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„Sale and rent Back“-Verträge - Bargeld und Weiterfahren
 BGH Urteil vom 16.11.2022 – VIII ZR 436/21, BeckRS 2022, 35146

Sachverhalt

(abgewandelt und gekürzt)

Die A möchte einige Investitionen tätigen und benötigt hierfür „flüssiges Mittel“. Bei der Suche nach einer Lösung stößt sie auf das Angebot „Bargeld und weiterfahren“ der B. Die B ist ein bundesweit handelndes und staatlich zugelassenes Pfandleihaus, welches ein sogenanntes „Sale and rent back“-Modell betreibt. Im Rahmen dieses Modells kauft die B Fahrzeuge an und überlässt sie den Verkäufern umgehend auf Grundlage eines Mietverhältnisses zur weiteren Nutzung. Am Ende des Mietverhältnisses werden die Fahrzeuge von der B verwertet.

Die A, welche darin eine Möglichkeit sieht, kurzfristig an Geld zu kommen, verkauft im Januar 2018 an die B im Rahmen des obigen Modells das in ihrem Eigentum stehende Kfz zum Preis von 5.000 EUR. Das Fahrzeug hatte zu diesem Zeitpunkt einen Einkaufswert von 13.700 EUR.

In § 6 des Kaufvertrags wurde folgende Regelung festgehalten:

„a. Der Verkäufer beabsichtigt, das Fahrzeug von der Käuferin zur Nutzung zurückzumieten. […] Einzelheiten sind in einem gesonderten Mietvertrag geregelt.

 b. Der Verkäufer wurde zudem auf § 34 Absatz 4 Gewerbeordnung hingewiesen, der besagt, dass der gewerbsmäßige Ankauf beweglicher Sachen mit Gewährung eines Rückkaufsrechts verboten ist. Der Verkäufer bestätigt ausdrücklich, dass ihm während der Vertragsverhandlungen weder schriftlich noch mündlich zugesagt, noch der Eindruck vermittelt wurde, dass er das von ihm an die Käuferin verkaufte Fahrzeug durch einseitige Erklärung dieser gegenüber zurückkaufen könne.“

Neben diesem Kaufvertrag wurde zugleich der § 6 lit. a) angesprochene Mietvertrag für eine Laufzeit von 18 Monaten geschlossen. Als Mietzins wurde eine Zahlung von monatlich 900,00 EUR vereinbart, wobei sich dieser Beitrag aufgrund der Übernahme der Kosten für Steuern, Versicherungen, Wartung und Reparaturen des Fahrzeugs durch die A auf 495 EUR. Sie hatte daher für alle sonstigen Kosten des Fahrzeugs neben des Mietzinses aufzukommen.

In dem Mietvertrag wurde die B ausdrücklich als „Eigentümerin des Fahrzeugs“ bezeichnet. Zudem wurde mietvertraglich eine Verwertung des Fahrzeugs nach Vertragsende im Wege einer öffentlichen Versteigerung vereinbart, wobei festgehalten wurde, dass sowohl die B als auch die A gemäß § 1239 BGB an der Auktion teilnehmen und das Fahrzeug ersteigern dürfen. Weiterhin wurde vereinbart, dass der Versteigerungsgewinn (Erlös abzüglich aller Kosten der B) A nur dann zufließen soll, wenn das Fahrzeug weder durch A noch durch B ersteigert wird.

Nach Abschluss beider Verträge übergab die A den Zweitschlüssel und die Zulassungsbescheinigung Teil II an die B. Die B zahlte bis September 2018 die Miete (insg. 4.455,00 EUR), nicht jedoch im Oktober 2018. Daraufhin kündigte die A den Mietvertrag, verlangte das Fahrzeug von der B zurück und ließ es nach der Rückgabe an sie öffentlich versteigern. Die B ersteigerte das Fahrzeug selbst, das zu diesem Zeitpunkt einen Wiederbeschaffungswert von 16.000 Euro hatte, und veräußerte es sodann an den die Vorgeschichte nicht kennenden C. Der C zieht im Anschluss mit dem Fahrzeug unbekannterweise ins Ausland.

Die A begehrt unter anderem Schadensersatz für das versteigerte Fahrzeug in Höhe von 11.000 EUR (Differenz von Verkaufspreis an die B und Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs) und Rückerstattung der gezahlten Miete in Höhe von 4.455,00 EUR. Sie ist der Ansicht, dass der ursprüngliche Vertrag wegen des niedrigen Kaufpreises im Vergleich zum Wert des Fahrzeugs unwirksam ist. Zu Recht?

Hinweis:

  1. Vertragliche Ansprüche sind nicht zu prüfen.
  2. Die Kündigung des Mietvertrags und die anschließende Versteigerung sind rechtlich nicht zu beanstanden.
  3. In § 34 Abs. 4 GewO heißt es:
    „Der gewerbsmäßige Ankauf beweglicher Sachen mit der Gewährung des Rückkaufsrechts ist verboten“ 
    Der Verstoß gegen § 34 Abs. 4 GewO ist nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 GewO bußgeldbewehrt.

Skizze


Gutachten

A. Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. 11.000 EUR gemäß §§ 990 Abs. 1, 989, 249 Abs. 1, 251 BGB gegen B

Vertragliche Ansprüche sind nach dem Bearbeitervermerk nicht zu prüfen. A könnte gegen B jedoch einen Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. 11.000 EUR aus dem Eigentümer-Besitzer Verhältnis gemäß §§ 990 Abs. 1, 989, 249 Abs. 1, 251 BGB haben.

Anmerkung: Prüfungsumfang

Vertragliche Ansprüche sind nach dem Bearbeitervermerk ausgeschlossen worden. In einer Examensklausur muss das natürlich nicht der Fall sein. In diesem Fall wären alle ernsthaft in Betracht kommenden Ansprüche zumindest kurz anzusprechen; der Schwer-punkt liegt bei Betrachtung des Sachverhalts (Eigentumsübertragungen, Fragen der Gutgläubigkeit, Versteigerung etc.) jedoch eher in Sachenrecht.

I. Vindikationslage im Zeitpunkt der schädigenden Handlung

Für einen Anspruch aus dem Eigentümer-Besitzerverhältnis müsste zunächst eine Vindikationslage bestanden haben. Die §§ 987 ff. sind nach ihrer Stellung im Gesetz nur anwendbar, wenn eine sog. Vindikationslage vorliegt, also wenn im Zeitpunkt der Handlung, aus der Ansprüche auf Nutzungsherausgabe, Schadens- oder Verwendungsersatz abgeleitet werden, ein durchsetzbarer Anspruch des Eigentümers gegen den Besitzer aus § 985 bestanden hat.[1]BeckOK BGB/Fritzsche, 65. Ed. 1.2.2023, BGB § 987 Rn. 9

Als schädigendes bzw. haftungsbegründendes Ereignis im Sinne des § 989 BGB kommt die Verschlechterung, der Untergang oder die sonstige Unmöglichkeit der Herausgabe in Betracht. Dies könnte vorliegend die Veräußerung des Fahrzeugs von B an den C gewesen sein, der sich im Anschluss mit dem Fahrzeug im Anschluss unbekannterweise ins Ausland abgesetzt hat.

1. A als ursprüngliche Eigentümerin

A war vorliegend ursprünglich Eigentum des Kfz.

2. Verlust des Eigentums durch Veräußerung an B, §§ 929 Abs. 1, 930 BGB

A könnte das Eigentum am Kfz jedoch an B durch Veräußerung gemäß §§ 929 Abs. 1, 930 BGB verloren haben.

a) Übergabesurrogat, § 930 BGB

Als Übergabesurrogat dient der zwischen den Parteien geschlossene Mietvertrag, der ein Besitzmittlungsverhältnis i.S.d. § 868 BGB begründet.

b) Dingliche Einigung

Weiterhin müsste eine dingliche Einigung im Sinne des § 929 Abs. 1 BGB zwischen A und B vorliegen.

Eine dingliche Einigung i.S.d. § 929 S. 1 BGB könnte im zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluss des Kaufvertrags zustande gekommen sein. Die A hat  die Zulassungsbescheinigung Teil II, ein Dokument, welches das Eigentum an dem Fahrzeug sichern soll, an die B übergeben. Zudem wurde die B im gesonderten Mietvertrag ausdrücklich als „Eigentümerin des Kfz“ bezeichnet. Daher kam mit Übergabe der Dokumente zumindest eine konkludente (§§ 133, 157 BGB) dingliche Einigung über den Eigentumsübergangs bzgl. des Fahrzeugs zustande.[2]Omlor, JuS 2023, 262

c) Wirksamkeit der dinglichen Einigung

Fraglich ist jedoch, ob die dingliche Einigung zwischen A und B auch wirksam ist.

Zu beachten ist hierbei, dass es zwischen A und B zwei Einigungen gegeben hat – die schuldrechtliche und die dingliche. Das schuldrechtliche Verpflichtungs- und das dingliche Verfügungsgeschäft sind hierbei nach dem Trennungsprinzip getrennt voneinander zu betrachten. Nach dem ebenso geltenden Abstraktionsprinzip sind die Wirksamkeit des sachenrechtlichen Rechtsgeschäfts und die Wirksamkeit des schuldrechtlichen Kausalgeschäfts grundsätzlich unabhängig voneinander.[3]MüKoBGB/Oechsler, 9. Aufl. 2023, BGB § 929 Rn. 8 Grundsätzlich berührt daher eine Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts (hier: Kaufvertrag) die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts (hier: Übereignung) nicht.

Anmerkung: Trennungs- und Abstraktionsprinzip

Da es sich hierbei um ein Grundprinzip des Sachenrechts handelt, sind viele Prüfer:innen sehr empfindlich, wenn dieses von Prüflingen missachtet wird. Daher sollte versucht werden, hier genau zu differenzieren, um auch die strengsten Prüfer zu Beginn nicht abzuschrecken.

Allerdings können dingliches und schuldrechtliches Geschäft ausnahmsweise am selben Fehler leiden. Eine solche Fehleridentität kann beispielsweise dann vorliegen, wenn die Aufrechterhaltung des Verfügungsgeschäfts vor dem Hintergrund der Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts unvereinbar wäre.[4]zu § 134 BGB: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB Allgemeiner Teil / EGBGB, BGB § 134 Rn. 72, beck-online

Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, ob das Verpflichtungsgeschäft in Gestalt des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrags unwirksam war und sich ein Wirksamkeitsmangel dieses Kaufvertrags auch auf die dingliche Einigung auswirkte.

(aa) Nichtigkeit des Kaufvertrags nach § 134 BGB i.V.m. § 34 Abs. 4 GewO

In Betracht kommt zunächst, dass der Kaufvertrag als zugrundeliegendes Verpflichtungsgeschäft wegen eines Verstoßes gegen das Rückkaufsverbot des § 34 Abs. 4 GewO gemäß § 134 BGB nichtig ist.

Gemäß § 34 Abs. 4 GewO ist der gewerbsmäßige Ankauf beweglicher Sachen verboten, wenn er mit Gewährung eines Rückkaufsrechts erfolgt. Unter einem Rückkauf lässt sich nicht nur ein – gewissermaßen zum Ankauf spiegelbildlicher – Kaufvertrag im Sinne der §§ 433 ff. BGB verstehen, sondern auch jeder andere auf einer Willenserklärung des Verkäufers beruhende Rückerwerb, der zur Wiederherstellung der ursprünglichen Eigentums- und Besitzverhältnisse hinsichtlich des Kaufgegenstands führt. Dabei spielt es weder eine entscheidende Rolle, wie die Vertragsparteien ihre Vereinbarungen bezeichnen noch ob alle maßgeblichen Vereinbarungen in einem Vertrag zusammengefasst sind, da der Ankauf lediglich „mit“ der Gewährung des Rückkaufsrechts verbunden sein, nicht aber in einem einzigen Rechtsgeschäft erfolgen muss.[5]BGH Urt. v. 16.11.2022 – VIII ZR 290/21, BeckRS 2022, 37860 Rn. 37, beck-online Insofern ist Begriff des Rückkaufs auch nicht mit dem Wiederkaufsrecht der §§ 456ff. BGB gleichzusetzen.

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs wurde der A durch B kein Rückkaufsrecht im Sinne des § 34 Abs. 4 BGB eingeräumt. Vertraglich wurde in § 6 des Kaufvertrages durch die A erklärt, „dass [ihr] während der Vertragsverhandlungen weder schriftlich noch mündlich zugesagt noch der Eindruck vermittelt wurde, dass [sie] das von ihm an die Käuferin verkaufte Fahrzeug durch einseitige Erklärung dieser gegenüber zurückkaufen könne“. Eine solche Erklärung wäre zwar selbstverständlich im Falle eines entgegen dieser Erklärung vereinbarten Rückkaufsrechts nicht ausreichend, einen Verstoß gegen § 34 Abs. 4 GewO abzuwenden. Gleichwohl kann die Erklärung im Rahmen der Vertragsauslegung herangezogen werden.

Weiterhin ist in dem die Einzelheiten regelnden Mietvertrag, auf den der Kaufvertrag in § 6 lit. a Bezug nimmt festgehalten worden, dass das Fahrzeug am Ende des Mietverhältnisses durch öffentliche Versteigerung verwertet wird. Der A wurde damit weder ein Rückkaufs- noch ein Rücktrittsrecht gewährt. Sie hat aufgrund der vereinbarten Verwertung des Fahrzeugs nach Ablauf der Mietzeit im Wege der öffentlichen Versteigerung lediglich die Möglichkeit des Rückerwerbs, dessen Verwirklichung jedoch – anders als bei der Gewährung eines Rückkaufs- oder Rücktrittsrechts – nicht allein auf ihrem Willensentschluss beruht.[6]BGH Urt. v. 16.11.2022 – VIII ZR 290/21, BeckRS 2022, 37860 Rn. 39, beck-online

Fraglich ist jedoch, ob der Begriff des Rückkaufs unter Auslegung nach den anerkannten Methoden, insbesondere nach dem Willen des Gesetzgebers, auch die vorliegende Konstellation erfassen soll. Vorliegend könnte einer derartigen Auslegung bereits entgegenstehen, dass es sich bei § 34 Abs. 4 GewO um eine bußgeldbewerte Norm handelt (vgl. § 144 Abs. 2 Nr. 2 GewO). Insofern gilt, dass gemäß Art. 103 Abs. 2 GG und § 3 OWiG an die Bestimmtheit der Regelung bußgeld- oder strafbewehrter Pflichten besondere Anforderungen zu stellen sind. Hiernach müssen bei Ordnungswidrigkeiten- oder Straftatbeständen die Adressaten im Regelfall bereits anhand des Wortlauts voraussehen können, ob ein Verhalten unter die Norm fällt oder nicht. Ist der Tatbestand weiter gefasst, kann sich die erforderliche Bestimmtheit aus einer Auslegung unter Rückgriff auf weitere Normen ergeben. Ausgeschlossen ist jedoch eine Rechtsanwendung, die tatbestandsausweitend über den Inhalt der Norm hinausgehen. Dabei markiert der – aus Sicht des Normadressaten zu bestimmende – Wortsinn einer Vorschrift die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation einer Norm.[7]so auch Omlor: JuS 2023, 262, beck-online Dieser Bestimmtheitsgrundsatz ist auch bei der Auslegung der Norm im Zivilrecht anzuwenden, sodass eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung vorliegend ausscheidet.

Anmerkung: Umfang der Bearbeitung

Aus meiner Sicht handelt es sich spätestens ab der Frage der erweiterten Anwendung um eine sehr spezielle Thematik, die wohl eher nicht als Präsenzwissen von Prüflingen erwartet werden kann. Gleichwohl hat der BGH am gleichen Tage insgesamt drei weitere Urteile zu „sale and rent“-back Verträgen erlassen, in denen er sich mit der Frage der analogen Anwendung umfangreich auseinandergesetzt hat,[8]vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2022 – VIII ZR 221/21; BeckRS 2022, 35151; BGH, Urteil vom 16.11.2022 – VIII ZR 288/21, BeckRS 2022, 36691; BGH Urteil vom 16.11.2022 – VIII ZR 290/21, BeckRS … Continue reading sodass es nicht ausgeschlossen ist, dass auch Prüfungsämter hierzu gerne Ausführungen hören möchten. Empfehlenswert dürfte es daher sein, zumindest unter Zugrundelegung der bekannten Auslegungsmethoden Ausführungen zu machen, zumal die vorliegende Vertragskonstellation zu einem Rückerwerb führen könnte und damit eine Vergleichbarkeit gegeben ist.

Ein Verstoß gegen § 34 Abs. 4 GewO in direkter Anwendung liegt damit nicht vor.

(bb) Nichtigkeit des Kaufvertrags nach § 134 BGB i.V.m. § 34 Abs. 4 BGB analog

In Betracht kommt weiterhin, dass der Kaufvertrag als zugrundeliegendes Verpflichtungsgeschäft wegen eines Verstoßes gegen das Rückkaufsverbot des § 34 Abs. 4 GewO in analoger Anwendung gemäß § 134 BGB nichtig ist. Eine analoge Anwendung würde dann in Betracht kommen, wenn es eine Regelungslücke gibt, diese planwidrig ist und eine vergleichbare Interessenlage besteht.

Entsprechend der obigen Ausführungen zum Bestimmtheitsgrundsatz gebietet es jedoch der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, dass ein objektiv gleiches Verhalten nicht einerseits im Wege der analogen Anwendung einer Norm zivilrechtliche Nichtigkeitsfolgen nach sich zieht, jedoch andererseits eine – dem Grunde nach vorgesehene – Bußgeldanordnung aufgrund des Analogieverbots ausscheidet.[9]BGH Urt. v. 16.11.2022 – VIII ZR 290/21, BeckRS 2022, 37860 Rn. 64, beck-online

Eine analoge Anwendung ist daher ausgeschlossen, sodass auch keine Nichtigkeit nach § 134 BGB gegeben ist.

(cc) Nichtigkeit des Kaufvertrags nach § 138 Abs. 2 BGB

Der Kaufvertrag könnte jedoch wegen eines Verstoßes gegen das Wucherverbot des § 138 Abs. 2 BGB nichtig sein. Danach sind insbesondere solche Rechtsgeschäfte nichtig, durch die jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Voraussetzung ist damit ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, eine Schwäche des Vertragspartners und die Ausbeutung bzw. Ausnutzung dieser Schwäche durch den anderen Vertragspartner.

Im vorliegenden Fall ist es bereits fraglich, ob auf Seiten der A durch den Bedarf „flüssiger Mittel“ eine Zwangslage im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB vorgelegen hat. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass B die Situation des A bewusst ausgenutzt hat, sprich positive Kenntnis der Situation hatte und in Kenntnis dessen in verwerflicher Weise vorgegangen ist.[10]so auch Omlor: JuS 2023, 262, beck-online

Ein Wuchergeschäft im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB ist daher nicht gegeben.

(dd) Nichtigkeit des Kaufvertrags nach § 138 Abs.1 BGB

Da die Voraussetzungen des Wuchtertatbestandes des § 138 Abs. 2 BGB nicht erfüllt sind, ist fraglich, ob der Kaufvertrag jedenfalls aufgrund eines wucherähnlichen Geschäfts nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist.

Nach der Generalklausel des § 138 Abs. 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, wenn es gegen die Sitten verstößt. Ein solcher Verstoß ist dann anzunehmen, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Hierbei ist weder das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit noch eine Schädigungsabsicht erforderlich; es genügt vielmehr, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen die Sittenwidrigkeit folgt. Dem steht es gleich, wenn sich jemand bewusst oder grob fahrlässig der Kenntnis erheblicher Tatsachen verschließt. Zu berücksichtigen ist nicht nur der objektive Gehalt des Geschäfts, sondern es sind auch die Umstände, die zu seiner Vornahme geführt haben, sowie die Absicht und die Motive der Parteien in die Würdigung einzubeziehen.[11]BGH Urt. v. 16.11.2022 – VIII ZR 436/21, BeckRS 2022, 35146 Rn. 31, beck-online

Als Unterfall des sittenwidrigen Geschäftes kommt vorliegend ein sogenanntes wucherähnliches Geschäft in Betracht. Ein solches ist dann anzunehmen, wenn die Voraussetzungen des Wuchertatbestandes des § 138 Abs. 2 BGB zwar nicht vollständig erfüllt ist, zwischen Leistung und Gegenleistung objektiv ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt. Ein solcher weiterer Umstand wird insbesondere dann angenommen, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist, weil er den Vertragspartner als wirtschaftlich schwächere Person ausgenutzt oder sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sich der andere nur unter dem Zwang der Verhältnisse auf den für ihn ungünstigen Vertrag eingelassen hat.[12]BGH Urt. v. 16.11.2022 – VIII ZR 436/21, BeckRS 2022, 35146 Rn. 32, beck-online

Die danach notwendige verwerfliche Gesinnung wird bereits dann vermutet, wenn das objektive Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung besonders grob ist. Für ein besonders grobes Missverhältnis, welches eine solche Vermutung auf die verwerfliche Gesinnung zulässt, wird regelmäßig verlangt, dass der Wert der erhaltenen Leistung etwa doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung, diese also um 100% und mehr überschreitet.[13]BGH Urt. v. 16.11.2022 – VIII ZR 436/21, BeckRS 2022, 35146 Rn. 33, beck-online

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs besteht im vorliegenden Fall ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Kaufvertrag im maßgeblichen Zeitpunkt des Kaufvertrages. Die A hat das Fahrzeug an B für einen Preis von 5.000 EUR verkauft. Gleichwohl hatte das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt einen Händlereinkaufswert von 13.700 EUR, hätte also für diesen Preis an einen Händler verkauft werden können. Der Marktwert überstieg daher im Zeitpunkt des Kaufvertrags den Kaufpreis um fast das Dreifache, sodass die Grenze, ab der eine verwerfliche Gesinnung im ersten Schritt vermutet wird, weit überschritten ist.

Gleichwohl ist fraglich, ob die Vermutung im vorliegenden Falle aufgrund der Umstände des Einzelfalls nicht noch wiederlegt worden sein könnte.

Gegen eine verwerfliche Gesinnung könnte zunächst sprechen, wenn der besonders niedrige Kaufpreis durch andere Leistungen der B, beispielsweise aus dem zugehörigen Mietvertrag, ausgeglichen werden würde, sodass bei einer Gesamtbetrachtung kein besonders grobes Missverhältnis mehr anzunehmen sein dürfte. Die Betrachtung des Mietvertrags zeigt jedoch, dass selbst in diesem zulasten der A von den gesetzlichen Regelungen abgewichen worden ist. Nach dem Grundgedanken des § 535 Abs. 1 BGB ist der Vermieter verpflichtet, den Zustand der Mietsache im Zeitpunkt der Überlassung im nachfolgenden Zeitraum zu erhalten und die Kosten hierfür zu tragen. Gleiches gilt nach S. 3 auch für die Lasten der Mietsache. Abweichend hiervon wurde im Mietvertrag festgehalten, dass nicht nur ein Mietzins von A an B gezahlt werden soll, sondern A zusätzlich noch alle Kosten des Erhalts des Fahrzeugs wie Reparaturen und Wartungen und ebenfalls die Steuern selbst tragen muss. Die B hat sich durch den Mietvertrag daher sämtlichen Pflichten aus einem Mietverhältnis neben der bloßen Überlassung zulasten der A entledigt. Die Vermutung der verwerflichen Gesinnung wird hierdurch eher gestützt als widerlegt.

Gegen die verwerfliche Gesinnung könnte jedoch sprechen, dass B trotz des Kaufes durch die anschließende Vermietung die Sachherrschaft über des Fahrzeug an A übertragen und hierdurch das Risiko zu tragen hatte, das Fahrzeug in einem beschädigten und damit minderwertigen Zustand wiederzuerlangen. Hiergegen spricht jedoch, dass es sich bei diesem Risiko um ein solches handelt, welches einem Mietvertrag regelmäßig innewohnt. Diesem Risiko wird jedoch bereits dadurch begegnet, dass der B aus dem Mietvertrag Schadensersatzansprüche wegen der schuldhaften Beschädigung oder Zerstörung der des Fahrzeugs als Mietsache zustehen. Ein für die A günstiger oder für die B nachteiliger Zustand wird hierdurch nicht geschaffen, der der Vermutung der Verwerflichkeit entgegenstehen könnte.

Zuletzt könnte die verwerfliche Gesinnung sprechen, dass am Ende des Mietverhältnisses eine Verwertung des Fahrzeugs vorgesehen ist, bei der die Möglichkeit bestand, dass die A den durch die Versteigerung erzielten Mehrerlös erhält und hierdurch das Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung schrumpft. Zu beachten ist hier jedoch, dass A den Mehrerlös nicht in jedem Falle erhalten sollte. Vielmehr war die Auskehrung des Mehrerlöses nur für den Fall vorgesehen, dass weder A noch B, die beide an der Versteigerung teilnehmen durften, das Fahrzeug am Ende ersteigern. Insofern hatte B, wie vorliegend am Ende auch geschehen, die freie Möglichkeit, den Preis in die Höhe zu treiben oder durch eigene Ersteigerung zu verhindern, dass ein Dritter das Fahrzeug ersteigert und eine Auskehrung des Mehrerlöses stattfinden musste. Hierdurch war B ohne großartiges wirtschaftliches Risiko in der Lage, eine für sie günstige Ausgangsposition zu schaffen und das Fahrzeug am Ende erneut gewinnbringend zu verkaufen. Die Vermutung wird hierdurch ebenfalls gestützt anstatt widerlegt.

Die Vermutung der verwerflichen Gesinnung wurde daher im Einzelfall nicht wiederlegt. Insofern ist der Tatbestand des § 138 Abs. 1 BGB erfüllt und der Kaufvertrag wegen des wucherähnlichen Geschäfts nichtig.

(ee) Durchschlag auf das Verfügungsgeschäft (sog. Fehleridentität)

Nach der Feststellung, dass das Verpflichtungsgeschäft nichtig ist, ist fraglich, ob diese Nichtigkeit abweichend vom Trennungs- und Abstraktionsprinzip ausnahmsweise auf das Verfügungsgeschäft durchschlägt und zu dessen Nichtigkeit führt.

Ein solcher Durchschlag auf das Verfügungsgeschäft wäre im Falle des § 138 Abs. 1 BGB jedoch dann anzunehmen, wenn die Unsittlichkeit auch gerade im Vollzug des sittenwidrigen Vertrags liegt, wenn also mit dem dinglichen Vollzug entweder sittenwidrige Zwecke verfolgt werden oder in ihm die Sittenwidrigkeit begründet ist.[14]BGH Urt. v. 16.11.2022 – VIII ZR 436/21, BeckRS 2022, 35146 Rn. 50, beck-online

Wie bereits ausgeführt, erschöpft sich das sittenwidrige Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht in den kaufvertraglichen Regelungen. Vielmehr wurden der B auch durch die Übertragung er Erhaltungspflicht des Fahrzeugs sowie die Regelung zur späteren Verwertung des Fahrzeugs im Mietvertrag auf Kosten der A weitere Vorteile verschafft, die die Vermutung der Sittenwidrigkeit stützen. Insbesondere für die Verwertung des Fahrzeugs war es dabei notwendig, dass die B das Eigentum am Fahrzeug zuvor übertragen bekommt. Hinzukommt, dass das von der Beklagten angebotene Modell des „sale and rent back“ auf dem Ankauf des Fahrzeugs, dessen Übereignung an die Beklagte und der anschließenden Vermietung basiert. Zwar muss ein Vermieter nicht Eigentümer sein, jedoch ist die Beklagte im Mietvertrag ausdrücklich als „Eigentümerin des Kraftfahrzeuges“ genannt und aufgrund der vorliegenden Sachverhaltskonstellation erst nach der Übereignung des Fahrzeugs in der Lage, dieses dem Kläger wirksam im Rahmen eines Mietvertrags zum Gebrauch zu überlassen.[15]BGH Urt. v. 16.11.2022 – VIII ZR 436/21, BeckRS 2022, 35146 Rn. 50, beck-online Hierdurch wird deutlich, dass die Parteien ihrem Willen nach das Verpflichtungs- und das Verfügungsgeschäft zu einer rechtlichen Einheit im Sinne des § 139 BGB zusammenfassen wollten, um das Geschäftsmodell der B zu ermöglichen. Insofern wurden mit dem dinglichen Vollzug ebenfalls sittenwidrige Zwecke verfolgt und erst hierdurch ermöglicht, sodass ein ausnahmsweiser Durchschlag der Nichtigkeit angemessen ist.

Die Nichtigkeit des Kaufvertrags hat daher ausnahmsweise auch die Nichtigkeit des Verfügungsgeschäfts zur Folge. Die dingliche Einigung ist damit wegen eines Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB ebenfalls unwirksam.

A hat das Eigentum daher nicht an B durch Veräußerung verloren.

3. Verlust des Eigentums an B durch die Versteigerung, §§ 929 Abs. 1, 932 BGB

Fraglich ist jedoch, ob A das Eigentum am Fahrzeug durch die spätere Versteigerung an B verloren hat. Mangels Eigentümerstellung der B kommt lediglich ein gutgläubiger Erwerb nach §§ 929 Abs. 1, 932 BGB in Betracht.

a) Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäft

Zunächst wäre hierfür erforderlich, dass ein Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts vorliegt. Ein solches liegt dann vor, wenn eine Personenverschiedenheit von Veräußerer und Erwerber besteht. Zweck dessen ist es zu verhindern, dass der gutgläubige Erwerb dazu führt, dass ausgerechnet der Nichtberechtigte am Ende Eigentum erwirbt. [16]MüKoBGB/Oechsler, 9. Aufl. 2023, BGB § 932 Rn. 35 Das ist namentlich nicht der Fall, wenn die Sache bei der hier gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Vermögen derselben Person(en) verbleibt.[17]BeckOGK/Klinck, 1.3.2023, BGB § 932 Rn. 20

Während der Versteigerung ist B als Nichtberechtigte sowohl auf Veräußerer als auch auf Erwerberseite aufgetreten. Insofern fehlt es wegen der „Versteigerung an sich selbst“ bereits an einer Personenverschiedenheit und damit an einem Verkehrsgeschäft.[18]so auch: Omlor, JuS 2023, 262; Looschelder, LMK 2023, 804908, beck-online

Anmerkung: Entscheidung des BGH

In der dem Beitrag zugrundeliegenden Entscheidung finden sich keine Ausführungen zum Verkehrsgeschäft. Das liegt in der Regel daran, dass das Berufungsgericht den gutgläubigen Erwerb an einer anderen Stelle abgelehnt hat. Urteile enthalten dabei lediglich die die Entscheidung tragenden Ausführungen enthalten muss. Wird ein Anspruch abgelehnt, so reichen Ausführungen zu einem der Tatbestandsmerkmale.

b) Gutgläubigkeit, § 932 Abs. 2 BGB

Für eine gutgläubigen Erwerb wäre weiterhin notwendig, dass die B als Erwerberin des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Erwerbs in gutem Glauben nach § 932 Abs. 2 BGB gewesen ist. Gemäß § 932 Abs. 2 BGB ist der Erwerber nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört.

Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis ist vor diesem Hintergrund anzunehmen, wenn die Kenntnis deshalb fehlt, weil ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet wurde, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, wie etwa dann, wenn sich die unbekannt gebliebenen Umstände förmlich aufgedrängt haben und leicht zugängliche Informationsquellen nicht genutzt wurden.[19]BGH Urt. v. 16.11.2022 – VIII ZR 436/21, BeckRS 2022, 35146 Rn. 55, beck-online

Aufgrund der – infolge der objektiven Umstände zu vermutenden – verwerflichen Gesinnung musste die B davon ausgehen, dass sie nicht wirksam das Eigentum am Kraftfahrzeug der A erworben hat und daher auch nicht infolge einer der Zuschlagserteilung in der Versteigerung nachfolgenden Übereignung zur Eigentümerin werden konnte. Sie war daher im Zeitpunkt der Versteigerung bösgläubig.

A hat das Eigentum daher nicht gemäß §§ 929, 932 BGB durch Versteigerung an B verloren.

4. Zwischenergebnis

A ist daher bis zum schädigenden Ereignis, der Veräußerung des Fahrzeugs von B an C, weiterhin Eigentümerin geblieben, sodass eine Vindikationslage besteht.

II. Schädigendes Ereignis, § 989 BGB

Weiterhin müsste ein schädigendes Ereignis im Sinne des § 989 BGB vorliegen. Dies ist nach dem Wortlaut der Fall, wenn die Sache verschlechtert wird, untergeht oder aus einem anderen Grunde vom Verpflichteten nicht herausgegeben werden kann.

Dieses Ereignis liegt vorliegend in der nachträglichen Veräußerung des Fahrzeugs von B als Nichtberechtigte an C gemäß §§ 929, 932 BGB. Diese Veräußerung ist auch wirksam, da der C von der gesamten Vorgeschichte nichts wusste und damit gutgläubig gewesen ist.

Durch die wirksame Veräußerung und die Tatsache, dass C mit dem Fahrzeug ins Ausland verzogen ist, ist die B nicht mehr in der Lage, das Fahrzeug an A herauszugeben.

III.  Bösgläubigkeit der B, § 990 BGB

Weiterhin müsste B spätestens im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses bösgläubig in Bezug auf ihr Besitzrecht an dem Fahrzeug gewesen sein. Maßstab für die Bösgläubigkeit ist wie bei § 932 Abs. 2 BGB die positive Kenntnis oder zumindest grob fahrlässige Unkenntnis.[20]MüKoBGB/Raff, 9. Aufl. 2023, BGB § 990 Rn. 3

Der B war, wie bereits im Rahmen vom § 932 BGB  ausgeführt, infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt, dass die gegenständlichen Rechtsgeschäfte nichtig sind und dass sie aus diesem Grund weder aufgrund einer Eigentümerstellung noch aufgrund der Verwertungsregelungen im Mietvertrag berechtigt war, das Kraftfahrzeug in Besitz zu nehmen.[21]BGH Urt. v. 16.11.2022 – VIII ZR 436/21, BeckRS 2022, 35146 Rn. 59, beck-online B war damit bereits von Anfang an bösgläubig.

IV. Verschulden, §§ 989, 276 BGB

Die B handelte hinsichtlich der schädigenden Handlung zumindest fahrlässig, sodass sie schuldhaft nicht mehr zur Herausgabe des Fahrzeugs in der Lage ist.[22]BGH Urt. v. 16.11.2022 – VIII ZR 436/21, BeckRS 2022, 35146 Rn. 60, beck-online

V. Rechtsfolge, §§ 249 Abs. 1, 251 Abs. 1 BGB

Als Rechtsfolge schuldet die B der A den Ersatz des Schadens, der der A aus dem schädigenden Ereignis entstanden ist.

Vorliegend ist B aufgrund der Veräußerung des Fahrzeugs an C nicht mehr in der Lage, das Fahrzeug wiederzubeschaffen und hierdurch eine Naturalrestitution zu erreichen. Vor diesem Hintergrund ist B verpflichtet, gemäß § 251 Abs. 1 BGB sämtliche Vermögensschäden zu ersetzen, die der A als Eigentümerin daraus entstehen, dass die B als ehemalige Besitzerin die Sache nicht herausgeben kann. Der Höhe nach ist damit der Wert umfasst, den die A aufwenden muss, um ein vergleichbares Fahrzeug ersatzweise anzuschaffen.[23]BGH Urt. v. 16.11.2022 – VIII ZR 436/21, BeckRS 2022, 35146 Rn. 61, beck-online

Vorliegend hatte das Fahrzeug im Zeitpunkt der Versteigerung einen Wiederbeschaffungswert von 16.000 EUR, den A nunmehr zur Ersatzbeschaffung aufwenden müsste. Zu beachten ist jedoch, dass sie bereits 5.000 EUR Kaufpreis auf den nichtigen Kaufvertrag erhalten hat und diesen augenscheinlich bereits von der Schadensersatzforderung abgezogen hat, da sie lediglich 11.000 EUR verlangt (siehe hierzu die nachfolgende Anmerkung).

Anmerkung: Einwand des Klägers nach 817 S. 2 BGB

Im zugrundeliegenden Fall hat der Kläger eingewandt, einer Anrechnung des Kaufpreises (wohl im Wege der Aufrechnung) aufgrund eines Anspruchs aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB stehe die Ausschlussregelung des § 817 S. 2 BGB entgegen. Diesen Einwand hat der BGH aus formalen Gründen nicht zur Entscheidung genommen.

In der Sache selbst erscheint mir der Einwand des Klägers (hier dann A) sehr gut vertretbar, da ein einseitiger Sittenverstoß der B als Leistende vorliegt. Die Rechtsprechung und Literatur erweitern insofern den Rückforderungstatbestand des § 817 S. 2 BGB auf einen solchen Fall, da vom Wortlaut ein beidseitiger Sittenverstoß vorausgesetzt wird.[24]MüKoBGB/Schwab, 8. Aufl. 2020, BGB § 817 Rn. 48 Insofern könnte auch gut argumentiert werden, dass weiterhin 16.000 EUR verlangt werden können.

VI. Ergebnis

A hat gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 989, 990 Abs. 1 BGB zumindest in Höhe von 11.000 EUR.

Anmerkung: Gibt es weitere Anspruchsgrundlagen gegen B?

Im Urteil nicht angesprochen, aber im Gutachten sicherlich angebracht ist ein Anspruch auf Erlöserhausgabe nach § 816 Abs. 1 S. 1 BGB gegen B. In diesem Fall handelte B als Nichtberechtigter und die Verfügung ist aufgrund des Gutglaubenserwerbs auch wirksam.
Dieser Anspruch ist jedoch gerade nicht auf Schadensersatz in Höhe des Verkehrswerts gerichtet, sondern auf Herausgabe des Erlöses aus der Verfügung von B an C. Dies wäre dann der Kaufpreis, welchen C an B gezahlt hat. Informationen darüber, welchen Preis B erzielt hat, gibt der Sachverhalt jedoch nicht her, weswegen die Anspruchsgrundlage nicht ausführlich dargestellt wird. Das kann in der Klausur natürlich auch anders sein.

Angesprochen werden können aber auch noch Ansprüche aus §§ 823 ff. oder aus § 687 Abs. 2, § 678 BGB.

B. Anspruch auf Rückzahlung der gezahlten Miete aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt 1 BGB

A könnte gegen B weiterhin einen Anspruch auf Rückzahlung der entrichteten Miete in Höhe von 4.455 EUR aus Leistungskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB haben.

Vernetztes Lernen: Welche Anspruchsgrundlagen gibt es im Bereicherungsrecht?

I. Leistungskondiktionen

§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB: Ohne Rechtsgrund
§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB: Späterer Wegfall des Rechtsgrundes?
§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB: Nichteintritt des bezweckten Erfolgs
§ 813 BGB: Dauernde/Peremptorische Einrede
§ 817 S. 1 BGB: Sittenwidriger Leistungsempfang

II. Nichtleistungskondiktionen

§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB: Allgemeine Nichtleistungskondiktion
§ 816 Abs. 1 S. 1 BGB: Entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten
§ 816 Abs. 1 S. 2 BGB: Unentgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten
§ 816 Abs. 2 BGB: Leistung an einen Nichtberechtigten
§ 822 BGB: Unentgeltliche Zuwendung an einen Dritten

I. Etwas erlangt

B hat durch die Entrichtung der Miete entweder Eigentum und Besitz an Bargeld oder einen Anspruch gegen ihren Zahlungsdienstleister (zunächst auf Gutschrift, danach aus der erfolgten Gutschrift, §§ 780, 781 BGB) erlangt.[25]Omlor, JuS 2023, 262, beck-online

II. Durch Leistung der A

B müsste die Miete auch durch Leistung der A erlangt haben. Leistung ist die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens.[26]MüKoBGB/Schwab, 8. Aufl. 2020, BGB § 812 Rn. 47

Vorliegend hat die A im Glauben geleistet, dadurch eine Pflicht aus dem Mietvertrag zu erfüllen. Sie hat damit zweckgerichtet geleistet, um das Vermögen entsprechend des Mietvertrages zu mehren.

III. Ohne Rechtsgrund

Da auch der Mietvertrag als Teil des gesamten Vertragskonstrukts nichtig ist, erfolgte die Leistung von A auch ohne Rechtsgrund.

IV. Rechtsfolge, § 818 BGB

Als Rechtsfolge ist B zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet. Je nach Art der Zahlung ist die Herausgabe des Geldes in Natur nicht möglich, sodass in diesem Falle Wertersatz in gleicher Höhe zu leisten wäre, vgl. § 818 Abs. 2 BGB.

V. Ergebnis

A hat auch einen Anspruch auf Rückzahlung der entrichteten Miete nach § 812 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB gegen B.


Zusatzfragen

In welcher Höhe würde gegen B ein Anspruch bestehen, wenn er das Fahrzeug an C deutlich über Marktwert/Wiederbeschaffungswert (z.B. 30.000 EUR) verkauft hätte?

Der Anspruch aus §§ 989, 990 BGB würde sich weiterhin auf den Wert der Wiederbeschaffung (ggf. abzüglich des Kaufpreises) richten.
Im Falle eines höheren Kaufpreises wäre jedoch der Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB auf das „durch die Verfügung Erlangte“ gerichtet. Nach der Rechtsprechung des BGH gilt dies selbst dann, wenn im Erlangten eine Wertsteigerung liegt, die durch die Veräußerung erzielt wird. Herauszugeben wäre daher der volle Kaufpreis [27]vgl. zum Streitstand: MüKoBGB/Schwab, 8. Aufl. 2020, BGB § 816 Rn. 39

Assessorexamen: Welche Möglichkeiten hat A, wenn der C in die Sache eingeweiht gewesen wäre und der Ort des Autos noch bekannt ist?

A hätte zunächst die Möglichkeit, das Auto von C herauszufordern. Da C in die Sache eingeweiht gewesen ist, kommt kein gutgläubiger Erwerb in Betracht, sodass A weiterhin Eigentümerin ist. Ein solcher Anspruch würde nach § 985 BGB bestehen, da C gegenüber A kein (abgeleitetes) Besitzrecht hat.

Weiterhin bestünde jedoch die Möglichkeit, die Verfügung zwischen B und C im Nachhinein nach § 185 Abs. 2 S. 1 BGB zu genehmigen. In diesem Falle bestünden die gleichen Ansprüche wie wenn C gutgläubig gewesen wäre (dazu im Gutachten oben). Eine solche Genehmigung kann unter anderem in der Klage auf Schadensersatz gegen B gesehen werden.[28]BGH Urt. v. 16.11.2022 – VIII ZR 436/21, BeckRS 2022, 35146 Rn. 58 Ansonsten könnte die Genehmigung aber auch noch im Schriftsatz erklärt werden.


Zusammenfassung

1. Ist bei einem sog. „sale and rent back“ Geschäft der Händlereinkaufspreis rund 1,7-fach höher als der Kaufpreis des Kraftfahrzeugs, kann daraus auf eine verwerfliche Gesinnung des Käufers geschlossen werden; dieser Vermutung müssen die mietvertraglichen Vereinbarungen zur Anmietung, etwaige Nachteile durch die Vermietung oder Regelungen zur Verwertung des Fahrzeugs nach Ablauf der Mietzeit nicht entgegenstehen.

2. Die Sittenwidrigkeit eines Kaufvertrags führt auch zur Unwirksamkeit der im Rahmen der Erfüllung des Kaufvertrags erfolgten Übereignung, wenn nach den vertraglichen Regelungen das Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft als Einheit zusammengefasst ist.

3. Einem Eigentumserwerb des Meistbietenden im Wege der öffentlichen Versteigerung kann dessen fehlende Gutgläubigkeit entgegenstehen.

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