigte und somit der von der angestrebten Grundbuchberichtigung Betroffene i.S.d. § 894 BGB (analog).
B. Ergebnis
K hat gegen B somit einen Anspruch auf Zustimmung zur Löschung des Widerspruchs aus § 894 BGB analog.
.
Zusammenfassung
- § 1 II SchwarzArbG bezweckt die Verhinderung von Schwarzarbeit als solcher. Dies dient nicht allein der Unterbindung von Steuerhinterziehung, sondern auch der Prävention der damit einhergehenden Gefährdung des Wettbewerbs. Zur Durchsetzung des Schwarzarbeitsverbots ist es erforderlich, dem gesamten Werkvertrag, der unter Vereinbarung von Schwarzarbeit zustande gekommen ist, die Wirksamkeit zu versagen. Ein Verstoß führt damit zur Nichtigkeit nach § 134 BGB.
- Eine Norm, welche konkret die notarielle Unterverbriefung beim Grundstückskauf verbietet, existiert nicht. Allerdings enthält § 370 I Nr. 1 AO das allgemeine Verbot, Steuern zu hinterziehen, das auch in solchen Fällen zum Tragen kommt. Schutzzweck des § 370 I Nr. 1 AO ist dabei nicht Schutz des Wettbewerbs, sondern die Sicherung des Steueraufkommens.
- Wegen der unterschiedlichen Zweckrichtungen der Verbote in § 1 II SchwarzArbG und § 370 I Nr. 1 AO kann die Rechtsprechung zu § 1 II SchwarzArbG nicht ohne Weiteres auf Fälle der Unterverbriefung übertragen werden.
- Die Nichtigkeit von Verträgen mit sog. „Schwarzgeldabrede“, hängt davon ab, ob die Steuerhinterziehung der Hauptzweck des Vertrages ist oder ob der Leistungsaustausch im Vordergrund steht.
- Enthält das Grundbuch einen materiell-unrichtigen Widerspruch, kann derjenige, dessen Recht durch den Widerspruch beeinträchtigt wird, einen Anspruch auf Zustimmung zur Löschung des Widerspruchs aus § 894 BGB geltend machen.