BGH, Urteil vom 28.12.2023- X ZR 11/21, NJW 2024, 1113
Sachverhalt
(abgewandelt)
K1 und K2 sind die Kinder aus der ersten Ehe des am 06.09.2023 verstorbenen Erblassers E. Diese erste Ehe wurde geschieden. Seit 1995 war der E dann bis zu seinem Tode mir der F verheiratet. Aus dieser Ehe stammt S, der 1998 geborene gemeinsame Sohn von E und F. Am 27.07.1995 vereinbarten E und F im Rahmen eines notariellen Ehevertrags wirksam Gütertrennung.
Am 12.12.1995 übereignete der im Jahr 2019 verstorbene Vater des E (V) dem E ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück in München. Im Rahmen des der Übereignung zugrundeliegenden Schenkungsvertrages verpflichtete sich E gegenüber V bei gleichzeitiger Anwesenheit vor dem Notar im Zuge einer notariellen Vereinbarung mit dem Titel „Hausübergabe“ unter bestimmten Voraussetzungen zur Rückübereinung des Grundstücks an V bzw. zur Übereignung an seine Kinder K1 und K2. Außerdem vereinbarten E und V, dass K1 und K2 das Grundstück spätestens zum Zeitpunkt des Ablebens des E zu je 50% erhalten sollten, falls E es nicht schon zu seinen Lebzeiten übereignen sollte. Dies stünde ihm nach dem Tod des V jederzeit zu. Sollten K1 oder K2 bereits vor dem Tode des E versterben, so sollten die jeweiligen leiblichen Abkömmlinge zu gleichen Teilen anstatt des Verstorbenen erwerbsberechtigt sein.Bis zu seinem Tod im Jahr 2023 nahm der E keine Übereignung des Grundstücks vor. Seit dem Tod des E sind K1, K2, S und F als Miterben Eigentümer des Grundstücks.
Am 12.12.1995 übereignete der im Jahr 2019 verstorbene Vater des E (V) dem E ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück in München. Im Rahmen des der Übereignung zugrundeliegenden Schenkungsvertrages verpflichtete sich E gegenüber V bei gleichzeitiger Anwesenheit vor dem Notar im Zuge einer notariellen Vereinbarung mit dem Titel „Hausübergabe“ unter bestimmten Voraussetzungen zur Rückübereinung des Grundstücks an V bzw. zur Übereignung an seine Kinder K1 und K2. Außerdem vereinbarten E und V, dass K1 und K2 das Grundstück spätestens zum Zeitpunkt des Ablebens des E zu je 50% erhalten sollten, falls E es nicht schon zu seinen Lebzeiten übereignen sollte. Dies stünde ihm nach dem Tod des V jederzeit zu. Sollten K1 oder K2 bereits vor dem Tode des E versterben, so sollten die jeweiligen leiblichen Abkömmlinge zu gleichen Teilen anstatt des Verstorbenen erwerbsberechtigt sein.Bis zu seinem Tod im Jahr 2023 nahm der E keine Übereignung des Grundstücks vor. Seit dem Tod des E sind K1, K2, S und F als Miterben Miteigentümer des Grundstücks.
K1 und K2 begehren von S und F Zustimmung zur (anteiligen) Übertragung des genannten Grundstücks auf K1 und K2 sowie die Bewilligung von deren Eintragung im Grundbuch zu jeweils 1/2 als Miteigentümer. F und S verweigern dies allerdings, da sie der Ansicht sind, dass K1 und K2 schon keinen entsprechenden Anspruch hätten. Ihrer Ansicht nach handele es sich bei der Verpflichtung des E gegenüber V, das Grundstück bis zu seinem Tod an K1 und K2 zu übereignen, um eine gem. § 2302 BGB nichtige Verpflichtung zur Verfügung von Todes wegen.
Steht K1 und K2 der geltend gemachte Anspruch zu?
Bearbeiterhinweis: Gehen Sie bei Ihrer Bearbeitung davon aus, dass E beim Abschluss seiner Vereinbarung mit V unbeschränkt geschäftsfähig war.
Der Sachverhalt wurde größtenteils dem BGH-Urteil entnommen, allerdings wurden einige Anpassungen vorgenommen:
In dem Sachverhalt, welcher dem BGH-Urteil zugrunde lag, erfolgte die ursprüngliche Vereinbarung von E und V im Jahr 1995 und beinhaltete (zumindest im Text der notariellen Urkunde) noch keinen Passus, in dem sich E verpflichtete, spätestens zu seinem Tod Eigentum an dem Grundstück auf K1 und K2 zu übertragen. Dies erfolgte erst in einer zweiten Vereinbarung im Jahr 2003. Im Aufgabentext wurde diese Problematik herausgelassen, um die Prüfung etwas zu vereinfachen. In dem Fall gab es überdies am 25.06.2008 einen weiteren „Nachtrag“, in dem sich E gegenüber V verpflichtete, das Grundstück spätestens bei seinem Ableben zu je 1/3 an K1, K2 und S zu übereignen. Auf die Einbeziehung des S in den Kreis der Berechtigten wurde hier verzichtet, um Verwirrungen hinsichtlich der Berechtigten und Verpflichteten möglichst zu verhindern. Die Probleme des Falles ändern sich dadurch nicht wesentlich.
Für den BGH war weder feststellbar, ob es sich bei dem Grundstück um einen so erheblichen Teil des Vermögens des E handelte, dass dieses nahezu das gesamte Vermögen ausmachte, noch ob E und F wirksam Gütertrennung vereinbarten. Da beides ein mögliches Zustimmungserfordernis nach § 1365 BGB betreffen würde, hat der BGH die Sache zur Entscheidung an das Berufungsgericht OLG München zurückverwiesen [1]Vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 84 f. Hier wurde im Sachverhalt davon ausgegangen, dass Gütertrennung besteht und somit § 1365 BGB in der Bewertung keine Rolle spielt.
Eine Rückverweisung an das OLG München erfolgte auch deshalb, weil nicht endgültig festgestellt werden konnte, ob außerhalb der notariellen Urkunde der „Hausübertragung“ liegende Gründe eine Auslegung selbiger in der Form gebieten würden, dass die in den Nachträgen festgehaltenen Vereinbarungen bereits in der ursprünglichen „Hausübertragung“ getroffen wurden.[2]Vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 62 ff. Da im hier dargestellten Sachverhalt der Inhalt der Nachträge bereits in die ursprüngliche Vereinbarung aus dem Jahr 1995 integriert wurden, erübrigt sich diese Problematik bei der Bearbeitung des dargestellten Falles ohnehin.
In der Originalabrede fanden sich wiederum Auflagen an K1 und K2, nach denen sie sich im Falle der Schenkung des Grundstücks wiederum verpflichten müssen, auf ihren Pflichtteil und ihre Erbrechte am Nachlass des E zu verzichten. Dies wurde hier weggelassen, um den Sachverhalt nicht zu überfrachten und die Bearbeiter nicht gänzlich zu überfordern.[3]Ausführungen dazu, warum dies im vorliegenden Fall keine erheblichen Auswirkungen auf die in Frage stehenden Ansprüche hat, finden sich in BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 58 f.
Darüber hinaus wurde der dem BGH-Urteil ausdrücklich zugrundeliegende Sachverhalt teilweise um Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen ergänzt. Der Sachverhalt wurde außerdem in einigen wenigen Punkten über den vom BGH und den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt hinausgehend kontextualisiert, um den Zugang zu dem Fall zu vereinfachen. Einige Daten wurden verändert.
Skizze
Gutachten
Es handelt sich bei dem vorliegenden Urteil zwar um ein Versäumnisurteil, da die Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Dies ist für die rechtlichen Einordnungen, die dem Urteil zugrundeliegen, jedoch unerheblich, da das BGH-Urteil dennoch auf einer umfassenden Sachprüfung basiert.[4]Vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 7 f.
Sollte über diese Bearbeitung hinaus das BGH-Urteil zum Verständnis herangezogen werden, ist es ratsam, sich auch das ursprüngliche Berufungsurteil des OLG München (OLG München, Urteil vom 08.02.2021 – 33 U 4723/20) zu Gemüte zu führen, da sich dort weiterer Kontext zum Fallfindet.
Nicht verwirren lassen sollte man sich außerdem von BGH, Beschl. vom 12.09.2023 – X ZR 11/21 (Revisionszulassung) und BGH, Beschl. vom 10.07.2024 – X ZR 11/21 (Zurückweisung einer Er-innerung gegen die Kostenrechnung).
A. Anspruch aus § 1967 Abs. 1 BGB i.V.m. § 525 i.V.m. §§ 328, 330 S. 2 BGB
K1 und K2 könnte gegen S und F ein Anspruch auf Zustimmung zur (anteiligen) Übertragung des genannten Grundstücks sowie auf Bewilligung ihrer Eintragung im Grundbuch zu jeweils 1/2 als Miteigentümer zustehen. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn eine entsprechende Nachlassverbindlichkeit bestehen würde, für die S und F als Erben des E gem. § 1967 Abs. 1 BGB haften müssten.
I. Nachlassverbindlichkeit
Fraglich ist zunächst, ob die dafür erforderliche Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 1967 Abs. 2 BGB besteht.
Vernetztes Lernen:NachlassverbindlichkeitenGem. § 1967 BGB haften die Erben für die sog. „Nachlassverbindlichkeiten“ als persönliche Schuldner.[5]Vgl. Grüner in BeckOGK, Stand 01.10.2024, BGB § 1967, Rn. 2. Dabei kann zwischen Erblasserschulden (§ 1967 Abs. 2 Alt. 1 BGB) und Erbfallschulden (§ 1967 Abs, 2 Alt. 2 BGB) differenziert werden.[6]Vgl. Grüner in BeckOGK, Stand 01.10.2024, BGB § 1967, Rn. 2. Darüber hinaus werden teilweise auch die sog. „Nachlasserbenschulden“, bei denen es sich um die Verbindlichkeiten handelt, welche die Erben (auch Vorerben) im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung eingehen,[7]Vgl. Küpper in MüKo BGB, 9. Aufl. 2022, BGB § 1967 Rn. 17. unter die Nachlassverbindlichkeiten gefasst.[8]Vgl. z.B. Grüner in BeckOGK, Stand 01.10.2024, BGB § 1967, Rn. 2. Die konkrete Einordnung ist jedoch umstritten.[9]Dazu: Küpper in MüKo BGB, 9. Aufl. 2022, BGB § 1967 Rn. 16.
Bei den Erblasserschulden i.S.d. § 1967Abs. 2 Alt. 1 BGB handelt es sich um die privatrechtlichen Verbindlichkeiten des Erblassers, die bereits in der Person des Erblassers begründet werden und daher im Rahmen der Universalsukzession nach § 1922 BGB auf den/die Erben übergehen.[10]Vgl. Küpper in MüKo BGB, 9. Aufl. 2022, BGB § 1967 Rn. 5.
Erfallschulden i.S.d. § 1967 Abs. 2 Alt. 2 BGB sind diejenigen Verbindlichkeiten, die aus Anlass des Erbfalls und in Bezug auf den Nachlass entstehen.[11]Küpper in MüKo BGB, 9. Aufl. 2022, BGB § 1967 Rn. 10. Darunter fallen neben den in § 1967 Abs. 2 Alt. 2 BGB ausdrücklich genannten Verbindlichkeiten z.B. auch die Kosten für die Beerdigung des Erblassers und der Todeserklärung.[12]Ebd. Enthalten sind außerdem die Verbindlichkeiten, die aus dem Nachlassverfahren selbst sowie aus der Nachlassverwaltung entstehen.[13] Küpper in MüKo BGB, 9. Aufl. 2022, BGB § 1967 Rn. 11 ff.
Die vornehmliche Besonderheit von Nachlassverbindlichkeiten besteht in der Möglichkeit der Haftungsbeschränkung. So kann der Erbe bei Überschuldung des Nachlasses die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten gem. §§ 1975 ff. BGB auf den Nachlass beschränken. Erforderlich ist dafür entweder die Anordnung der Nachlassverwaltung (§ 1981 BGB) oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens (§ 1980 BGB). Außerdem kann der Erbe ein Aufgebotsverfahren (§§ 1970 ff., 454 ff. FamFG) beim Nachlassgericht beantragen und gegenüber den im Rahmen des Aufgebotsverfahrens ausgeschlossenen Gläubigern bei Erschöpfung des Nachlas-ses die Erschöpfungseinrede (§ 1973 Abs. 1 S. 1 BGB) erheben. Genügt der Wert des Nachlasses nicht, eine Nachlassverwaltung oder ein Nachlassinsolvenzverfahren durchzuführen, kann sich der Erbe auf die Dürftigkeitseinrede aus § 1990 Abs. 1 S. 1 BGB berufen. Innerhalb der ersten drei Monate nach der Erbschaftsannahme steht dem Erben außerdem die aufschiebende Dreimonatsreinrede (§ 2014 BGB, maximal bis zur Errichtung des Inventars) zu. Sobald der Erbe einen Antrag auf Einleitung des Aufgebotsverfahrens gestellt hat, steht ihm gem. § 2015 BGB ebenfalls eine aufschiebende Einrede zu.
Für die Haftung der Miterben für Nachlassverbindlichkeiten gelten §§ 2059 ff. BGB
Es würde eine Erblasserschuld i.S.d. § 1967 Abs. 2 Alt. 1 BGB bestehen, wenn K1 und K2 ein Anspruch auf Eigentumsübertragung und Bewilligung der Eintragung im Grundbuch als Miteigentümer bereits gegen den Erblasser E zustand. In Ansehung der von V und E getroffenen Vereinbarung, könnte K1 und K2 ein solcher Anspruch gegen E aus einer Schenkungsauflage zugunsten Dritter (§ 525 i.V.m. §§ 328, 330 S. 2 BGB) zugestanden haben.
1. Schenkungsvertrag zwischen E und V, § 516 BGB
E und V haben am 12.12.1995 einen Schenkungsvertrag i.S.d. § 516 BGB geschlossen.
2. Vereinbarung einer Schenkungsauflage zugunsten Dritter, § 525 i.V.m. §§ 328, 330 S. 2 BGB
Darüber hinaus müssten E und V in diesem Zuge auch eine wirksame Schenkungsauflage vereinbart haben, in welcher sich E dazu verpflichtet, das Eigentum an dem Grundstück auf K1 und K2 zu übertragen.
a) Schenkungsauflage, § 525 BGB
Im Rahmen der Schenkung trafen E und V die „Hausübergabe“ genannte Vereinbarung, nach welcher sich E unter bestimmten Bedingungen zur Rückübereignung des Grundstücks an V oder zur Übereignung an K1 und K2 verpflichtet. Insbesondere wurde festgehalten, dass eine Übereignung an K1 und K2 zu gleichen Teilen spätestens mit dem Tod des E erfolgen soll. Es handelt sich bei dieser Vereinbarung um eine Verpflichtung des E gegenüber V, die schon denklogisch nicht in einem synallagmatischen Verhältnis zur Schenkungsverpflichtung des V stehen kann, sondern erst mit der Vollziehung der Schenkung durch Übereignung des in Frage stehenden Grundstücks entstehen soll.[14]Vgl. zu den Voraussetzungen der Schenkungsauflage: Harke in BeckOGK, Stand 01.07.2024, BGB § 525 Rn. 5 ff. Zum einen kann der E vor der Übereignung nicht selbst über das Eigentumsrecht an dem Grundstück verfügen, zum anderen macht die Vereinbarung deutlich, dass die Übereignung an K1 und K2 zwar innerhalb eines bestimmten Rahmens erfolgen soll, dieser dem E jedoch einen gewissen – insbesondere zeitlichen – Spielraum bietet. Es handelt sich somit um eine Schenkungsauflage i.S.d. § 525 BGB.
b) Eigenes Forderungsrecht von K1 und K2
Insbesondere in der Abrede bzgl. der Übereignung spätestens mit dem Tod des E wird eine Leistung zugunsten K1 und K2 als Dritte vereinbart. Eine solche Schenkungsauflage kann grundsätzlich wirksam vereinbart werden.[15]Vgl. dazu Harke in BeckOGK, Stand 01.07.2024, BGB § 525 Rn. 7. Da nichts Gegenteiliges vereinbart worden ist, greift dabei die Vermutung des § 330 S. 2 BGB, nach welcher Abreden mit einem unentgeltlich Bedachten, die eine Auflage in Form der Leistung an einen Dritten beinhaltet, ein eigenes Forderungsrecht des Dritten zum Gegenstand haben sollen und somit einen Vertrag zugunsten Dritter i.S.d. § 328 BGB darstellen. K1 und K2 steht aus der Abrede also grundsätzlich auch ein eigenes Forderungsrecht zu.
c) Wirksamkeit der Vereinbarung
Fraglich ist allerdings, ob die von E und V getroffene Vereinbarung einer Schenkungsauflage zugunsten Dritter auch wirksam ist.
aa) Formerfordernis des § 311b Abs. 1 BGB
Durch die notarielle Beurkundung haben E und V in ihrer Abrede die von § 311b Abs. 1 BGB vorgeschriebene Form für rechtsgeschäftliche Verpflichtungen zur Übertragung des Eigentums an Grundstücken gewahrt.
Anmerkung: Zum Formerfordernis im vorliegenden FallZwar bedarf eine Schenkungsauflage nicht der für ein Schenkungsversprechen nach § 518 BGB erforderlichen Form, da die von § 518 BGB verfolgten Ziele des Schutzes des Schenkers vor Übereilung und der Dokumentation der Schenkung in einem solchen Fall nicht einschlägig sind.[16]Vgl. Harke in BeckOGK, Stand 01.07.2024, BGB § 518 Rn. 15. Im vorliegenden Fall verpflichtet sich der E im Rahmen der Schenkungsauflage allerdings zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück, sodass sich das Bedürfnis der notariellen Beurkundung aus § 311b Abs. 1 BGB ergibt
bb) Kein Verstoß gegen § 2302 BGB
Allerdings könnte es sich bei der von E und V getroffenen Vereinbarung, nach welcher E das Eigentum an dem Grundstück spätestens bei seinem Tod auf K1 und K2 zu übertragen hat, um eine Verpflichtung zur Errichtung einer Verfügung von Todes wegen handeln, die gem. § 2302 BGB nichtig wäre.
Anmerkung: Schwerpunkt des BGH-UrteilsDie Frage nach dem Verstoß gegen § 2302 BGB bildet den Schwerpunkt des vorliegenden BGH-Urteils. Die Problematik besteht darin, dass sich E in der Schenkungsauflage verpflichtet, spätestens mit seinem Tode eine unentgeltliche Übertragung des geschenkten Hauses auf K1 und K2 vorzunehmen. Wegen der Nähe einer solchen Vereinbarung zum Fall des Schenkungsversprechens von Todes wegen (§ 2301 BGB), auf welches die Vorschriften über Verfügungen von Todes wegen Anwendung finden, besteht die Möglichkeit, dass es sich bei einer Schenkungsauflage, die zur Eigentumsübertragung im Zusammenhang mit dem Tod des Schenkers verpflichten soll, um eine gem. § 2302 BGB nichtige Verpflichtung zur Verfügung von Todes wegen oder ein Geschäft zur Umgehung dieser Nichtigkeit handelt. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser in der Literatur umstrittene Frage hatte es zuvor nicht gegeben.
(1) Grundsätzliche Möglichkeit einer solchen Vereinbarung
Ob in Ansehung des § 2302 BGB grundsätzlich die Möglichkeit der Vereinbarung einer Schenkungsauflage, nach der eine unentgeltliche Übertragung des geschenkten Gegenstandes auf einen Dritten spätestens mit dem Ableben des Beschenkten erfolgen soll, besteht, ist umstritten.
(a) Ein Teil der Literatur[17]z.B. Feick, ZEV 2002, 85 (87); Chiusi in Staudinger, Aufl. X. 2021, BGB § 525 Rn. 19. hält eine solche Gestaltung grundsätzlich für wirksam, da es sich bei einer solchen Schenkungsauflage um ein Rechtsgeschäft unter Lebenden handele, welches die Testierfreiheit des Beschenkten nicht betreffe.[18]BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 24 mwN. Die Verpflichtung zur Weitergabe des Gegenstands der Schenkung bestehe schon zu Lebzeiten des Beschenkten[19]BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 25. und beträfe überdies nur einen Teil des Vermögens des Beschenkten, der ohne die Vereinbarung der entsprechenden Auflage womöglich gar nicht in dessen Vermögen gelangt werden.
(b) Andere Teile der Literatur[20]z.B. Koch in MüKo BGB, 9. Aufl. 2023, BGB § 525 Rn. 3, der nur sog. „kaptatorische Verfügungen“ als zulässig ansieht, bei denen eine Zuwendung durch die Erstellung einer Verfügung von Todes … Continue reading sehen in einer solchen Gestaltung hingegen die Beschränkung der Testierfreiheit des Beschenkten in Form der Anordnung eines Nachvermächtnisses oder zumindest in Form eines unzulässigen Umgehungsgeschäftes und somit einen Verstoß gegen § 2302 BGB.[21]BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 26 f. mwN.
(c) Der BGH verfolgt demgegenüber eine differenzierende Auffassung, nach welcher eine solche Schenkungsauflage immer dann gem. § 2302 BGB unwirksam ist, wenn sie den Beschenkten dazu verpflichtet, seinerseits gegenüber einem Dritten ein Schenkungsversprechen von Todes wegen i.S.d. § 2301 BGB abzugeben – also ein Schenkungsversprechen, welches unter der Bedingung erteilt wird, dass der Beschenkte den Schenker überlebt.[22]Das ist mE die Essenz aus BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 25 – 61.
Umgekehrt ist eine Schenkungsauflage, nach der eine unentgeltliche Übertragung des geschenkten Gegenstandes auf einen Dritten spätestens mit dem Ableben des Beschenkten erfolgen soll, immer dann wirksam, wenn sie entweder (1) den Beschenkten bereits zu einem Rechtsgeschäft unter Lebenden verpflichtet,[23]Vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 25 – 42. (2) aus anderen Gründen dafür Sorge trägt, dass die vorgesehene Pflicht nicht unter der Bedingung steht, dass der begünstigte Dritte den Beschenkten überlebt[24]Vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 51 – 54. oder (3) den Beschenkten entgegen § 2302 BGB nicht zu einer Abgabe eines Schenkungsversprechens sondern unmittelbar zur Verfügung des Gegenstands verpflichtet.[25]Vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 43 – 45, 55 – 61; wobei zu beachten ist, dass es sich in diesen Fällen unter Umständen um ein Schenkungsversprechen von Todes wegen handelt, … Continue reading
Anmerkung: Erklärung des hier gewählten Aufbaus und entsprechende Ausführungen im UrteilDer hier verfolgte Aufbau ist mit den Ausführungen des Urteils auf den ersten Blick nicht deckungsgleich. Das ergibt sich daraus, dass der BGH sich mit seinen Ausführungen in den Rn. 22 – 61 in der Frage nach der Wirksamkeit einer Schenkungsauflage der hier beschriebenen Form mE keiner der (hier als (1) und (2) dargestellten) bereits bestehenden Ansichten anschließt, sondern eine neue, vermittelnde Ansicht (hier als (3) dargestellt) aufstellt. Diese Darstellung in der hiesigen beispielhaften Bearbeitung hat überdies den Vorteil, dass sie die ansonsten in ihrer Gesamtheit nur schwer zu erfassenden Ausführungen des BGH aufteilt: Im Streitstand wird die vom BGH vermittelnde Ansicht zusammengefasst, im Streitentscheid die entsprechende Argumentation dargestellt und im Anschluss die konkrete Abrede anhand der vom BGH aufgestellten Anforderungen geprüft. Selbstverständlich ist in der Klausur aber auch ein anderer Aufbau möglich!
(d) Da die Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, ist ein Streitentscheid geboten.
(aa) In Ansehung der §§ 2301, 2302 BGB kann jedenfalls nicht der Ansicht gefolgt werden, welche eine Schenkungsauflage, nach der eine Übereignung an einen begünstigten Dritten spätestens mit dem Tod des Beschenkten zu erfolgen hat, stets als wirksam ansieht. Verpflichtet eine solche Abrede den Beschenkten nämlich zur Abgabe eines Schenkungsversprechens, welches unter der Bedingung steht, dass die begünstigten Dritten den Beschenkten überleben, ist dies als Verpflichtung zur Abgabe eines Schenkungsversprechens von Todes wegen anzusehen,[26]BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 34. für welches § 2301 BGB ausdrücklich die Anwendung der Vorschriften der Verfügung von Todes wegen anordnet.[27]Vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 35 f. Eine entsprechende Verpflichtung würde dann dem klaren Wortlaut des § 2302 BGB, der die Verpflichtung zur Errichtung einer Verfügung von Todes wegen ausdrücklich untersagt, entsprechend zur Nichtigkeit der Schenkungsauflage führen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Schenkung in diesen Fällen nur unter der Auflage erfolgt, das in Frage stehende Vermögen ohne die entsprechende Auflage der Abgabe eines Schenkungsversprechens also unter Umstände gar nicht der Erbmasse unterfallen würde, bzgl. derer § 2302 BGB die Testierfreiheit schützt.[28]Vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 40 ff. Da die Schenkung, sofern sie ohne eine entsprechende Auflage erfolgt, durchaus die Möglichkeit bietet, über den Gegenstand frei zu verfügen/zu testieren, liegt trotzdem in der Schenkungsauflage, die zu einer Verfügung i.S.d. § 2301 BGB verpflichtet, gerade eine Rechtshandlung, die durch § 2302 BGB eindeutig verhindert werden soll.[29]So zumindest meine Interpretation der etwas nebulösen Ausführungen in BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 40 – 42.
Anmerkung: Ausführungen des BGH zur mehrmaligen BGH Weitergabe eines geschenkten GegenstandesIn Rn. 37 – 39 geht der BGH explizit darauf ein, dass der Tatbestand des § 2302 BGB auch Klauseln erfasst, in welcher sich der Beschenkte lediglich zur einmaligen Weitergabe des geschenkten Gegenstandes verpflichtet und nicht nur dann greift, wenn eine dauerhafte Regelung über mehrere Generationen erfolgen soll. Dies ergibt sich mE selbstverständlich aus dem Wortlaut des § 2302 BGB (insbesondere in Zusammenschau mit § 2301 BGB) und wurde daher hier nicht in den Gutachtentext aufgenommen.
Dass der BGH überhaupt auf diesen Punkt eingeht, ist damit zu erklären, dass ein Teil der Literatur, der eine Schenkungsauflage der in Frage stehenden Form generell nicht unter § 2302 BGB fassen möchte, dies auch damit begründet, dass ein maßgeblicher Zweck des § 2302 BGB darin liegt, im vertraglichen Wege eine mit einem Fideikommiss vergleichbare Regelung Rechtsfolge zu schaffen. Bei einem Fideikommiss handelte es sich um ein Rechtsinstitut, bei dem eine Vermögensmasse auf Dauer geschlossen und unveräußerlich in der Hand einer Stiftung gebunden war, wobei lediglich dem sog. Fideikommissbesitzer ein Nießbrauchsrecht zustand. Es gab einem Erblasser somit die Möglichkeit, die Zukunft einer Vermögensmasse viele Generationen über seinen Tod hinaus zu bestimmen. Fideikommisse wurden in Deutschland seit 1919 nach und nach aufgelöst, die Auflösung gilt seit 2007 als abgeschlossen. Das Argument der genannten Literaturansicht ist demnach, dass eine Anwendung des § 2302 bei einer bloß einmaligen Verpflichtung zur unentgeltlichen Übertragung auf einen Dritten unabhängig von ihrer Ausgestaltung nicht zum Tragen kommen kann, da dies nicht der Intention des in § 2302 BGB statuierten Verbots entspräche. Dieser Auffassung hat der BGH durch seine Ausführungen in Rn. 39 allerdings eine Absage erteilt.[30]Meines Erachtens völlig richtig auf die insofern eindeutige gesetzliche Regelung abstellend: BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 39.
(bb) Abzulehnen ist allerdings auch die Ansicht, nach welcher eine solche Gestaltung einer Schenkungsauflage stets jedenfalls als Umgehungsgeschäft nach § 2302 BGB nichtig ist. Schließlich enthält § 2302 BGB nur ein Verbot hinsichtlich Verfügungen von Todes wegen, wohingegen Rechtsgeschäfte unter Lebenden nicht betroffen sein sollen.[31]BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 32 Wird in einer Verpflichtung unter Lebenden festgehalten, dass eine Verfügung spätestens mit dem Tode des zur Verfügung Verpflichteten ausgeführt werden soll, so macht sie dies nicht automatisch zur Verpflichtung ein Schenkungsversprechen von Todes wegen abzugeben.[32]So BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 33. Vielmehr kann eine solche Abrede auch schon zu Lebzeiten einen Anspruch begründen, der – sofern er nicht bereits zu Lebzeiten des Beschenkten erfüllt wird – nach dem Tod des Beschenkten gem. § 1967 BGB gegenüber dessen Erben durchgesetzt werden kann. In einem solchen Fall liegt keine Verpflichtung zur Abgabe eines Schenkungsversprechens von Todes wegen i.S.d. § 2301 Abs. 1 BGB vor, da in diesen Fällen nicht die Bedingung statuiert wird, dass der begünstigte Dritte den Beschenkten überlebt.[33]Vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 34. Überdies muss eine Schenkungsauflage des genannten Inhalts in Ermangelung eines Verstoßes gegen § 2302 BGB auch dann wirksam sein, wenn sie gerade nicht die Verpflichtung erhält, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten, sondern nur die unmittelbare Verpflichtung von Todes wegen über Vermögen zu verfügen.[34]Vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 43 f. Eine solche Vermögensverfügung kann dann zwar trotzdem ein Schenkungsversprechen von Todes wegen sein, welches gem. § 2301 BGB in eine Verfügung von Todes wegen umgedeutet werden und somit der für den Erbvertrag festgesetzten Form entsprechen müsste.[35]Siehe dazu unten. Eine Nichtigkeit gem. § 2302 (i.V.m. § 2301 Abs. 1) BGB kann in diesen Fällen aber nicht angenommen werden, da diese Folge eben nur für Verpflichtungen zu solchen Verfügungen festgesetzt ist.[36]Ebd.
(cc) Zu folgen ist daher der letztgenannten, vermittelnden Ansicht, welche darauf abstellt, ob die Schenkungsauflage die Verpflichtung enthält, zugunsten des begünstigten Dritten ein Schenkungsversprechen unter der Bedingung abzugeben, dass der begünstigte Dritte den Beschenkten überlebt (Schenkungsversprechen von Todes wegen), welche gem. § 2302 i.V.m. § 2301 BGB zur Nichtigkeit der Schenkungsauflage führen würde.
(2) Zulässigkeit der Vereinbarung im konkreten Fall
Fraglich ist demnach, ob die konkrete von E und V getroffene Vereinbarung den soeben erarbeiteten Anforderungen an die Wirksamkeit einer Schenkungsauflage des fraglichen Inhalts entspricht. Dabei könnte zunächst dahinstehen, ob die Schenkungsauflage unter der Bedingung steht, dass K1 und K2 den E überleben, wenn die Schenkungsauflage den E nicht zur Abgabe eines Schenkungsversprechens gegenüber K1 und K2, sondern unmittelbar zur Übereignung des Grundstücks verpflichten würde. Dann würde nämlich unabhängig von der Einschlägigkeit des § 2301 BGB kein Verstoß gegen § 2302 BGB vorliegen.[37]Vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 43 – 45. Da es sich bei der Schenkungsauflage um einen echten Vertrag zugunsten Dritter handelt,[38]siehe bb) steht K1 und K2 unmittelbar ein eigenes Forderungsrecht bezüglich der Übereignung des in Frage stehenden Grundstücks zu. Durch die Abrede erhalten K1 und K2 damit unmittelbar denselben Anspruch, den auch ein ihnen gegenüber abgegebenes Schenkungsversprechen des E vermitteln würde.[39]So auch BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 55.
Anmerkung: Ausführungen zur Bedingung des ÜberlebensDer BGH führt in seinem Urteil dennoch im Kontext der Wirksamkeit der Vereinbarung im Lichte des § 2302 BGB dazu aus, ob die vereinbarte Schenkungsauflage unter der Bedingung des Überlebens von K1 und K2 steht.[40]Vgl. BGH, Urt. v. 28.11.2023 – X ZR 11/21 Rn. 49 f. Dies geschieht vermutlich hauptsächlich aus Zwecken der besseren Darstellung der Anforderungen an eine wirksame Schenkungsauflage der hier in Frage stehenden Form. Die entsprechenden Ausführungen finden sich in dieser Bearbeitung erst unter (3), wenn geprüft wird, ob es sich bei der Schenkungsauflage um ein Schenkungsversprechen von Todes wegen i.S.d. § 2301 BGB handelt, welches gem. § 2301 Abs. 1 BGB umgedeutet werden muss.
(3) Zwischenergebnis
Mithin verstößt die konkrete von E und V vereinbarte Schenkungsauflage nicht gegen § 2302 (i.V.m. § 2301 Abs. 1) BGB und ist nicht aus diesem Grund unwirksam.
cc) Umdeutung in Verfügung von Todes wegen, § 2301 Abs. 1 S. 1 BGB
Gerade weil die von E und V vereinbarte Schenkungsauflage (wie unter bb) (2) festgestellt) K1 und K2 einen unmittelbar auf die Übereignung des Grundstücks gerichteten Anspruch gegen E einräumt, könnte es sich jedoch um ein Schenkungsversprechen von Todes wegen handeln, für welches gem. § 2301 Abs. 1 S. 1 BGB die Vorschriften über die Verfügungen von Todes wegen Anwendung finden. In diesem Fall wäre das Schenkungsversprechen kraft Gesetzes in eine Verfügung von Todes wegen umzudeuten und die Normen des Schenkungsrechts (also auch § 525 BGB) wären nicht anwendbar.[41]Vgl. Musielak in MüKo BGB, 9. Aufl., 2022, BGB § 2301 Rn. 14; Litzenburger in BeckOK BGB, 71. Ed., Stand 01.08.2024, BGB § 2301 Rn. 8.
Anmerkung: Entsprechende Ausführungen im BGH-UrteilDer X. Zivilsenat behandelt den Umstand, dass die Abrede von E und V unter § 2301 Abs. 1 S. 1 BGB fällt, nur sehr oberflächlich und stellt schlicht fest, dass eine entsprechende Abrede gem. §§ 2174, 2278 Abs. 1 BGB als Vermächtnis im Rahmen eines Erbvertrages möglich wäre und E und V bei ihrer Abrede die dafür gem. § 2276 Abs. 1 BGB erforderliche Form eingehalten haben. Das ist dadurch zu erklären, dass der BGH im vorliegenden Fall nur zu entscheiden hatte, ob der von K1 und K2 geltend gemachte Anspruch bestand. Dabei machte es für die Be-lange des Urteils keinen Unterschied, ob es sich bei dem Anspruch um einen Anspruch aus einer Schenkungsauflage zugunsten Dritter als Erblasserschuld oder einen Vermächtnisan-spruch aus einem Erbvertrag als Erfallschuld handelt. Da in einer Klausur jedoch eine Prü-fung anhand der konkreten Anspruchsgrundlage vorzunehmen ist, können es sich Klausurbe-arbeiter nicht so einfach machen. Sie müssen das Ganze dezidierter prüfen und gegebenenfalls in die Prüfung eines Vermächtnisanspruchs übergehen
(1) Vorliegen eines Schenkungsversprechens von Todes wegen, § 2301 Abs. 1 S. 1 BGB
Bei der Schenkungsauflage würde es sich um ein Schenkungsversprechen i.S.d. § 2301 Abs. 1 S. 1 BGB handeln, wenn der Anspruch von K1 und K2 unter der Bedingung stehen würde, dass sie den E überleben.
(a) Dies wäre jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Schenkungsauflage den E zu einem Rechtsgeschäft unter Lebenden verpflichten würde, K1 und K2 also schon vor dem Ableben des E ein Anspruch aus der Schenkungsauflage zugestanden hätte. Problematisch ist in diesem Kontext, dass durch die von E und V getroffene Vereinbarung zwar grds. ein bereits zu Lebzeiten des E erfüllbarer Anspruch von K1 und K2 aus § 525 i.V.m. §§ 328, 330 S. 2 BGB geschaffen wird, dieser jedoch erst mit dem Tod des E fällig wird.[42]Vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 49.
Die Durchsetzbarkeit der Verpflichtung zur Eigentumsübertragung war damit zwar bereits unmittelbar (im Sinne einer juristischen Sekunde) vor dem Tod des E durchsetzbar, entstand praktisch aber erst nach dessen Tod, sodass eine Inanspruchnahme des E zu Lebzeiten faktisch ausgeschlossen war.[43]BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 50. Die Verpflichtung entstand praktisch erst mit dem Tod des E und muss daher auch als erst mit dem Tod des E entstehende Verpflichtung behandelt werden.[44]Ebd. Die Schenkungsauflage verpflichtete E also erst von Todes wegen.
(b) Allerdings könnte die Schenkungsauflage deswegen nicht unter der Bedingung stehen, dass K1 und K2 den E überleben, weil E und V vereinbarten, dass im Falle des Vorversterbens von K1 und K2 deren leibliche Abkömmlinge an ihre jeweilige Stelle treten. Eine Bedingung i.S.d. § 2301 BGB wird dann angenommen, wenn der Anspruch aus dem Schenkungsversprechen nicht auf seine Erben übergeht, sondern im Falle des vorherigen Versterbens auf eine andere Person übergeht oder erlischt.[45]BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 52.
Der Übergang auf die leiblichen Abkömmlinge von K1 und K2 gilt unabhängig davon, ob sie Erben werden oder nicht. Anderen möglichen Erben von K1 und K2 steht dagegen kein Erwerbsrecht zu, sodass die Abrede nicht dazu führt, dass keine Bedingung i.S.d. § 2301 BGB besteht.
(c) Der Anspruch von K1 und K2 aus der Schenkungsauflage steht somit unter der Bedingung, dass sie den E überleben. Bei der Schenkungsauflage handelt es sich mithin um ein Schenkungsversprechen von Todes wegen i.S.d. § 2301 Abs. 1 S. 1 BGB.[46]So ausdrücklich auch BGH, Urteil vom 28.11.2023 – X ZR 11/21, Rn. 60 f.
Anmerkung: Schenkungsauflage zugunsten Dritter ist nicht gleich Schenkung zugunsten DritterHier darf man sich von der etwas unüblichen Konstellation nicht aus der Ruhe bringen lassen. Zwar handelt es sich bei der von E und V ausgehandelten Schenkungsauflage um einen Vertrag zugunsten Dritter, da die Auflage den E zur Übereignung des Grundstücks an K1 und K2 verpflichtet. Darin ist aber keine Schenkung zugunsten Dritter zu sehen. Eine solche Konstellation liegt dann vor, wenn der Schenker (=Versprechensempfänger) mit dem Versprechenden vereinbart, dass ein Dritter (Beschenkter) schenkweise das Recht erwirbt von dem Versprechenden eine Leistung zu verlangen. Diese Konstellation findet sich regelmäßig bei sog. „Schenkungen auf den Todesfall zugunsten Dritter“, auf welche der BGH und die h.M. in der Litera-tur § 2301 BGB nicht anwenden wollen.[47]Vgl. dazu Litzenburger in BeckOK BGB, 71. Ed. Stand 01.08.2024, BGB § 2301 Rn. 16. In dem hier dargestellten Fall entfaltet die Schenkungsauflage zugunsten Dritter jedoch die Wirkung einer klassischen Schenkung auf den Todesfall, da K1 und K2 mit dem Todesfall des E schenkweise das Recht erwerben, von diesem (bzw. aus dessen Nachlass) Übereignung des in Frage stehenden Grundstücks zu fordern.
(2) Rechtsfolge: Umdeutung nach § 2301 Abs. 1 S. 1 BGB
Gem. § 2301 Abs. 1 S. 1 BGB tritt demnach eine gesetzlich angeordnete Umdeutung der Schenkungsauflage in eine Verfügung von Todes wegen statt.[48]Vgl. Musielak in MüKo BGB, 9. Aufl., 2022, BGB § 2301 Rn. 14; Litzenburger in BeckOK BGB, 71. Ed., Stand 01.08.2024, BGB § 2301 Rn. 8. Daher kann K1 und K2 kein Schenkungsanspruch bzw. kein Anspruch aus § 525 i.V.m. §§ 328, 330 BGB zustehen, da ein solcher Anspruch im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen nicht eingeräumt werden kann.[49]Vgl. ebd. Die Verfügungsmöglichkeiten im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen richten sich nach denen des Erbvertrages, sodass § 2278 Abs. 2 BGB maßgeblich ist.
3. Zwischenergebnis
Die erforderliche Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 1967 BGB besteht jedenfalls nicht in einem Anspruch aus einer Schenkungsauflage zugunsten Dritter (§ 525 i.V.m. §§ 328, 330 S. 2 BGB).
II. Ergebnis
K1 und K2 steht gegen S und F kein Anspruch auf Zustimmung zur (anteiligen) Übertragung des genannten Grundstücks sowie auf Bewilligung ihrer Eintragung im Grundbuch zu jeweils 1/2 als Miteigentümer gem. § 1967 i.V.m. § 525 i.V.m. §§ 328, 330 S. 2 BGB zu.
B. Anspruch aus §§ 2174, 2278 Abs. 2 BGB
K1 und K2 könnte ein solcher Anspruch gegen S und F allerdings gem. §§ 2174, 2278 Abs. 2 BGB aus einem Vermächtnis zustehen.
I. K1 und K2 als Vermächtnisnehmer
Dies würde voraussetzen, dass K1 und K2 Vermächtnisnehmer sind. Möglicherweise ergibt sich das aus der Vereinbarung „Hausübertragung“, die gem. § 2301 Abs. 1 S. 1 BGB in eine Verfügung von Todes wegen umzudeuten ist und auf welche in der Folge die Vorschriften des Erbvertrages Anwendung finden.
1. Form des Erbvertrages, §§ 2274, 2275, 2276 Abs. 1 BGB
Die Abrede zwischen E und V genügt der von § 2276 Abs. 1 BGB für den Erbvertrag vorgeschriebenen Form der notariellen Beurkundung bei gleichzeitiger Anwesenheit. E war als Erblasser selbst am Abschluss des Erbvertrages beteiligt un dabei unbeschränkt geschäftsfähig (§§ 2274, 2275 BGB) Eine Mitwirkung der K1 und K2 als Vermächtnisnehmer ist bei dem Abschluss des Erbvertrages nicht erforderlich.
2. Vermächtnis als Inhalt des Erbvertrages
Der von V und E vereinbarte Anspruch auf Eigentumsübertragung entspricht einer Vereinbarung eines Vermächtnisses an dem Haus i.S.d. § 2174 BGB. Ein Vermächtnis kann gem. § 2278 Abs. 2 BGB durch Erbvertrag verfügt werden. Die Erbenstellung von K1 und K2 steht der Einsetzung als Vermächtnisnehmer ausweislich der Regelung des § 2150 BGB nicht entgegen.
II. S und F als Beschwerte
Gem. § 2147 S. 2 BGB sind im Zweifelsfall die Erben Beschwerte und somit Gegner des Vermächtnisanspruchs. Dies sind S und F sowie K1 und K2 selbst. Da K1 und K2 sich nicht selbst in Anspruch nehmen müssen, da davon auszugehen ist, dass sie auch ohne entsprechenden Titel an der Erfüllung ihres Vermächtnisanspruchs mitwirken, sind F und S als Beschwerte die richtigen Anspruchsgegner.
III. Inhalt des Vermächtnisanspruchs
Der Vermächtnisanspruch von K1 und K2 ist entsprechend der von E und V getroffenen Abrede auf Übereignung des in Frage stehenden Grundstücks gerichtet. Da dies gem. §§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1 BGB i.V.m. § 13 GBO die dingliche Einigung sowie die Bewilligung der Eintragung durch alle Miteigentümer (§ 747 BGB) voraussetzt, steht K1 und K2 ein Anspruch auf Zustimmung zur (anteiligen) Übertragung des genannten Grundstücks sowie auf Bewilligung ihrer Eintragung im Grundbuch zu jeweils 1/2 als Miteigentümer zu.
IV. Ergebnis
K1 und K2 haben gegen S und F einen Anspruch auf Zustimmung zur (anteiligen) Übertragung des genannten Grundstücks sowie auf Bewilligung ihrer Eintragung im Grundbuch zu jeweils 1/2 als Miteigentümer gem. §§ 2174, 2278 Abs. 2 BGB aus einem Vermächtnis.
Zusatzfragen
Worum handelt es sich bei Gesamthands- und Gesamtschuldklagen und worin unterscheiden sie sich?Gem. § 2058 BGB haften die Miterben vor der Auseinandersetzung als Gesamtschuldner. Daher kann der Nachlassgläubiger seine Forderung grundsätzlich gegenüber jedem einzelnen Erben in voller Höhe durchsetzen. Effizienter uns kostensparender ist es allerdings, gegen alle Miterben als Gesamtschuldner im Wege der Gesamtschuldklage (§§ 59, 60, 260 ZPO) gemeinsam vorzugehen, was ihm im Erfolgsfall auch einen Titel bietet, mit welchem der Nachlassgläubiger alternativ in den ungeteilten Nachlass vollstrecken kann.[50]Vgl. dazu Strobel in BeckOGK, Stand 01.10.2024, BGB § 2058 Rn.21.
Gem. § 2059 Abs. 2 BGB kann der Nachlassgläubiger alternativ auch alleine mit dem Ziel der Vollstreckung in den Nachlass gegen alle Miterben klagen (sog. Gesamthandsklage). In diesem Fall erlangt der Nachlassgläubiger keinen Titel gegen die einzelnen Miterben. Grundsätzlich hat der Nachlassgläubiger die Wahl zwischen der Gesamthands- und der Gesamtschuldklage.
Regelmäßig wird er sich daher für die Erhebung der für ihn erfolgversprechenderen Gesamtschuldklage entscheiden. Schließlich ermöglicht diese dem Nachlassgläubiger im Erfolgsfall neben der Vollstreckung in den ungeteilten Nachlass auch die Möglichkeit der Vollstreckung in das Privatvermögen der einzelnen Erben. Dadurch erlaubt die Gesamtschuldklage eine Vollstreckung sowohl vor als auch nach der Teilung des Nachlasses.[51]Vgl. Strobel in BeckOGK, Stand 01.10.2024, BGB § 2058 Rn. 22.
Erfordert die Erfüllung des vom Nachlassgläubiger geltend gemachten Anspruchs jedoch wegen der noch bestehenden Gesamthand eine gemeinsame Verfügung aller Miterben (sog. echte Gesamthandsverbindlichkeit, z.B. Verfügungen), kann dieses Ziel nur im Wege der Gesamthandsklage verfolgt werden.
Gem. § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB ist eine nach einem wirksamen Erbvertrag erfolgte Verfügung von Todes wegen unwirksam, soweit sie das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigt.
Ausnahmen von dieser Bindungswirkung stellen die Möglichkeit der Anfechtung gem. §§ 2281 ff. i.V.m. §§ 2078, 2079 BGB, die Vereinbarung eines Änderungsvorbehalts, ein Aufhebungsvertrag (§ 2290 BGB) sowie ein Rücktritt aufgrund eines gesetzlichen oder eines im Erbvertrag vorbehaltenen Rücktrittsvorbehalts (§§ 2293 ff. BGB) dar. Soweit der Erblasser gem. §§ 2293 ff. BGB zum Rücktritt berechtigt ist, kann der Erblasser nach dem Tod des anderen Vertragsschließenden den Erbvertrag auch per Testament aufheben (§ 2297 BGB).
Ein Änderungsvorbehalt des E ist vorliegend nicht ersichtlich – diese Möglichkeit scheidet also aus. Ebenso fehlt es an einem Rücktrittsrecht i.S.d. §§ 2293 ff. BGB. Abseits des Aufhebungsvertrags nach § 2290 BGB, der stets möglich ist, bleibt dem E somit nur die Möglichkeit einer Anfechtung. Dabei scheidet eine Anfechtung des Erbvertrags wegen Irrtums gem. § 2281 i.V.m. § 2078 BGB mangels Irrtums des E beim Abschluss des Erbvertrags ebenfalls aus. Ein Anfechtungsrecht besteht aber gem. § 2281 i.V.m. § 2079 BGB, da der S als nach dem Ab-schluss des Erbvertrages geborene Sohn des E gem. § 2303 Abs. 1 BGB pflichtteilsberechtigt ist. Ab der Geburt des S konnte E den Erbvertrag somit anfechten, sofern nicht davon auszuge-hen wäre, dass E eine entsprechende Vereinbarung bei Kenntnis der Sachlage abgeschlossen hätte (§ 2079 S. 2 BGB). Sofern E die Anfechtung form- und fristgerecht (§§ 2282, 2283 BGB) gegenüber dem richtigen Anfechtungsgegner (zu Lebzeiten des V ihm gegenüber, §§ 130 ff., 143 Abs. 2 BGB; nach dem Tod des V gegenüber dem Nachlassgericht, § 2281 Abs. 2 S. 1 BGB) erklärt, ist der Erbvertrag gem. § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen, sodass kein Vermächtnis zugunsten von K1 und K2 bestünde.[52]Als Einschränkung gilt aller-dings, dass der Sachverhalt hier nicht genügend Anhaltspunkte bietet, um bewerten zu können, ob sich die Nichtigkeit des Erbvertrages gem. § 139 BGB auch auf die … Continue reading
Zusammenfassung
- Eine Schenkungsauflage, die den Beschenkten verpflichtet, den geschenkten Gegenstand spätestens mit seinem Ableben unentgeltlich auf einen Dritten zu übertragen, ist nicht zwingend gem. § 2302 BGB nichtig.
- Verschafft eine solche Schenkungsauflage dem Dritten bereits zu Lebzeiten des Beschenkten ein Forderungsrecht, mit welchem er die Vollziehung der Auflage durchsetzen kann, handelt es sich um ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, auf welches weder § 2302 BGB noch § 2301 BGB anwendbar sind.
- Wird ein solches Forderungsrecht des Dritten jedoch erst in der Sekunde des Todes fällig oder stehen der Durchsetzbarkeit der Forderung bis zu diesem Zeitpunkt andere Umstände entgegen, ist die Schenkungsauflage so zu behandeln, als ob das durch sie zwischen dem Beschenkten und dem Dritten vermittelte Rechtsverhältnis unter der Bedingung steht, dass der Dritte den Beschenkten überlebt (vgl. § 2301 BGB). Etwas anderes gilt nur dann, wenn im Falle des Vorversterbens des Dritten allein dessen Erben an seine Stelle treten.
- Dies führt zum Erfordernis einer weiteren Differenzierung nach dem Inhalt der Schenkungsauflage:
a) Handelt es sich bei der Schenkungsauflage um einen echten Vertrag zugunsten Dritter (§§ 328, 330 S. 2 BGB), durch den der Dritte selbst die unentgeltliche Übertragung des geschenkten Gegenstands fordern kann, entspricht diese Situation einem Schenkungsversprechen auf den Todesfall i.S.d. § 2301 Abs. 1 S. 1 BGB mit der Folge, dass die Abrede zwar grundsätzlich wirksam sein kann, jedoch nur dann, wenn sie in einen formwirksamen Erbvertrag über ein Vermächtnis umgedeutet werden kann.
b) Erlegt die Schenkungsauflage demgegenüber dem Beschenkten lediglich die Verpflichtung auf, ein Schenkungsversprechen auf den Todesfall i.S.d. § 2301 Abs. 1 S. 1 BGB abzugeben, verstößt die Auflage gegen § 2302 BGB und ist als solche nichtig.