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Störung der Geschäftsgrundlage bei einer Lebensgemeinschaft
BGH, Urteil vom 18.6.2019 – X ZR 107/16 – BGH NJW 2019, 3511

Sachverhalt

Der A und die B leben seit 2002 in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Sie beschließen 2011 sich gemeinsam ein Hausgrundstück zu kaufen, auf welchem sie beide gemeinsam wohnen wollen. Um der B und dem A bei der Finanzierung des Grundstückes zu helfen, entschloss sich die Mutter M der B den beiden 100.000 EUR zuzuwenden, in der Hoffnung, A und B würden ein Leben lang zusammen bleiben. A und B war diese Hoffnung der M bekannt. Entgegen dieser Erwartung trennen sich der A und die B 2013 und der B zieht aus dem gemeinsamen Haus aus. Beide hatten sich im Verlauf der Zeit auseinandergelebt. M will nunmehr die Hälfte des Darlehns von dem A zurückerstattet bekommen, da sich ihre Erwartung an die Beziehung der beiden nicht erfüllt hat. Sie erklärt ihm gegenüber, dass sie unter diesen Umständen nicht mehr an der Schenkung festhalten wolle.

Besteht ein Anspruch der M auf Rückzahlung?


Skizze


Gutachten

A. Anspruch aus §§ 530 I, 531 II, 812 I 1 Alt. 1 BGB

M könnte einen Anspruch auf Rückzahlung des Geldes aus §§ 530 I, 531 II, 812 I 1 Alt. 1 BGB wegen Widerrufs des Schenkungsvertrages haben.

I. Schenkungsvertrag 

Dazu müsste zunächst ein wirksamer Schenkungsvertrag iSd. § 516 BGB vorliegen.

1. Einigung

Ein Schenkungsvertrag erfordert zwei übereinstimmende Willenserklärungen, namentlich Angebot und Annahme, deren Inhalt eine unentgeltliche Zuwendung sein muss. Ausdrückliche iSd. § 516 I BGB einigte sich die M mit dem A und der B jedoch nicht.

Allerdings kann auch im Rahmen eines Schenkungsvertrages eine Einung konkludent erfolgen. Eine solche konkludente Einigung könnte hier in der Zuwendung der 100.000 EUR durch die M an A und B liegen.

a) Rechtsverhältnis eigener Art

Von einer der Handlung innewohnenden konkludenten Willenserklärung mit Ziel zum Abschluss eines Schenkungsvertrages kann jedoch dann nicht ausgegangen werden, wenn sich auf dem persönlichen familiären Verhältnis der Parteien bereits ein anderer Wille ergibt. 

Nach einer älteren – nunmehr aufgegebenen – Rechtsprechung des BGH könnte es sich um eine sog. unbenannte Zuwendung handeln, bei welcher es sich um familienrechtliches Rechtsverhältnis eigener Art handelt. Die unbenannte Zuwendung zeichnet sich dadurch aus, dass sie der Aufrechterhaltung des ehelichen Zusammenlebens dient, ihr entwachsen also gerade nicht die Rechte und Pflichten, die sich aus den §§ 528 ff. BGB ergeben, denn es mangelt bereits an der für die Schenkung notwendigen Unentgeltlichkeit. Die Unentgeltlichkeit erfordert den erkennbaren Willen des Zuwenders den Empfänger einseitig zu begünstigenden und das die Zuwendung zu einer frei disponiblen Bereicherung führen soll. Bei einer, wie hier vorliegenden, Zuwendung durch die Schwiegereltern soll sie auf Dauer der Ehegemeinschaft dienen und damit auch von deren Bestand abhängig sein.[1]NJW 2010, 2202; Senat, VIZ 1998, 262 = NJW 1998, 2600 L = FamRZ 1998, 669 [670]; BGHZ 129, 259 [263f.] = NJW 1995, 1889 Sie ist daher zumindest nicht subjektiv unentgeltlich. 

b) Konkludente Schenkung

Dem steht allerdings – im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung des BGH – entgegen, dass auch bei einer Zuwendung, welche auf die Aufrechterhaltung des ehelichen Zusammenlebens zielt, sämtliche Voraussetzungen des § 516 I BGB erfüllt sind. Eine Einigung über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung i.S. des § 516 I BGB setzt weder voraus, dass der Zuwendungsempfänger über den zugewandten Gegenstand frei verfügen kann, noch dass der Empfänger einseitig begünstigt wird. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass gem. § 525 BGB eine Schenkung auch unter einer Auflage erfolgen kann. [2]BGH NJW 2010, 2202 Rn. 22

c) Zwischenergebnis

Mithin kann hier von einer konkludenten Schenkungsvereinbarung ausgegangen werden

Anmerkung: Darstellung der alten und neuen Rechtsprechung
Eine solche ausführliche Darstellung, insbesondere mit alter und neuer Rechtsprechung, kann von einem Prüfling regelmäßig nicht erwartet werden. Pluspunkte lassen sich jedoch dann sammeln, wenn der Prüfling zeigt, dass er von der früheren Konstellation der unbenannten Zuwendungen weiß. Möglich wäre dies auch bereits dadurch, dass der Prüfling negativ zur unbenannten Zuwendung abgrenzt (so unter b)).

2. Formerfordernis

Der Schenkungsvertrag müsste auch formwirksam sein. Gem. § 518 I BGB bedarf es der notariellen Beurkundung des Schenkungsversprechens, andernfalls ist das Rechtsgeschäft gem. § 125 BGB nichtig.

Eine notarielle Beurkundung des Schenkungsversprechen der M ist hier nicht ersichtlich.

Allerdings sieht der § 518 II BGB eine Heilung der Formunwirksamkeit vor, wenn die versprochene Leistung bewirkt wurde. Im Raum steht hier die Zahlung von 100.000 EUR. Diese wurde auch durch die M geleistet. Insofern wurde Formunwirksamkeit des Schenkungsvertrages geheilt.

Vernetztes Lernen: Welche Arten der Formbedürftigkeit gibt es?
Schriftform, § 126 BGB; Textform, § 126b BGB; Notarielle Beurkundung, § 128 BGB; öffentliche Beglaubigung, § 129; Elektronische Form, § 126a BGB.

II. Grober Undank

Nebst dem Schenkungsvertrag bedürfte es für einen Anspruch nach §§ 530 I, 531 II, 812 I 1 Alt. 1 BGB auch eine schwere Verfehlung des A, welcher sich als grober Undank darstellt. Ein solches Verhalten könnte sich hier aus der Trennung des A von der B ergeben. Grober Undank setzt dabei objektiv ein Fehlverhalten mit einem gewissen Maß an Schwere und subjektiv eine tadelnswerte Gesinnung voraus, die einen Mangel an Dankbarkeit erkennen lässt.[3]BeckOK BGB/Gehrlein, 56. Ed. 1.11.2020 Rn. 3, BGB § 530 Rn. 3; BGH NJW 2014, 3021 Rn. 18; 2002, 1046; 2000, 3201; 1999, 1626; 1999, 1623; 1992, 183 Bei der Bewertung ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen.[4]BeckOK BGB/Gehrlein, 56. Ed. 1.11.2020 Rn. 3, BGB § 530 Rn. 3; BGH NJW 2014, 3021 Rn. 18; 2016, 324 Rn. 18; NJW-RR 2020, 179 Rn. 30 Es sind demnach Motiv, Art und Umfang der Schenkung der Art und Anlass der Verfehlung gegenüberzustellen. [5]BGH NJW-RR 2013, 618 Rn. 12; Erman/Hähnchen Rn. 5; BeckOK BGB/Gehrlein, 56. Ed. 1.11.2020 Rn. 3, BGB § 530 Rn. 3 Gleichwohl ist es nicht notwendig, dass sich der grobe Undank direkt gegen den Schenker richtet, möglich ist auch ein grober Undank gegenüber nahen Angehörigen des Schenkers.[6]BGH NJW-RR 2005, 300; BGH NJW 1999, 1623 Eine solche Angehörige ist auch hier die Tochter B der M. Allerdings kann eine alleinige Trennung von einem Partner noch keine Verfehlung der Art darstellen, dass sie als grober Undank zu werten ist. Vielmehr stellt es einen – mehr oder minder – gewöhnlichen Verlauf einer Beziehung dar. Selbst eine (eheliche) Untreue, welche tatbestandlich nicht ersichtlich ist, kann nur unter besonderen Bedingungen eine schwere Verfehlung darstellen.[7]so BGH NJW-RR 2005, 300, 301 Erst Recht kann nichts anderes für ein Auseinanderleben eines Paares gelten, welche zum Ende einer Beziehung führt.

Anmerkung: Weitergehende Vertiefung
Hierzu näher: BGH NJW 1999, 1623; OLG Düsseldorf NJW-RR 2005, 300; LG Limburg NJOZ 2012, 1590 sowie BeckOK BGB/Gehrlein, 56. Ed. 1.11.2020 Rn. 4, BGB § 530 Rn. 4. Im Allgemeinen ist gerade bei Beziehungen, ob ehelich oder unehelich, der grobe Undank er restriktiv anzunehmen. Wie schon zuvor beschrieben, kann selbst bei ehelicher Untreue nicht einfach ein gober Undank angenommen werden. Anders aber beispielsweise, wenn der Mann Geschenke annimmt und sich gleichzeitig anderen Frauen zuwendet (OLG Hamm NJW 1978, 224).[8] BeckOK BGB/Gehrlein, 56. Ed. 1.11.2020 Rn. 4, BGB § 530 Rn. 4 Zu tiefe Ausführungen können wohl hier auch vom Prüfling nicht erwartet werden. Hilfreich ist es mit logischer Argumentation Motiv, Art und Umfang der Schenkung der Art und Anlass der Verfehlung gegenüberzustellen.

III. Zwischenergebnis

Ein Anspruch der M gem. §§ 530 I, 531 II, 812 I 1 Alt. 1 BGB scheidet mangels groben Undanks des A aus.

B. § 812 I 1 Alt. 2 BGB 

Die M könnte allerdings einen Anspruch auf Rückzahlung des Geldes aus § 812 I 1 Alt. 2 BGB iVm. § 158 II BGB haben.

I. Etwas erlangt 

Dazu müsste der A zunächst etwas erlangt haben. Etwas Erlangtes kann jede Verbesserung der Vermögenssituation sein.[9]Jauernig/Stadler, 18. Aufl. 2021, BGB § 812 Rn. 8 A erlangte hier die Zahlung der 100.000 EUR.

II. Durch Leistung

Dies müsste durch Leistung der M geschehen sein. Als Leistung kann jede bewusste zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens verstanden werden. [10]BGHZ 40, 277; 58, 188; WM 2002, 1560; NJW 2018, 1079 Rn. 17; Jauernig/Stadler, 18. Aufl. 2021, BGB § 812 Rn. 2 Dies ist durch die Zahlung der 100.000 EUR auf das Konto des A und der B geschehen.

III. Ohne Rechtsgrund 

Gleichwohl müsste dies ohne Rechtsgrund geschehen sein. Ein möglicher Rechtsgrund könnte hier in dem Schenkungsvertrag bestehen. Dieser könnte jedoch weggefallen sein, wenn gem. § 158 II BGB eine auflösende Bedingung vereinbart wurde und diese auch eingetreten ist. 

Fraglich ist insoweit, ob bei dem Schenkungsvertrag zwischen den Parteien eine auflösende Bedingung vereinbart wurde. Eine solche könnte in dem Bestand respektive dem Auseinanderfallen der Beziehung des A und der B liegen.

Eine auflösende Bedingung kann sowohl ausdrücklich als auch konkludent erklärt werden.[11] BeckOK BGB/Rövekamp, 56. Ed. 1.11.2020, BGB § 158 Rn. 6 Insoweit kann sich eine auflösende Bedingung auch aus dem Zusammenhang der Geschäftsvornahme ergeben, wenn für den Geschäftsgegner erkennbar wird, dass die Rechtswirkung der Erklärung einer Partei von einem ungewissen zukünftigen Ereignis abhängig sein soll.[12]LG Köln NJW-RR 1993, 1424; BeckOK BGB/Rövekamp, 56. Ed. 1.11.2020, BGB § 158 Rn. 6. Dies ist im Wege der Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. 

Vorliegend ging M davon aus, dass die Beziehung zwischen dem A und der B lebenslänglich halten würde. Möglich erscheint daher, dass die Schenkung durch das halten der Beziehung bedingt wurde. Dies ist allerdings auch gerade im Lichte der Schenkung i.S.d. § 516 zu betrachten. Denn mit der Schenkung soll der Beschenkte – über die gesetzlichen nachwirkenden Verpflichtungen hinaus – gerade keinen rechtlichen Bindungen unterliegen. Insbesondere soll die Schenkung kein Dauerschuldverhältnis begründen, das den Beschenkten dauerhaft an die Vorstellungen bände, die die Bereitschaft des Schenkers zur Abgabe des Schenkungsversprechens bestimmt oder jedenfalls beeinflusst haben.[13]NJW 2019, 3511 Rn. 17 Insofern musste A auch nicht davon ausgehen, dass – obwohl gerade nicht ausdrücklich die Schenkung unter eine Bedingung gestellt wurde – die M diese von einer solchen abhängig machen wollen würde. Eine auflösende Bedingung gem. § 158 II BGB wurde daher nicht konkludent zwischen den Parteien vereinbart. Der Rechtsgrund in der Form des Schenkungsvertrages bestand somit fort.

Vernetztes Lernen: Welche Kondiktionen iSd. 812 BGB gibt es?
§ 812 Absatz 1 S. 1 Alt. 1 (condictio indebiti)
§ 812 Absatz 1 S. 2 Alt. 1 (condictio ob causam finitam)
§ 812 Absatz 1 S. 2 Alt. 2 (condictio ob rem)
§ 812 Absatz 1 S. 1 Alt. 2 (Eingriffskondiktion)

C. § 812 I 2, 2. Fall BGB

Gleiches gilt auch für die Zweckverfehlungskondiktion gem. § 812 I 2 Alt. 2 BGB. Ein ausdrücklicher Zweck wurde nicht vereinbart. Von einer konkludenten Zweckbindung – im Einklang mit dem zuvor gesagten – kann unter der im Lichte des § 516 BGB anzustellenden Erwartungshaltung nicht angenommen werden.

D. Anspruch aus §§ 313 I, III, 346 I BGB

Letztlich kommt aber ein Rückzahlungsanspruch wegen der Störung der Geschäftsgrundlage gem. §§ 313 I, III, 346 I BGB in Frage.

Anmerkung: Subsidiarität der Störung der Geschäftsgrundlage
Der Anspruch aus §§ 313 I, III, 346 I BGB sollte zum Schluss geprüft werden, da der Wegfall der Geschäftsgrundlage subsidiär ist. Das bedeutet, dass die Störung der Geschäftsgrundlage erst dann in Betracht kommt, wenn keine andere Norm mehr greift. Das ergibt sich bereits aus dem Charakter der Norm als Auffangtatbestand.[14]BeckOK BGB/Lorenz, 56. Ed. 1.11.2020, BGB § 313 Rn. 2 Insofern ist zunächst immer zu prüfen, ob speziellere vertragliche oder gesetzliche Regelungen greifen. Hierbei sind an AGB, Anfechtung, Rücktritt, Kündigung, Mängelgewährleistung aber auch die Unmöglichkeit nach § 275 BGB zu denken. Gerade bei der Unmöglichkeit nach § 275 BGB bestehen häufig Schnittmengen zu dem Wegfall der Geschäftsgrundlage.

I. Vertragliches Schuldverhältnis

Ein vertragliches Schuldverhältnis liegt in der Form des Schenkungsvertrages gem. § 516 BGB vor.

II. Störung der Geschäftsgrundlage

Ebenso müsste aber auch eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegen.

1. Umstand als Geschäftsgrundlage

Dies erfordert zunächst einen Umstand, der von den Parteien zur Geschäftsgrundlage erhoben wurde. Geschäftsgrundlage ist dabei jeder Umstand, der nicht Vertragsinhalt geworden ist, aber von mindestens einer Partei erkennbar bei Vertragsschluss vorausgesetzt wurde.[15]MüKoBGB/Finkenauer, 8. Aufl. 2019 Rn. 57, BGB § 313 Rn. 57

Dabei ist nicht jede bei Vertragsschluss zutage tretende Vorstellung Teil der  Geschäftsgrundlage des Vertrags.[16]BGH NJW 2019, 3511 Rn. 16 Vorstellungen zur möglichen Realisierung von Risiken, die in die Sphäre einer Partei fallen, betreffen den Inhalt des Vertrags, nicht seine Grundlage.[17]BGH NJW 2019, 3511 Rn. 16

Auch hier ist daher die Geschäftsgrundlage im Lichte des § 516 BGB zu betrachten. Dem Schenkungsvertrag ist immanent, dass es grundsätzlich der Handlungsfreiheit des Beschenkten obliegt, ob und in welchem Umfang er den – ausgesprochen oder unausgesprochen – mit der Schenkung verbundenen Erwartungen des Schenkers Rechnung trägt.[18]BGH NJW 2019, 3511 Rn. 16 Zumindest gilt dies bis zur Grenze des groben Undanks gem. § 530 BGB.

Andererseits gilt, dass je mehr der zugewendete Gegenstand nach seiner Art und seinem Wert geeignet ist, die künftige Lebensgestaltung des Beschenkten zu beeinflussen, desto eher wird der Schenker typischerweise Vorstellungen über diese Lebensgestaltung hegen.(NJW 2019, 3511 Rn. 15, beck-online) Gerade dem privaten Grunderwerb liegt damit auch eine gewisse Erwartungshaltung zu Grunde, denn oftmals ist in Anbetracht des hohen Gegenstandswerts für den Beschenkten ersichtlich, dass der Schenker sich mit dem  hierfür zu verwendenden Geldbetrag verspricht, dass das Grundstück dem Beschenkten zumindest für einen längeren Zeitraum zur Verfügung stehen wird.[19]BGH NJW 2019, 3511 Rn. 15

Möglich ist daher, dass sich auch ein solcher Beziehungs-Zeitraum Teil der Geschäftsgrundlage wird. Dies kann aber nicht grenzenlos gelten, denn der Schenker kann realistisch – so zeigt es auch der Alltag – nicht davon ausgehen, dass eine Ehe auf Lebenszeit Bestand hat. Erst recht kann nichts anderes für eine nichteheliche Lebensgemeinschaft gelten.

Als Grundlage der gemeinsamen schenkungsweisen Zuwendung von Grundeigentum oder hierfür bestimmter anderer Vermögenswerte an das eigene Kind und dessen Partner kommt vielmehr regelmäßig nur die Vorstellung in Betracht, die Lebensgemeinschaft und damit die gemeinsame Nutzung der Immobilie durch die Beschenkten werde von mehr als kurzer Dauer sein.

Anmerkung: Ehe von kurzer Dauer
Der BGH stellt in seiner Entscheidung auf die Rechtsprechung zum § 1579 Nr. 1 BGB ab. Hier wird ebenfalls von einer „Ehe von kurzer Dauer“ – wenngleich in einem anderen rechtlichen Zusammenhang – gesprochen. Von dem Prüfling kann eine ausgeprägte Kenntnis hiervon selbstverständlich nicht erwartet werden. Es kommt daher wohl nur auf eine gelungene Argumentation an.

2. Nachträgliche Änderung dieses Umstandes (reales Element)

Mit einer Beendigung der gemeinsamen Nutzung nach weniger als zwei Jahren kann auch von einer „nur kurzen Dauer“ ausgegangen werden. Insoweit hat sich der Umstand, dass die Lebensgemeinschaft von mehr als nur kurzer Dauer ist, nachträglich geändert.

3. Kein Vertragsschluss bei Voraussehen dieser Änderungen (hypothetisches Element)

Das A und B mit M diesen Vertrag nicht abgeschlossen hätten, wenn sie von der kurzen Dauer der Lebensgemeinschaft gewusst hätten, ist auszugehen.

Anmerkung: Im Zweifel werden diesbezüglich weitere Angaben im Sachverhalt vorzufinden sein.

4. Unzumutbarkeit des Festhaltens am unveränderten Vertrag (normatives Element)

Ebenso muss ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar sein. Die ist der Fall, wenn ein Festhalten an der vereinbarten Regelung zu einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbaren Ergebnis führt.[20]BeckOK BGB/Lorenz, 56. Ed. 1.11.2020 Rn. 31, BGB § 313 Rn. 31 Dies erfordert eine umfassende Interessenabwägung unter Würdigung aller Umstände, insbesondere auch der Vorteile, die der betroffenen Partei neben den Nachteilen aus den eingetretenen Veränderungen erwachsen sind [21]BGH NJW 1995, 47; BGH NJW 1995, 592; MüKoBGB/Finkenauer Rn. 76 ff.; BeckOK BGB/Lorenz, 56. Ed. 1.11.2020 Rn. 31, BGB § 313 Rn. 31. Die Grenze der Zumutbarkeit, hängt von der Art des Vertrages und der aufgetretenen Störung sowie von den Umständen des Einzelfalles ab.[22]BeckOK BGB/Lorenz, 56. Ed. 1.11.2020 Rn. 31, BGB § 313 Rn. 31 

Im Falle eines Schenkungsvertrages kann bei einem Wegfall der Geschäftsgrundlage der Maßstab der Zumutbarkeit grundsätzlich nur die freie Entscheidung des Schenkers für die Zuwendung sein. Maßgeblich ist, ob und inwieweit die Kenntnis der veränderten Umstände diese Entscheidung beeinflusst hätte.[23]NJW 2019, 3511 Rn. 29f. Vorliegend hätte M den Schenkungsvertrag nicht geschlossen, hätte sie von der Kurzweiligkeit der Beziehung gewusst. 

Tatbestandlich sind auch finanzielle Einwände nicht ersichtlich, die es dem Beklagten unzumutbar machen würden, dass Geschenk zurückzugeben.

III. Rechtsfolge: Rücktritt vom Vertrag

Ebenso müsste sich die Rechtsfolge der Störung der Geschäftsgrundlage auf eine Rückforderung der ausgezahlten Summe richten können. Grundsätzlich ist aber im Falle des § 313 BGB die Anpassung des Vertrages vorrangig.[24]BGH NJW 2019, 3511 Rn. 35 Ein Rücktritt vom Vertrag ist nur dann möglich, wenn eine Anpassung des Vertrages unzumutbar ist. Eine Vertragsanpassung im Allgemeinen dann als unzumutbar anzusehen, wenn sie nur zu einem Vertragsinhalt führen kann, der einer Überprüfung am Maßstab eines hypothetischen Parteiwillens nicht standhält und den zumindest eine Partei in Kenntnis der geänderten Umstände nicht vereinbart hätte [25]BGH NJW 2019, 3511 Rn. 36; OLG Saarbrücken, NJW 2012, 3731 [3734]; Erman/Böttcher, BGB, 15. Aufl., § 313 Rn. 44; MüKoBGB/Finkenauer, 8. Aufl., § 313 Rn. 105

Im Falle des hier vorliegenden Schenkungsvertrages, ist der hypothetische Parteiwillen nicht dahingehend zu interpretieren, dass die M, je nach der Länge der Beziehung, eine Staffelung des zugewendeten Geldes vorgenommen hätte. Vielmehr gilt auch hier, dass sich eine konkrete, in Jahre ausdrückende oder gar lebenslängliche, Erwartungshaltung der Geschäftsgrundlage entzieht. Gleichzeitig kann in Anbetracht des Ziels der Schaffung einer gemeinsamen Wohnungssituation mit Grund- oder Wohnungseigentum für ihre Tochter nur davon ausgegangen werden, dass bei einer kurzweiligen Beziehung eine Zuwendung an A überhaupt nicht erfolgt wäre, sondern vielmehr nur an B. Insofern ist auch eine Vertragsanpassung nach dem hypothetischen Willen im Lichte des § 516 BGB der M nicht zumutbar. Dem folgt ein Recht zum Rücktritt, welches die M auch durch Rücktrittserklärung ausgeübt hat. 

IV. Ergebnis

Die M hat einen Anspruch auf Rückzahlung der gewährten Zuwendung aus §§ 313 I, III, 346 I BGB.

Zusatzfragen

Kann bei einer Schenkung zwischen Ehegatten nach Änderung der Rechtsprechung nun auch nicht mehr von einer sog. unbeannten Zuwendung ausgegangen werden?
Doch, denn grundsätzlich besteht die Konstruktion der unbenannten Zuwendung unter Ehegatten weiter. Bei einer Schenkung iSd. § 516 I BGB wird auch immer eine Vermögensminderung seitens des Schenkenden vorausgesetzt. Hieran mangelt es aber zumesit zwischen Ehegatten.[26]Koch, in: MünchKomm, § 516 Rn. 5f.. Der zuwendende Ehegatte hat regelmäßig die Vorstellung, der zugewendete Gegenstand werde ihm letztlich nicht verloren gehen, sondern der ehelichen Lebensgemeinschaft und damit auch ihm selbst zugute kommen. [27]BGH NJW 2010, 2202 Rn. 22; BGH NJW 2008, 3277; Wagenitz, in: Schwab/Hahne, FamilienR im Brennpunkt, S. 167

Zusammenfassung:

1. Die vom (mit-)beschenkten Partner des eigenen Kindes geteilte oder jedenfalls erkannte Vorstellung des Schenkers, eine zugewendete Immobilie werde vom eigenen Kind und dessen Partner dauerhaft als gemeinschaftliche Wohnung oder Familienwohnung genutzt, kann die Geschäftsgrundlage eines Schenkungsvertrages bilden.

2. Die Schenkung begründet jedoch kein Dauerschuldverhältnis. Für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage reicht es deshalb nicht aus, dass die Lebensgemeinschaft nicht bis zum Tod eines der Partner Bestand hat. Hat je- doch die gemeinsame Nutzung der Immobilie entgegen der mit der Schenkung verbundenen Erwartung nur kurze Zeit angedauert, kommt regelmäßig ein Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht.

3. In diesem Fall ist der Schenker in der Regel berechtigt, vom Schenkungsvertrag zurückzutreten und das gesamte Geschenk oder dessen Wert zurückzufordern.


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