BGH Urt. v. 11.06.2024 – VI ZR 381/23, NJW 2024, 3293; OLG Hamm, Urteil vom 15.02.2013 – 19 U 96/12, BeckRS 2013, 7414
Sachverhalt
Teil1:
A geht mit ihrem Hund einem Feldweg spazieren. Dort trifft sie die ihr bekannte Hundehalterin B, die ebenso mit ihrem Hund spazieren geht. Während sich A und B unterhalten entdecken beide Hunde auf dem anliegenden Feld ein Mäuseloch und sprinten plötzlich los. Der Hund der A zieht seine Schleppleine hinter sich her. Die tierliebe B hat Mitleid mit den Mäusen und läuft den Hunden nach. Bei dem Loch angekommen packt sie ihren Hund am Halsband. A versteht die Aufregung der B nicht. Kurzerhand pfeift sie und ruft ihren Hund zurück. Dieser gehorcht aufs Wort und sprintet zurück zu der A. Unentdeckt von A und B war die B jedoch in eine Schlaufe der Schleppleine des Hundes der A hineingetreten. Die B wird von den Füßen gerissen und erleidet eine Fraktur des proximalen Endes der Tibia recht und muss vollstationär behandelt werden. B will nun Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 EUR von der A.
Hat die B einen Anspruch gegen die A?
Teil 2:
Die B erholt sich von diesem Schock. Einige Monate später betritt sie die Bäckerei der C – vorsichtshalber ohne Hund – in der die Mitarbeiterin D arbeitet. Auch die D ist tierlieb und hat einen Hund, den sie regelmäßig mit zur Arbeit nimmt. C ist damit auch einverstanden. Zunächst liegt der Hund an der Kasse bei D. Als die B ihren Kaffee ausgetrunken hat, begibt sie sich zur Kasse und bezahlt ihr Getränk. Dabei steht der Hund der D auf und geht langsam fort. Die D beobachtet dies und weiß, dass der Hund sich bestimmt auf den Weg zu seinem Lieblingsplatz direkt vor der Tür macht, welche knapp hinter der B liegt. Dort liegt der Hund nun auch tatsächlich. Als B die Bäckerei verlassen will, dreht sie sich um, macht zwei Schritte und stürzt über den Hund, wobei sie sich den Arm bricht. Sie will nun auch Schmerzensgeld von der D in Höhe von 2.000,00 EUR.
Hat die B tatsächlich einen Anspruch auf Schmerzensgeld gegen die D?
Gehen Sie davon aus, dass die Höhe des Schmerzensgeldes angemessen ist.
Skizze
Gutachten
A. Teil 1
I. Anspruch aus §§ 833 S. 1, 249 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB
Die B könnte gegen A einen Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 EUR aus §§ 833 S. 1, 249 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB aufgrund einer Haftung als Tierhalter haben.
Anmerkung: Prüfungsreihenfolge1. A als Tierhalterin
Dazu müsste A zunächst Tierhalterin sein. Halter ist, wer aus eigenem Interesse auf längere Zeit die Bestimmungsmacht über das Tier ausübt, für dessen Kosten aufkommt und das wirtschaftliche Risiko seines Verlustes trägt.[1]BGH, Urteil vom 25.3.2014 – VI ZR 372/13, NJW 2014, 2434; Jauernig/Kern, 19. Aufl. 2023, BGB § 833 Rn. 3 Da es sich um den Hund der A handelt, ist sie hier unstreitig Tierhalterin.
Anmerkung: Prüfungsumfang und Tierhalterstellung2. Rechtsgutverletzung
Ebenso müsste eine Rechtsgutverletzung i.S.d. § 833 S. 1 BGB vorliegen. Die ist der Fall, wenn ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird. Die B erlitt eine Fraktur des proximalen Endes der Tibia rechts. Mithin liegt eine Gesundheitsschädigung und damit eine Rechtsgutverletzung i.S.d. § 833 S. 1 BGB vor.
3. Durch ein Tier
Die Rechtsgutverletzung müsste auch durch ein Tier entstanden sein.
a) Kausalität
Dies erfordert zunächst eine Kausalität zwischen Tierhandlung und Rechtsgutverletzung im Sinne der conditio sine qua non Formel. Danach ist eine Handlung kausal, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der tatbestandliche Erfolg – also die Rechtsgutverletzung – ausbliebe. Wäre der Hund der A nicht zu ihr zurückgerannt, wäre die B nicht gestürzt und hätte die Fraktur nicht erlitten. Damit war die Handlung des Tieres kausal für die Rechtsgutverletzung.
b) Verwirklichung einer Tierspezifischen Gefahr
Fraglich ist aber, ob in dem Zurückrennen des Hundes der A sich auch eine tierspezifische Gefahr verwirklicht hat. Eine tierspezifische Gefahr verwirklicht sich dann, wenn ein der tierischen Natur entsprechendes unberechenbares und selbstständiges Verhalten des betreffenden Tieres für den Eintritt der Rechtsgutsverletzung adäquat ursächlich geworden ist. [2]BGH Urteil vom 11.6.2024 – VI ZR 381/23, NJW 2024, 3293 Rn. 6; Urteil vom 24.4.2018 – VI ZR 25/17, NJW 2018, 3439
Anmerkung: Sinn du Zweck der TierhalterhaftungAn der Verwirklichung der Tiergefahr fehlt es allerdings dann, wenn keinerlei eigene Energie des Tieres an dem Geschehen beteiligt ist,[5]BGH, Urteil vom 31.5.2016 – VI ZR 465/15, NJW 2016, 2737; BGH, Urteil vom 25.3.2014 – VI ZR 372/13, NJW 2014, 2434 Rn. 5 in etwa dann, wenn das Tier lediglich als mechanisches Werkzeug wirkt. Ebenso fehlt es aber grundsätzlich auch an der Verwirklichung der Tiergefahr, wenn das Tier lediglich der Leitung und dem Willen eines Menschen folgt.[6]BGH, Urteil vom 31.5.2016 – VI ZR 465/15, NJW 2016, 2737 Rn. 9 Folgt ein Tier lediglich der Leitung und dem Willen eines Menschen, so ist ein dabei entstehender Schaden nicht durch das Tier, sondern durch den Menschen verursacht, und eine Haftung aus § 833 BGB kommt nicht in Betracht.[7] BGH Urteil vom 11.6.2024 – VI ZR 381/23, NJW 2024, 3293 Rn. 7
Fraglich ist aber, ob hiervon eine Rückausnahme zu machen ist, wenn das Tier – obgleich dem Willen eines Menschen folgend – durch eigene Kraftentfaltung zu dem Schaden beigetragen hat. Dies ist durch Auslegung der Norm zu ermitteln. Sinn und Zweck der Tierhalterhaftung gem. § 833 S. 1 BGB ist es, der Tatsache gerecht zu werden, dass eine Person eine andere Person erlaubtermaßen der nur unzulänglich beherrschbaren Tiergefahr aussetzt. Denn bei der Haltung von Tieren ist es vielfach unmöglich, auftretende Gefahrquellen durch eine sachgemäße Steuerung zu beeinflussen.[8]BGH Urteil vom 11.6.2024 – VI ZR 381/23, NJW 2024, 3293 Rn. 6 Der Halter eines Tieres kann gerade wegen der Lebendigkeit dieses oftmals nicht vollständig kontrollieren; der natürliche Bewegungsdrang des Tieres bleibt erhalten. Daraus folgt, dass die Leitung des Tieres durch den Menschen spezifische Tiergefahren nicht zwangsläufig ausschließt.[9]BGH Urteil vom 11.6.2024 – VI ZR 381/23, NJW 2024, 3293 Rn. 10 Dies gilt auch gerade, weil die menschliche Leitung häufig nur den Anstoß für das tierische Verhalten gibt. Das ausgelöste Verhalten unterliegt sodann – mangels physischer Zugriffsmöglichkeit – nicht mehr der menschlichen Kontrolle. Auch in diesen Fällen besteht eine Schutzbedürftigkeit des Opfers. Es kann wegen der Zielrichtung der Gefährdungshaftung keine Bedeutung für das umgerissene Opfer haben, ob der Hund sich losgerissen hat, von zu Hause entlaufen ist, mit anderen Hunden herumtollt, der Aufforderung seines Halters/Tierführers herbeizukommen – gut dressiert – unverzüglich, schnell und auf direktem Wege oder langsamer und mit einem Umweg oder gar nicht folgt, sondern das Opfer beim „ungehorsamen“ Wegrennen erwischt. Allein die Präsenz des Tierhalters oder -führers im Sinne einer Aufsicht kann die Tierhalterhaftung regelmäßig nicht ausschließen.[10] BGH Urteil vom 11.6.2024 – VI ZR 381/23, NJW 2024, 3293 Rn. 10
Gemessen hieran stand der Hund der A nicht lediglich unter der Leitung und dem Willen der A, als sie ihn nach dem Wegjagen vom Mäuseloch zu sich rief. Zwar hat ihr Ruf die Bewegung des Tieres, das Loslaufen, ausgelöst, während seiner Fortbewegung und beim Umreißen der B stand er aber nicht unter der Leitung eines Menschen. Die Linie seines Laufs, dessen Geschwindigkeit, seine Kraftentfaltung und sein Energieeinsatz, die geeignet gewesen sein müssen, die B zu Fall zu bringen, waren nicht vom Menschen angeleitet oder kontrolliert.[11] BGH Urteil vom 11.6.2024 – VI ZR 381/23, NJW 2024, 3293 Rn. 12
Anmerkung: Alternative Lösung und Kritik4. Keine Exkulpation, § 833 S. 2 BGB
A dürfte sich auch nicht gem. § 833 S. 2 BGB exkulpieren können. Dies ist dann der Fall, wenn der Schaden durch ein Haustier verursache wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist. Dies trifft auf den Hund der A nicht zu. Sie kann sich danach auch nicht exkulpieren.
5. Rechtsfolge: Schmerzensgeld, § 253 Abs. 2 BGB
B kann von der D gen. § 253 Abs. 2 BGB ein angemessenes Schmerzensgeld verlangen. Das Schmerzensgeld ist hier in Höhe von 5.000,00 EUR angemessen.
6. Ergebnis
Die B hat damit einen Anspruch gegen A auf Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 EUR aus §§ 833 S. 1, 249 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB.
II. Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB
Daneben könnte die B auch einen Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 EUR aus §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB haben. Dazu müsste die A allerdings ein Verschulden i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB treffen. Dies ist dann der Fall, wenn die A vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Hier konnte und musste die A allerdings nicht damit rechnen, dass die B in eine Schlaufe der Schleppleine ihres Hundes tritt. Folglich ließ sie auch nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht. Ein Verschulden der A liegt damit nicht vor. Ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB besteht nicht.
B. Teil 2
I. Anspruch aus §§ 833 S. 1, 249 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB
B könnte auch einen Anspruch auf Schmerzensgeld gegen die D aus §§ 833 S. 1, 249 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB haben.
1. D als Tierhalterin
D ist hier auch unstreitig die Tierhalterin.
2. Rechtsgutverletzung
In der Gesundheitsschädigung in Form des Bruchs des Arms liegt auch eine Rechtsgutverletzung i.S.d. § 833 S. 1 BGB.
3. Durch ein Tier
Die Rechtsgutverletzung müsste allerdings auch durch den Hund der D verursacht worden sein.
a) Anknüpfungspunkt: Liegen des Hundes
Möglich erschiene hier zunächst an das Liegen des Hundes anzuknüpfen. Allerdings ist das Liegen des Hundes schon kein der tierischen Natur entsprechendes unberechenbares und selbstständiges Verhalten. Mithin verwirklicht sich in dem Liegen des Hundes noch keine tierspezifische Gefahr.
b) Anknüpfungspunkt: Selbstständiges Laufen zur Tür
Etwas Anderes könnte sich jedoch dadurch ergeben, dass der Hund der D zunächst selbstständig zur Tür lief und sich sodann dort platzierte.
Dieses Verhalten ist zunächst auch kausal für die Rechtsgutverletzung. Wäre der Hund der D nicht zur Tür gelaufen und hätte sich dort platziert, wäre die B nicht über diesen gestolpert und hätte sich den Arm nicht gebrochen.
Fraglich ist aber, ob sich durch dieses Verhalten auch eine tierspezifische Gefahr verwirklicht hat.
Grundsätzlich verwirklicht sich die tierspezifische Gefahr auch dann, wenn ein Tier ein gefährliches Verkehrshindernis bildet, weil es sich eigenmächtig ohne Rücksicht auf den Verkehr in den Verkehrsraum begeben hat und dort ruht. Denn ein solches unbekümmertes Verhalten entspricht der tierischen Natur; in ihm wirkt sich die Gefahr aus, die die Haltung des Tieres mit sich bringt und derentwegen die besondere Tierhalterhaftung geschaffen worden ist.[13]OLG Hamm, Urteil vom 15.02.2013 – 19 U 96/12, BeckRS 2013, 7414
Ebenso dürfte die spezifische Tiergefahr auch nicht dadurch ausgeschlossen sein, dass das Tier lediglich der Leitung und dem Willen eines Menschen folgt (s.o.). Allerdings bewegte sich hier der Hund der D ohne eine etwaige Einwirkung ihrerseits.
4. Rechtsfolge: Schmerzensgeld
B kann von der D gen. § 253 Abs. 2 BGB ein angemessenes Schmerzensgeld verlangen. Das Schmerzensgeld ist hier in Höhe von 2.000,00 EUR angemessen.
5. Ergebnis
B hat einen Anspruch auf Schmerzensgeld gegen die D aus §§ 833 S. 1, 249 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB in Höhe von 2.000,00 EUR.
II. Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB
Daneben kommt auch ein Anspruch der B gegen die D aus §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB in Frage.
1. Rechtsgutverletzung
Eine Rechtsgutverletzung liegt hier unzweifelhaft vor (s.o.).
2. Verletzungshandlung
Daneben müsste die D aber auch eine Verletzungshandlung begangen haben. Eine unmittelbare Handlung der D liegt indes nicht vor. Möglich erscheint aber anstelle dessen ein vorwerfbares Unterlassen der D, indem sie den Hund nicht abhielt, die Tür zu versperren. Ein solches Unterlassen wäre allerdings nur dann tatbestandsmäßig, wenn der D die Pflicht zur Handlung oblag. Eine solche Pflicht könnte sich hier aus einer Verkehrssicherungspflicht ergeben. Eine Verkehrssicherungspflicht besteht dann, wenn eine Gefahrenlage im eigenen Verantwortungsbereich geschaffen oder nicht beseitigt wird. In diesem Fall hat derjenige die erforderlichen und zumutbaren Vorkehrungen zur Abwendung von Gefahren zu treffen, die bei der im Einzelfall gebotenen Sorgfalt nach dem typischen, am Ort zu erwartenden Verkehr zu erwarten sind. Voraussetzung ist, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können.[14]BGH, Urteil vom 3. 2. 2004 – VI ZR 95/03, NJW 2004, 1449; OLG Hamm, Urteil vom 15.02.2013 – 19 U 96/12, BeckRS 2013, 7414
Hier bemerkte die D, dass der Hund neben der Kassentheke, wo er sich bis dahin befand, aufstand und wegging. Sie wusste auch, dass er sich wie schon gewohnt und ihr bekannt auf seinem Lieblingsplatz auf der Matte im Ladenzugang ablegte. Damit lag er in Gehrichtung zum Ausgang im Rücken der B. Aufgrund des Bezahlvorgangs wusste die D auch, dass die B alsbald das Ladenlokal verlassen würde. Es war deshalb nicht nur objektiv vorhersehbar, sondern für die D zu erkennen, dass die B, die erkennbar den Hund dort nicht bemerkt hatte, ihn beim Hinausgehen übersehen und über ihn stürzen konnte. Die D hätte sie deshalb davor warnen bzw. den Hund wegschaffen müssen. Dies tat sie jedoch nicht.
3. Haftungsbegründende Kausalität
Das Unterlassen der D müsste auch für die Rechtsgutsverletzung kausal sein. Dazu muss die Kausalität nach der Äquivalenztheorie und der Adäquanztheorie vorliegen.
Im Rahmen des Unterlassens ist die Kausalität nach der Äquivalenztheorie gegeben, wenn die Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne das der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfällt. Hätte D die B gewarnt oder den Hund wegeschafft, wäre die B nicht über diesen gestolpert und hätte sich nicht verletzt. Das Unterlassen war damit kausal im Sinne der Äquivalenztheorie für die Rechtsgutverletzung.
Nach der Adäquanztheorie liegt die Kausalität dann vor, wenn das Unterlassen nicht nur unter besonderen, völlig unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge nicht zu erwartenden Umständen zur Herbeiführung des Unrechtstatbestandes geeignet gewesen ist.
Hier lag es nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit, dass die B ohne das Eingreifen der D über den Hund stolpern würde. Das Unterlassen war damit auch adäquat kausal.
Anmerkung: Schutzzweck der Norm4. Rechtswidrigkeit
Die Rechtswidrigkeit des Unterlassens der D wird vermutet.
5. Verschulden
Das Unterlassen der D müsste darüber hinaus auch schuldhaft gewesen sein. In Frage kommt hier ein fahrlässiges Unterlassen der D. Indem D die B nicht warnte, hat sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen (s.o.). Mithin handelte D zumindest fahrlässig.
6. Rechtsfolge
B kann damit von D gem. § 253 Abs. 2 BGB Schmerzensgeld verlangen. Die Höhe von 2.000,00 EUR ist dabei angemessen.
7. Ergebnis
B hat gegen D einen Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 2.000,00 EUR aus §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB.
Zusatzfragen
In Bezug auf Teil 2 erklärt die D, dass sie knapp bei Kasse ist. Die B fragt sich deshalb, ob sie auch die C in Anspruch nehmen könnte. Besteht ein Anspruch auch gegen die C?
I. Schuldverhältnis
Insoweit liegt auch unproblematisch ein Schuldverhältnis zwischen B und C vor, da sie in der Bäckerei einen Kaffee kaufte und somit ein Schuldverhältnis i.S.d. § 433 BGB besteht.
II. Pflichtverletzung der D
Ebenso müsste eine Pflichtverletzung der D vorliegen. In Frage kommt der Verstoß gegen eine Verkehrssicherungspflicht. Insoweit decken sich die vertraglichen Verkehrssicherungspflichten mit den allgemeinen.[15]OLG Hamm, Urteil vom 15.02.2013 – 19 U 96/12, BeckRS 2013, 7414 Daher liegt eine Pflichtverletzung in Form der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor (s.o.).
III. Vertretenmüssen
Die Pflichtverletzung der D müsste die C aber auch zu vertreten haben. Zu vertreten hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit gem. § 276 Abs. 1 S. 1. BGB. Eigener Vorsatz oder Fahrlässigkeit der C ist allerdings hier nicht ersichtlich. Möglich erscheint aber, dass die C sich das Verschulden der D gem. § 278 BGB zurechnen lassen muss.
1. D als Erfüllungsgehilfin der C
Darüber hinaus müsste die D Erfüllungsgehilfin der D sein. Erfüllungsgehilfe ist, wer vom Schuldner mit dessen Willen zur Erfüllung einer vertraglichen Verbindlichkeit eingesetzt wird. Die D war hier als Angestellte der C und damit in deren Willen zur Erfüllung der Verkaufshandlungen, mithin zur Erfüllung ihrer Pflichten eingesetzt. Foglich war sie Erfüllungsgehilfin.
2. Bei Erfüllung einer Verbindlichkeit
Auch müsste die D in Erfüllung einer Verbindlichkeit der C gehandelt haben. Hierzu gehören auch die vertraglichen Nebenpflichten. Ein Handeln in Erfüllung einer Verbindlichkeit liegt allerdings dann nicht vor, wenn es sich lediglich um eine Handlung „bei Gelegenheit“ handelt. Dies ist hier allerdings nicht der Fall, denn die C hat die Mitnahme des Hundes der D dauerhaft gestattet, sodass sich hierdurch ein Zusammenhang zu ihrer Tätigkeit bildet.[16]OLG Hamm, Urteil vom 15.02.2013 – 19 U 96/12, BeckRS 2013, 7414
3. Vertretenmüssen der D
Insoweit liegt auch ein Vertretenmüssen der D, welches der C zugerechnet wird, vor (s.o.).
IV. Rechtsfolge
B kann damit von C gem. § 253 Abs. 2 BGB Schmerzensgeld verlangen. Die Höhe von 2.000,00 EUR ist dabei angemessen.
V. Ergebnis
B hat damit ein Anspruch gegen die C aus §§ 433, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 249 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB in Höhe von 2.000,00 EUR.
Zusammenfassung
Die Leitung des Tieres durch den Menschen schließt spezifische Tiergefahren nicht zwangsläufig aus. Auch in den Fällen, in denen die menschliche Leitung nur in einem Anstoß für das tierische Verhalten besteht, dieses ausgelöste Verhalten aber mangels physischer Zugriffsmöglichkeit nicht mehr der menschlichen Kontrolle unterliegt, gibt es keinen Grund, eine spezifische Tiergefahr zu verneinen, die sich aus der selbständigen Bewegung des Tieres, seiner Energie und Kraft ergibt