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Streit um Nachbars Baum
BGH, Urteil vom 14.6.2019 – V ZR 102/18 – BGH NJW-RR 2019, 1356

Sachverhalt

K und B sind Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke in der Stadt H. Auf dem Grundstück des B, das dieser bereits seit 30 Jahren bewohnt, steht in direkter Nähe zur gemeinsamen Grundstücksgrenze eine etwas windschief in Richtung des Grundstücks der K geneigte Douglasie (ein Kieferngewächs). B pflanzte diese vor ca. 20 Jahren. Deren Äste ragen in einer Höhe von mindestens 3 m und durchschnittlich 5,4m auf das Grundstück der K und zwar genau im Bereich der Grundstückseinfahrt. K beschwert sich bei B darüber, dass jährlich ein halber Kubikmeter Nadeln und Zapfen von dieser Douglasie auf ihr Grundstück fallen und ihre Grundstückseinfahrt verunreinigen. K verlangt von B, die überhängenden Zweige und Äste der Douglasie zurückzuschneiden. B wehrt sich mit der Begründung, ein solcher Rückschnitt sei nach der von der Stadt H erlassenen Baumschutzsatzung verboten. K entgegnet, B könne – was zutrifft – mit Erfolg eine Ausnahmegenehmigung bei der Stadt beantragen. Außerdem stünden in der Wohngegend überall Bäume, die Nadeln und Zapfen verlören, ohne dass sich jemand hierüber aufrege.

Hat K gegen B den geltend gemachten Anspruch?


Skizze


Gutachten

Anspruch aus § 1004 I 1 BGB

K könnte einen Anspruch auf Rückschnitt der überhängenden Zweige und Äste aus § 1004 I 1 BGB haben.

A. Anspruch entstanden

Der Anspruch müsste zunächst entstanden sein.

I. Anspruchsteller= Eigentümer

K ist als Eigentümer des Grundstückes taugliche Anspruchstellerin.

Vernetztes Lernen: In welchen Fällen ist 1004 BGB anwendbar?
• Direkt: Eigentum (auch bei Miteigentum, § 1011 BGB)
• Entsprechend: Dienstbarkeiten, §§ 1027, 1090 II BGB; Nießbrauch, § 1065 BGB; Pfandrecht, § 1227 BGB; Erbbaurecht, § 11 ErbbauRG
• Analog: alle Rechte und Rechtsgüter des § 823 I (sog. quasi-negatorischer Beseitigungsanspruch)

II. (fortdauernde) Eigentumsbeeinträchtigung

Das Eigentum der K müsste gem. § 1004 I 1 BGB in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt sein.

Vernetztes Lernen: Welche Fälle sind als Eigentumsbeeinträchtigung denkbar?
Es kommen insbesondere folgende Einwirkungen auf die Sache in Betracht:
• Einwirkung auf den Sachkörper (z.B. auch durch Zugangsbeschränkung)
• Zuführung unwägbarer Stoffe (§ 906 BGB) / Zuführung wägbarer Stoffe
• Gefährdende Maßnahmen/Einrichtungen auf dem Nachbargrundstück (§§ 907 ff. BGB)
• Grds. nicht: ideelle Einwirkungen
• Je nach Ausmaß/Einzelfall: Fotografien u.ä. Aufzeichnungen [1]zur Übung: Stadler/Klöpfer, „Drohnen über Schloss Sanssouci“; JA 2017, 90.

Daneben ist auch ein Eingriff in die Rechtsposition möglich, etwa durch:
• Behinderung des Besitzes (Achtung: bei vollständiger Besitzentziehung ist § 985 BGB anwendbar und § 1004 BGB kommt nicht in Betracht!)
• Rechtsanmaßung

Hier fällt jährlich ein halber Kubikmeter Nadeln und Zapfen von der Douglasie des B auf das Grundstück der K und verunreinigen ihre Grundstückseinfahrt. Die Verschmutzung stellt eine Beeinträchtigung des Eigentums der K an ihrem Grundstück durch eine Einwirkung auf den Sachkörper dar. Somit liegt eine Eigentumsbeeinträchtigung i.S.d. § 1004 I 1 BGB vor.

Diese besteht auch gegenwärtig noch und dauert damit fort. [2]zur Voraussetzung des Fortdauerns siehe: Fritzsche, in: BeckOK BGB, 55. Ed.,§ 1004 Rn. 55.

III. Störer

A müsste Störer i.S.d. § 1004 I 1 BGB sein. Die Vorschrift erfasst dabei sowohl Handlungs- als auch Zustandsstörer.[3]Raff, in: MüKo BGB, 8. Aufl., § 1004 Rn. 157. Handlungsstörer ist, wer eine Beeinträchtigung durch eine eigene Handlung oder pflichtwidrige Unterlassung adäquat kausal verursacht. [4]BGH NZM 2019, 893 Rn. 25 ff. mwN. B hat es zugelassen, dass die Zweige und Äste der Douglasie über die Grundstücksgrenze hinübergewachsen sind und so die Grundstückeinfahrt der K verschmutzen konnten. Er hat es also Unterlassen die Äste, spätestens in dem Augenblick, in dem sie über die Grundstücksgrenze hinauswuchsen, zurückschneiden. Dieses Unterlassen müsste auch pflichtwidrig sein. Der Eigentümer hat die Pflicht, dafür Sorge tragen, dass die Zweige eines Baumes oder eines Strauches nicht über die Grenzen seines Grundstücks hinauswachsen.[5]BGH NJW-RR 2019, 1356 Rn. 12. Gegen diese Pflicht hat B verstoßen. Somit liegt ein pflichtwidriges Unterlassen vor und B ist Handlungsstörer i.S.d. § 1004 I 1 BGB.

Überdies ist B auch Zustandsstörer, da er die Herrschaft über die Douglasie als die gefährliche Sache ausübt und der eigentumsbeeinträchtigende Zustand zumindest insofern auf seinen Willen zurückführbar ist, dass er die Douglasie pflanzte und ihren Überwuchs nicht verhinderte. [6]zum Zustandsstörerbegriff: Fritzsche, in: BeckOK BGB, 55. Ed., § 1004 Rn. 21.

Anmerkung: Störerbegriff
Im Rahmen des Störerbegriffs des § 1004 BGB ist die Meinungsvielfalt „nahezu erschreckend“[7]Fritzsche, in: BeckOK BGB, 55. Ed., § 1004 Rn. 15.. In der Klausur ist in einer solchen Konstellation nicht auf die unterschiedlichen Meinungen einzugehen. Man kann sich an den bekannten Kategorien des Handlungs- und Zustandsstörers (letztere erweitert um eine Zurückführbarkeit auf den Willen der jeweiligen Person) orientieren und hier sogar unter beide subsumieren. Der BGH legt sich wörtlich ebenfalls nicht fest.

Die Störereigenschaft des B könnte deshalb zu verneinen sein, weil es ihm nach der Baumschutzsatzung der Stadt H grds. verboten ist, die Äste zurückzuschneiden. Dies hätte hierauf jedoch nur dann Auswirkungen, wenn schon jegliche Maßnahmen, die in der Vergangenheit das erstmalige Hinüberragen der Äste auf das Grundstück der K hätten verhindern können, die Baumschutzsatzung der Stadt H verletzt hätten. Denn dann hätte B das Hinüberwachsen nicht verhindern können. Dies ist aus dem Sachverhalt jedoch nicht ersichtlich.[8]Schwab, JuS 2020, 170, 171.

Somit ist B Störer i.S.d. § 1004 I 1 BGB.

Anmerkung: Baumschutzsatzung
Der BGH behandelt das Problem der Baumschutzsatzung als Aspekt der Störereigenschaft des B. Mit obiger Argumentation lässt sich die Problematik hier allerdings bereits recht gut umgehen und erst an späterer Stelle diskutieren. Beide Wege erscheinen sehr gut vertretbar und dürften in der Klausurbewertung keinen Unterschied machen.

IV. Rechtswidrigkeit bzw. keine Duldungspflicht, § 1004 II BGB

Die Eigentumsbeeinträchtigung müsste auch rechtswidrig sein. Es dürften keine Rechtfertigungsgründe gegeben sein. Ein solcher könnte jedoch in Form einer Duldungspflicht der K gem. § 1004 II BGB vorliegen.

Vernetztes Lernen: Woraus können sich Duldungspflichten insb. ergeben?
• aus Vertrag, z.B. Miete oder Pacht
• aus beschränkt dinglichen Rechten, z.B. Nießbrauch, Dienstbarkeit
• aus Gesetz, z.B. § 227 BGB; § 904 BGB, § 906 BGB, § 912 BGB, § 917 BGB
• je nach Einzelfall aus einem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis i.V.m. § 242 BGB
• aus dem öffentlichen Recht, z.B. § 14 BImSchG, § 76 TKG

1. (P) aus § 910 II BGB

Es könnte sich eine Duldungspflicht aus § 910 II BGB ergeben.

a) Anwendbarkeit i.R.d. § 1004 BGB

§ 910 II BGB müsste i.R.d. § 1004 als Duldungspflicht anwendbar sein. Dem Wortlaut nach ergibt sich aus § 910 I 2 BGB lediglich ein Selbsthilferecht des Eigentümers, da durch § 910 II BGB ausgeschlossen wird. Jedoch schließt dieses Selbsthilferecht einen Beseitigungsanspruch aus § 1004 I 1 BGB nicht aus, beide bestehen vielmehr gleichrangig nebeneinander.[9]BGH NJW-RR 2019, 1356 Rn. 5. Und wenn schon das eigenmächtige Vorgehen des Grundstückseigentümers ausscheidet, wenn der Überwuchs sein Grundstück nach § 910 II BGB nicht beeinträchtigt, muss dies erst recht gelten, wenn der Grundstückseigentümer den Nachbarn, von dem der Überwuchs ausgeht, auf Beseitigung aus § 1004 I 1 BGB in Anspruch nehmen will.[10]Schwab, JuS 2020, 170, 171. Somit stellt § 910 II BGB auch eine Duldungspflicht i.S.d. § 1004 II BGB dar.

b) Herüberragende Zweige, § 910 I 2 BGB

Es müsste nach § 910 I 2 BGB Zweige auf das Grundstück der K herüber ragen. Die Zweige und Äste der Douglasie des B ragen in einer Höhe von mindestens 3 m und durchschnittlich 5,4m auf das Grundstück der K hinüber. Somit sind herüberragende Zweige gegeben.

c) keine Beeinträchtigung der Nutzung des Grundstücks

Die Zweige dürften die Nutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen. Hier verschmutzen nicht die Zweige selbst, sondern die von den Zweigen abfallenden Nadeln und Zapfen die Grundstückseinfahrt der K. Fraglich ist daher, ob § 910 II BGB nur die unmittelbar durch den Überhang verursachte Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung, etwa durch Berührung des Wohnhauses, oder auch die mittelbare Beeinträchtigung erfasst. [11]vgl. OLG Köln, NJW-RR 1997, 656. Der Wortlaut des § 910 II BGB differenziert nicht nach der Art der Beeinträchtigung. Auch der Sinn und Zweck der Norm gebietet eine weite Auslegung. Der Nachbar soll umfassend vor einer Nutzungsbeeinträchtigung durch Überhang geschützt werden. Maßgeblich ist daher allein die objektive Nutzungsbeeinträchtigung. Somit ist auch die mittelbare Nutzungsbeeinträchtigung von § 910 II BGB erfasst. [12]BGH NJW-RR 2019, 1356 Rn. 7. Damit liegt hier durch die im Umfang von einem halbem Kubikmeter jährlich abfallenden Nadeln und Zapfen eine Nutzungsbeeinträchtigung vor.[13]BGH NJW-RR 2019, 1356 Rn. 7.

d) Zwischenergebnis

Folglich hat K die Eigentumsbeeinträchtigung nicht nach § 910 II BGB zu dulden.

2. aus § 906 II 1 BGB

Es könnte sich aus § 906 II 1 BGB eine Duldungspflicht unter dem Aspekt der Ortsüblichkeit ergeben, weil in der Wohngegend überall Bäume stehen, die Nadeln und Zapfen verlieren, ohne dass sich jemand hierüber aufrege.

a) (P) Anwendbarkeit

Dafür müsste § 906 II 1 BGB jedoch in den Fällen des Überhangs gem. § 910 BGB überhaupt anwendbar sein. Die Vorschrift des § 910 BGB stellt für die Beseitigung des Überhangs eine spezialgesetzliche und abschließende Regelung dar. Ob der Grundstückseigentümer herüberragende Zweige ausnahmsweise dulden muss, bestimmt sich daher alleine nach § 910 II BGB. [14]BGH NJW-RR 2019, 1356 Rn. 8. Damit gilt für Laub und Nadeln, die von herüberragenden Zweigen abfallen, mit § 910 II BGB zwar ein strengerer Maßstab als für Laub- und Nadelabfall, der von einem auf dem Nachbargrundstück stehenden Baum ausgeht. Dies ist jedoch gerechtfertigt, da der Nachbar die Äste über die Grenzen seines Grundstücks herauswachsen ließ und damit seine Nutzung des Grundstücks nicht der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung entspricht.[15]NJW-RR 2019, 1356 Rn. 9.Somit ist § 906 II 1 BGB nicht anwendbar.

b) Zwischenergebnis

Damit hat K die Eigentumsbeeinträchtigung auch nicht nach § 906 II 1 BGB zu dulden.

3. Zwischenergebnis

Somit besteht keine Duldungspflicht für K und die Eigentumsbeeinträchtigung durch B ist rechtswidrig.

V. Zwischenergebnis

Der Anspruch der K aus § 1004 I 1 BGB ist entstanden.

B. Anspruch nicht untergegangen

Der Anspruch dürfte nicht untergegangen sein.

I. wegen Unmöglichkeit, § 275 I BGB

Der Anspruch der K könnte wegen objektiver, rechtlicher Unmöglichkeit gem. § 275 I BGB untergegangen sein, weil es B durch die städtische Baumschutzsatzung grundsätzlich verboten ist, die Äste der Douglasie zu beschneiden. Das öffentliche Naturschutzrecht -auch Landes- und Gemeinderecht- kann dazu führen, dass die Ausübung des Selbsthilferechts aus § 910 I 2 BGB gehindert bzw. der Beseitigungsanspruch aus § 1004 I BGB nicht durchgesetzt werden kann. Die Verbote wirksamer Baumschutzsatzungen sind also auch von dem Nachbarn hinzunehmen. [16]BGH NJW-RR 2019, 1356 Rn. 14.; OLG Hamm NJW 2008, 453; Fritzsche, in: BeckOK BGB, 55. Ed., § 910 Rn. 9. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Störer mit Erfolg eine Ausnahmegenehmigung für die Beseitigung der Störungsquelle beantragen kann. [17]BGH NJW-RR 2019, 1356 Rn. 14, BGH NZM 2005, 318. Hier kann B bei der Stadt H mit Erfolg eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Ihm ist die Beseitigung der Äste und Zweige daher nicht unmöglich gem. § 275 I BGB.

Anmerkung: Ausnahmegenehmigung
Im Originalsachverhalt stand nicht fest, ob B mit Erfolg eine Ausnahmegenehmigung beantragen kann. Der BGH stellt jedoch im Zuge seiner Ausführungen zur Störereigenschaft des B klar, dass – sollte eine Befreiungsmöglichkeit von dem Verbot bestehen – in den Tenor einer eventuellen Verurteilung der Vorbehalt einer Ausnahmegenehmigung aufgenommen werden müsse, auch wenn das nicht in dem Klageantrag enthalten ist. Die Vollstreckungsklausel dürfe sodann nach § 726 I ZPO erst erteilt werden, wenn diese Genehmigung von K nachgewiesen wird. K kann dabei als gestörte Nachbarin selbst eine Ausnahme von dem baumschutzrechtlichen Verbot beantragen und ggf. den Verwaltungsrechtsweg beschreiten. [18]NJW-RR 2019, 1356 Rn. 15. Diese Aspekte erscheinen für das 1. Examen ungeeignet, weshalb der Sachverhalt hier entsprechend angepasst wurde.

II. Zwischenergebnis

Der Anspruch aus § 1004 I 1 BGB ist nicht untergegangen.

C. Anspruch durchsetzbar

Der Anspruch ist auch durchsetzbar.

D. Ergebnis

K hat somit einen Anspruch gegen B auf Rückschnitt der überhängenden Zweige und Äste der Douglasie aus § 1004 I 1 BGB .

Zusatzfragen

Abwandlung: Die Zweige und Äste der Douglasie wuchsen erstmalig im Sommer 2014 über die Grundstücksgrenze und verschmutzten die Einfahrt der K, was diese auch bemerkte. K verlangt im Frühjahr 2020 die Beseitigung der herüberragenden Zweige und Äste. Kann sich B hiergegen mit der Einrede der Verjährung wehren?
Der Anspruch des Grundstückseigentümers auf Zurückschneiden herüberragender Äste aus § 1004 I BGB unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren nach §§ 195, 199 BGB. [19]BGH NJW-RR 2019, 1356 Rn. 17; BGH NJW-RR 2019, 590 Rn. 13.
Fraglich ist, wann die Verjährungsfrist hier beginnt. Dies hängt nach § 199 I Nr. 1 BGB zunächst davon ab, wann der Beseitigungsanspruch entstanden ist. Die Störung durch den Baumüberhang könnte eine Dauerhandlung darstellen. Es könnte daher anzunehmen sein, dass die Verjährung des Beseitigungsanspruchs noch gar nicht begonnen habe. [20]so LG Krefeld, BeckRS 2018, 9467 Rn. 47 f. Es könnte sich auch um eine wiederholte Störung handeln, die jeweils neue Ansprüche begründet. Der BGH sieht dies jedoch anders. Der Anspruch auf Beseitigung der Störung entstehe vielmehr in dem Zeitpunkt, in dem die Eigentumsbeeinträchtigung i.S.d. § 910 II BGB in Folge des Wachstums der Äste einsetzt. [21]NJW-RR 2019, 1356 Rn. 17. Diese Auslegung ist im Interesse des Rechtsfriedens, der durch die Verjährung geschaffen werden soll, sachgerecht. Der Nachbar bleibt durch den kenntnisabhängigen Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist nach § 199 I Nr. 2 BGB geschützt. [22]NJW-RR 2019, 590 Rn. 15. Hier beginnt die Verjährungsfrist damit gem. § 199 I BGB mit Ablauf des Jahres 2014, da die Beeinträchtigung im Sommer 2014 erstmals eintrat und K dies auch wusste.
Die Verjährung tritt sodann mit Ablauf des Jahres 2017 ein, weshalb B im Frühjahr 2020 mit Erfolg die Einrede der Verjährung erheben kann.
Auf dem Grundstück des A kommt es ohne dessen Verschulden zu einem Wasserrohrbruch , der auf dem Grundstück der B zu einer Überschwemmung führt. Als B dies erfährt, ist das Rohr bereits abgedichtet und das Wasser versickert. Welche Ansprüche hat B gegen A?
B könnte gegen A einen Anspruch auf Beseitigung der durch den Wasserrohrbruch bewirkten Überschwemmung gem. § 1004 I 1 BGB haben. Die Wasserzufuhr greift in den Zuweisungsgehalt des Eigentums ein. A ist Zustandsstörer. Es besteht keine Duldungspflicht gem. § 906 I 1 BGB, da es sich bei Wasser um einen wägbaren Stoff handelt. Jedoch dauert die Eigentumsbeeinträchtigung nicht mehr fort, da das Wasser bereits versickert ist. Für einen Anspruch aus § 1004 I 1 BGB verbleibt somit kein Raum mehr. [23]JuS 2016, 591, 594.
B hat keinen Anspruch gegen A aus § 823 BGB, da A den Wasserrohrbruch nicht zu verschulden hatte. Für einen Anspruch aus § 836 BGB fehlt es an der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht.
B könnte einen Entschädigungsanspruch aus § 906 II 2 BGB haben. Dazu müsste B die Beeinträchtigung zu dulden haben. Dies ist jedoch mangels Anwendbarkeit des § 906 I 1 BGB hier nicht der Fall. B hätte vielmehr den Beseitigungsanspruch gem. § 1004 I 1 BGB geltend machen können. Jedoch war er dazu nicht rechtzeitig in der Lage, womit er faktisch zur Duldung verpflichtet war. In diesen Fällen des sog. faktischen Duldungszwangs wendet die Rechtsprechung § 906 II 2 BGB analog an. Dieser gewährt entsprechend den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung einen angemessenen Ausgleich in Geld. [24]zur Vertiefung: Rachlitz/Ringshandl, JuS 2011, 970. Somit hat B gegen A einen Ausgleichanspruch aus § 906 II 2 BGB analog.

Zusammenfassung:
1. Ob der Eigentümer eines Grundstücks vom Nachbargrundstück herüberragende Zweige ausnahmsweise dulden muss, bestimmt sich allein nach § 910 II BGB. § 906 BGB ist daneben nicht anwendbar. Auf das Kriterium der Ortsüblichkeit kommt es insoweit folglich nicht an.
2. § 910 II BGB gilt sowohl für die unmittelbare als auch für die mittelbare Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung.
3. Eine Verbotsnorm im öffentlichen Naturschutzrecht ist bei der Ausübung des Selbsthilferechts aus § 910 I 2 BGB bzw. i.R.d. Beseitigungsanspruchs aus § 1004 I BGB auch vom Nachbarn hinzunehmen. Dies gilt nicht im Falle einer Befreiungsmöglichkeit von diesem Verbot.


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