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Probefahrt die II. – Ortungsmöglichkeit schützt vor „Strafe“ nicht

OLG Celle, Urteil vom 12.10.2022 – 7 U 974/21, NJW 2023, 229

Sachverhalt

(abgewandelt und gekürzt)

Die Beklagte (B), die gewerblich mit Kraftfahrzeugen handelt, überließ am 8. September 2020 einen gebrauchten Audi Q5 an einen angeblichen Kaufinteressenten (S) für eine einstündige Probefahrt. In dem Fahrzeug waren zwei Sim-Karten verbaut, die eine Ortung (ausschließlich) durch die Polizei mit Unterstützung der Herstellerin ermöglichen. B behielt die Zulassungsbescheinigung Teil II und einen Zweitschlüssel. S, der falsche Personalien angegeben hatte, kehrte mit dem Fahrzeug von der Probefahrt jedoch nicht zurück. Vielmehr bot S das Auto bei Ebay für 32.550 € an. Der spätere Kläger (K) war an dem Auto interessiert und vereinbarte mit S ein Treffen in einem Wohngebiet in Hannover. K kam aufgrund hohen Verkehrsaufkommens jedoch rund zwei Stunden zu spät zum Treffpunkt. S erklärte K sodann telefonisch, dass er persönlich nicht mehr kommen kann, aber seine Partnerin (P), die ohnehin Eigentümerin des Fahrzeugs sei, vor Ort anzutreffen ist. Am vereinbarten Treffpunkt ließ sich K dann von P einen Personalausweis vorlegen. Dieser war zwar echt, aber wurde der auf dem Ausweis eingetragenen Person entwendet. Der Name auf dem Personalausweis stimmte nicht mit dem Namen aus dem Inserat bei Ebay bzw. dem Namen auf dem Kaufvertrag überein. P sah, mit Ausnahme der Körperstatur (die Person, die auf dem Ausweis zu sehen war, sah etwas pummeliger aus) der Person auf dem Personalausweis ähnlich. Zweifel an der Identität der P hatte K nicht. Bei dem Treffen monierte der K die Ausstattung des Autos gegenüber P, da diese nicht wie inseriert gewesen ist. Nach einem Telefonat mit dem S einigten sich die Parteien dann auf einen finalen Kaufpreis von 31.000 €, welchen K bar bezahlte. P übergab dem K (gut gefälschte) Zulassungspapiere II (die inhaltlich auch zu den Angaben auf dem Personalausweis passten), die auf K echt wirkten, und einen Schlüssel. Zusätzlich wurde K mitgeteilt, dass S ihm den Zweitschlüssel im Nachgang übersenden wird.

Indes wandte sich B an die Polizei sowie die Herstellerin, um den Ort des Fahrzeugs anhand der verbauten SIM-Karten ermitteln zu können. Die Polizei konnte das Fahrzeug bei K finden und die Staatsanwaltschaft nahm den Wagen in Verwahrung, da K lediglich die gefälschten Papiere vorlegen konnte.

Die Staatsanwaltschaft gab das in Verwahrung genommene Fahrzeug sodann an B, welcher die echten Fahrzeugpapiere vorlegen konnte, heraus. Dieser veräußerte das Auto am 29. Oktober 2020 für 35.000 € weiter an E. E kannte den vorherigen Sachverhalt nicht. Vielmehr hegte er aufgrund der echten vorgelegten Zulassungspapiere keinerlei Zweifel an der Rechtmäßigkeit.

In der Folge konnten S und P nicht ausfindig gemacht werden.

K fragt sich nun, ob er Ansprüche gegen E und/oder B hat.


Skizze


Gutachten

A. Ansprüche gegen E

K könnten Ansprüche gegen E zustehen.

I. Vertragliche und quasivertragliche Ansprüche

Zwischen K und E bestehen keinerlei vertragliche oder quasivertragliche Beziehungen. Insofern scheiden solche Ansprüche aus.

II. Dingliche Ansprüche

Vernetztes Lernen: Herausgabeansprüche
In sachenrechtlichen Klausuren, in denen es um die Herausgabe einer Sache geht, sollten (zumindest kurz) folgende Anspruchsgrundlagen angesprochen werden:

§ 985 BGB (zumeist der primäre Anknüpfungspunkt), § 861 Abs. 1 BGB, § 1007 Abs. 1 BGB und § 1007 Abs. 2 BGB. Hin und wieder, je nach Sachverhalt, sind auch §§ 812 ff. BGB sowie §§ 823 ff. i.V.m. § 249 BGB anzusprechen.

1. Anspruch aus § 985 BGB

K Könnte gegen E einen Anspruch auf Heraushabe des Autos haben. Dafür müsste eine Vindikationslage gegeben sein. K müsste Eigentümer und E Besitzer ohne Recht zum Besitz sein.

a. P als Besitzer

P müsste im Besitz des Autos gewesen sein. Hier war P unmittelbare Besitzerin des Autos.

b. Eigentümerstellung des K

K müsste Eigentümer des Autos sein.

aa. Ursprüngliche Eigentümerstellung

Ursprünglich war B Eigentümerin, § 1006 Abs. 1 BGB.

bb. Erwerb von S

Dann könnte S das Eigentum erworben haben, als B dem S die Schlüssel für das Auto zum Zwecke der Probefahrt überreichte, § 929 S. 1 BGB. Es bedarf zumindest der Einigung darüber, dass das Eigentum übergehen soll. Dies ist hier nicht gegeben. B hat S das Auto nur für die Probefahrt überlassen. Das Eigentum ist nicht übergegangen.

cc. Übergang auf K

K könnte das Eigentum von P erworben haben, § 929 S. 1 BGB. Dafür müssten sich K und P darüber einig gewesen sein, dass das Eigentum übergeht, es müsste eine Übergabe stattgefunden haben, bei welcher beide Parteien noch einig gewesen sein müssen und P müsste zur Eigentumsübertragung berechtigt gewesen sein.

(1) Einigung

P und K müssten sich einig gewesen sein, dass das Eigentum übergeht. Sowohl K als auch P waren sich darüber einig, dass K Eigentümer des Fahrzeugs werden soll. Eine Einigung ist gegeben.

(2) Übergabe

P müsste die Sache an K übergeben haben. Eine Übergabe setzt den Gewahrsamswechsel an der betreffenden Sache sowie die Aufgabe jeglicher Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache durch den Veräußerer voraus. Hier hat P dem K die Schlüssel und das Auto ausgehändigt. Sie selbst hatte insofern keine Einwirkungsmöglichkeit mehr. Eine Übergabe ist gegeben.

(3) Einigsein

P und K waren sich im Zeitpunkt der Übergabe auch einig.

(4) Berechtigung

P müsste auch berechtigt gewesen sein. Berechtigter ist der verfügungsbefugte Eigentümer und der verfügungsbefugte Nichteigentümer. Vorliegend war P weder Eigentümerin (s. oben) noch war sie anderweitig verfügungsbefugt (insb. nicht durch § 185 Abs. 1 BGB durch den wahren Eigentümer). P hatte keine Berechtigung inne.

(5) Gutgläubiger Erwerb, § 932 Abs. 1 BGB

K könnte das Eigentum jedoch gutgläubig erworben haben, § 932 Abs. 1 BGB.

(a) Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts

Es müsste ein Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts gegeben sein. Ein Rechtsgeschäft liegt unproblematisch vor. „Verkehrsgeschäft“ bedeutet, dass auf Veräußerer- und Erwerberseite unterschiedliche Personen beteiligt sein müssen. Dies ist hier ebenfalls der Fall.

(b) Rechtscheintatbestand

Weiterhin muss ein Rechtsscheintatbestand in Gestalt des Besitzes auf Veräußererseite, vgl. § 1006 Abs. 1 BGB, gegeben sein. Dies ist hier der Fall.

(c) Guter Glaube, § 932 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB

K müsste gutgläubig iSd. § 932 Abs. 1 S. 1 BGB gewesen sein. Der Erwerber ist gem. § 932 Abs. 2 BGB nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört.

K war nicht bekannt, dass das Auto nicht im Eigentum der P stand. Fraglich ist jedoch, ob K dieser Umstand grob fahrlässig unbekannt geblieben ist.[1]zu den Anforderungen an den guten Glauben beim Kraftfahrzeughandel BeckOK BGB/Kindl, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 932 Rn. 17 Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn sog. Verdachtsmomente gegeben sind (welchen nicht nachgegangen wird) oder der Erwerber seiner Mindestsorgfaltspflicht, nämlich die Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil II zu verlangen, nicht nachkommt. Zu würdigen ist hier sowohl jeder einzelne Umstand als auch das Geschehen in einer Gesamtschau.

(aa) Vorliegend hat K eine gefälschte Zulassungsbescheinigung II überreicht bekommen. Die Fälschung wirkte so echt, dass K diese nicht erkennen können musste. Vielmehr kann K auf die Eigentümerstellung des Veräußerers vertrauen, wenn die Namen des Veräußerers mit dem im Fahrzeugbrief übereinstimmt.

(bb) Zwar war die Person auf dem Personalausweis pummliger als P. Allerdings sahen die Personen sonst sehr ähnlich aus. Dass eine Person im Laufe der Zeit zu- oder abnimmt ist nicht ungewöhnlich. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die Adresse und der Name nicht zu der Person passten, die bei Ebay inseriert haben. Dass dieser Umstand nicht kritischer betrachtet worden ist, begründet alleingesehen kein grob fahrlässiges Verhalten.

(cc) Dass das Geschäft ein „Straßenverkauf“ gewesen ist, begründet ebenfalls keine Nachforschungspflicht[2]BGH, Urteil vom 18. September 2020 – V ZR 8/19. Es unterliegt der Privatautonomie, dass Geschäfte zwischen Parteien überall geschlossen werden können, wo die Parteien es wünschen. Aus diesem Grund musste K keine Zweifel hinsichtlich der Eigentümerstellung haben.

(dd) Der Zweitschlüssel wurde K nicht übergeben. Aufgrund der Umstände konnte K dies als plausibel einordnen. Schließlich ist er selbst deutlich zu spät zum Treffpunkt gekommen. Somit konnte er der Richtigkeit des Vortrags Glauben schenken.

(ee) Schließlich führt auch eine Gesamtschau aller Umstände nicht dazu, dass sich K aufdrängen musste, der P gehöre das angebotene Fahrzeug nicht. K hat die von ihm geforderten Nachforschungen – Prüfung der Übereinstimmung des Veräußerers in den Fahrzeugpapieren – anhand des Personalausweises vorgenommen. Dabei mussten ihm keine Zweifel kommen. Im Verhältnis hierzu ist den weiteren Verdachtsmomenten nur ein geringer Indizwert zuzusprechen, der nicht genügt, um das Verhalten des K als grob fahrlässig anzusehen.[3]OLG Celle, Urteil vom 12.10.2022 – 7 U 974/21

Anmerkung: Klausurkonstellation
Es ist in solchen Klausuren auf jeden Umstand (Verdachtsmoment) einzugehen und diesen einzuordnen. Wichtig ist hierbei, dass die Rechtsprechung primär den Abgleich von Personalausweis und Fahrzeugbrief II fordert. Wenn dieser Prüfung nachgekommen ist, sollten für die Annahme einer groben Fahrlässigkeit erhärtete Verdachtsmomente gegeben sein. Ansonsten wird zumeist eine grobe Fahrlässigkeit abzulehnen sein.
(d) Kein Abhandenkommen, § 935 Abs. 1 S. 1 BGB

Die Sache dürfte B nicht abhandengekommen sein. Nach § 935 Abs. 1 Satz 1 BGB tritt ein gutgläubiger Erwerb auf Grund der §§ 932 bis 934 BGB nicht ein, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verlorengegangen oder sonst abhandengekommen war. Eine bewegliche Sache kommt ihrem Eigentümer im Sinne von § 935 Abs. 1 Satz 1 BGB abhanden, wenn dieser den unmittelbaren Besitz an ihr unfreiwillig verliert.[4]MüKoBGB/Oechsler, 9. Aufl. 2023, BGB § 935 Rn. 2; BGH, Urteil vom 18.09.2020 – V ZR 8/19 Fraglich ist, ob B den tatsächlichen Besitz an der Sache verloren hat. Der unmittelbare Besitz einer Sache wird gem. § 854 Abs. 1 BGB durch die tatsächliche Herrschaftsgewalt über die Sache erworben. In wessen tatsächlicher Herrschaftsgewalt sich die Sache befindet, hängt maßgeblich von der Verkehrsanschauung ab, also von der zusammenfassenden Wertung aller Umstände des jeweiligen Falles entsprechend den Anschauungen des täglichen Lebens.[5]OLG Celle, Urteil vom 12.10.2022 – 7 U 974/21

Vernetztes Lernen: Vorliegen einer Besitzdienerschaft?
An dieser Stelle können insbesondere auch Ausführungen dazu gemacht werden, ob der S nicht als Besitzdiener des B agiert. So ist der BGH schwerpunktmäßig in seinem Urteil (18.09.2020 – V ZR 8/19) der Frage nachgegangen, ob in dieser Konstellation eine Besitzdienerschaft gegeben ist und diese überzeugend verneint (vgl. ausführlich: https://examensgerecht.de/die-unendliche-probefahrt/#3_P_Besitzdienerschaft_des_B)

Einerseits könnte man annehmen, dass mit Aushändigung des Autos samt der Schlüssel S den unmittelbaren Besitz am Auto erworben hat. Schließlich konnte sich S frei mit dem Auto bewegen und war nicht hinsichtlich der tatsächlichen Ausübung des Gebrauchs eingeschränkt.

Andererseits kann man den Verlust des unmittelbaren Besitzes jedoch auch ablehnen. Schließlich waren durchgehend die SIM-Karten zur Ortung des Fahrzeugs im Auto verbaut, sodass stets das Auto ausfindig gemacht werden könnte.[6]So die Argumentation der Beklagten im Original-Fall, vgl. OLG Celle, Urteil vom 12.10.2022 – 7 U 974/21

Die erste Auffassung vermag zu überzeugen. Für die Besitzverhältnisse an einem Kraftfahrzeug kommt es darauf an, wer die tatsächliche Sachherrschaft über die Fahrzeugschlüssel ausübt. Die Übergabe eines Schlüssels bewirkt allerdings nur dann einen Besitzübergang, wenn der Übergeber die tatsächliche Gewalt an der Sache willentlich und erkennbar aufgegeben und der Empfänger des Schlüssels sie in gleicher Weise erlangt hat. Bei einer Aushändigung der Schlüssel für eine Besichtigung (ohne entsprechende Fahrt) wird regelmäßig noch kein Besitzübergang begründet werden, da das Auto hierbei regelmäßig noch auf dem Gelände des Autohändlers stehen wird und dieser entsprechend noch auf die Sache tatsächlich einwirken kann. Selbiges kann bei einer Probefahrt angenommen werden, bei welcher ein Kaufinteressant vom Autohändler begleitet wird. Auch hier hat der Autohändler die tatsächliche Sachherrschaft noch nicht aufgegeben. Vorliegend werden die Schlüssel jedoch für eine unbegleitete Probefahrt übergeben. Die Überlassung eines Kraftfahrzeugs durch den Verkäufer zu einer unbegleiteten und auch nicht durch technische Vorrichtungen, die einer Begleitung vergleichbar sind, gesicherten Probefahrt eines Kaufinteressenten auf öffentlichen Straßen für eine Dauer von einer Stunde ist nicht mehr nur als reine Besitzlockerung anzusehen, sondern führt zu einem freiwilligen Besitzverlust.[7]BGH, Urteil vom 18.09.2020 – V ZR 8/19; vgl. insb. auch https://examensgerecht.de/die-unendliche-probefahrt/ Hieran ändert auch eine mögliche Ortung des Fahrzeugs durch die SIM-Karten nichts. Die Möglichkeit einer Ortung kommt einer begleiteten Probefahrt nicht gleich. Die Ortungsmöglichkeit begründet keine tatsächliche Herrschaftsgewalt über eine Sache. Hinzu tritt vorliegend, dass B ohne Zutun der Polizei und des Herstellers die Ortung nicht vornehmen kann. Seine Einwirkungsmöglichkeiten sind dahingehend nochmals eingeschränkt. Denn unabhängig von der Hürde an sich, dass die Ortung nur unter Mitwirkung Dritter erfolgen kann, entsteht durch diese auch ein zeitlicher Verzug.[8]hinsichtlich technischer Vorrichtungen bei Probefahrten: Schwepcke, NJW 2023, 1319 Rn. 33-35 Dogmatisch lässt sich dieser Gedanke auch auf § 859 Abs. 2 BGB stützen. Danach darf ein Besitzer, wenn diesem eine bewegliche Sache mittels verbotener Eigenmacht weggenommen wird, er sie dem auf frischer Tat betroffenen oder verfolgten Täter mit Gewalt wieder abnehmen. Insofern hindern weder die Betroffenheit auf frischer Tat noch die Verfolgung des Täters den Besitzverlust.[9]OLG Celle, Urteil vom 12.10.2022 – 7 U 974/21 Dann kann erst recht nicht die reine Ortungsmöglichkeit einer Sache den Besitzverlust hindern. Es liegt kein Abhandenkommen im Sinne des § 935 Abs. 1 BGB vor.

(6) Zwischenergebnis

K ist Eigentümer des Autos.

dd. Übergang auf B

K könnte das Eigentum jedoch an B verloren haben, als die Staatsanwaltschaft das Auto an diesen herausgab. Unabhängig des Fehlens weiterer Voraussetzungen liegt zumindest auch keine Einigung über den Eigentumswechsel vor.[10]Beachte jedoch den Hinweis unter ee. (2) Das Eigentum ist nicht auf B übergegangen.

ee. Übergang auf E durch B

E könnte jedoch Eigentümer geworden sein als B ihm das Auto übergab, § 929 S. 1 BGB.

(1) Eigentumsübergang auf E, § 929 S. 1 BGB

E und B waren sich einig und B hat dem E das Auto auch übergeben. Bei der Übergabe waren beide Parteien einig. B war jedoch nicht berechtigt. Weder hatte er das Eigentum inne noch war er anderweitig verfügungsbefugt.

(2) Gutgläubiger Erwerb, § 932 Abs. 1 BGB

E könnte das Auto jedoch gutgläubig erworben haben, § 932 Abs. 1 BGB.  Ein Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts liegt vor. Auch war B im Besitz des Autos, sodass ein Rechtsschein gesetzt ist. E war auch in guten Glauben im Sinne des § 932 Abs. 2 BGB und die Sache ist nicht abhandengekommen.[11]Hinweis: Es könnte hier von besonders guten BearbeiterInnen auch (kurz) diskutiert werden, ob aufgrund der Einziehung des Autos durch Staatsanwaltschaft ein Abhandenkommen auf Seiten des K gegeben … Continue reading

E ist Eigentümer des Autos.

ff. Zwischenergebnis

K ist nicht Eigentümer des Autos.

c. Ergebnis

K hat keinen Anspruch gegen E auf Herausgabe des Fahrzeugs.

2. Weitere Ansprüche

Herausgabeansprüche aus § 861 BGB, § 1007 Abs. 1 BGB und § 1007 Abs. 2 BGB kommen allesamt nicht in Betracht, da E gutgläubig und/oder Eigentümer der Sache ist. Auch weitere dingliche Ansprüche scheiden aus, da keine Vindikationslage gegeben ist.

III. Deliktische und bereicherungsrechtliche Ansprüche

Auch hat K gegen E weder deliktische noch bereicherungsrechtliche Ansprüche.

IV. Ergebnis

K hat keine Ansprüche gegen E.

B. Ansprüche gegen B

K könnte einen Anspruch gegen B haben.

I. Vertragliche und quasivertragliche Ansprüche

Zwischen den Parteien gab es weder einen Vertrag noch ergeben sich auf dem Sachverhalt Anknüpfungspunkte für quasivertragliche Ansprüche.

II. Dingliche Ansprüche

1. Herausgabeansprüche

Ansprüche, die auf die Herausgabe der Sache gerichtet sind, scheiden aus. B ist nicht im Besitz der Sache.

2. Anspruch aus §§ 989, 990 BGB

Es kommt ein Anspruch aus §§ 989, 990 BGB in Betracht. Dafür müsste B zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses, der Veräußerung an E, nicht in gutem Glauben gewesen sein. B war jedoch in gutem Glauben.[12]Hinweis: Die Anforderungen an ein „Kennenmüssen“ sind hier relativ hoch und liegen vor, „wenn der Besitzer über den Mangel seines Rechts in einer Weise aufgeklärt worden ist, dass ein … Continue reading  Somit liegen die Anspruchsvoraussetzungen nicht vor.

III. Deliktische Ansprüche

Ein deliktischer Anspruch kommt nicht in Betracht.

IV. Bereicherungsrechtliche Ansprüche

K könnte gegen B jedoch einen Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB zustehen. Dafür müsste B etwas entgeltlich verfügt haben ohne dazu berechtigt gewesen zu sein. Diese Verfügung müsste dem Berechtigten gegenüber wirksam sein.

1. Verfügung

Eine Verfügung müsste gegeben sein. Unter Verfügung wird ein Rechtsgeschäft verstanden, durch ein bestehendes Recht aufgehoben, übertragen, belastet oder inhaltlich verändert wird.[13]MüKoBGB/Schwab, 8. Aufl. 2020, BGB § 816 Rn. 9 Vorliegend wurde das Eigentum am Auto von B an E übertragen. Eine Verfügung liegt vor.

2. Entgeltlichkeit der Verfügung

Die Verfügung müsste entgeltlich erfolgt sein. Der Verfügung ging ein Kaufvertrag voraus. Die Verfügung erfolgte entgeltlich.

3. Keine Berechtigung des Verfügenden

Wie dargestellt war B dazu auch nicht berechtigt. Er war weder Eigentümer noch anderweitig verfügungsbefugt.

4. Wirksamkeit gegenüber dem Berechtigten

Die Verfügung müsste dem K gegenüber auch wirksam sein. E hat das Eigentum an der Sache aufgrund eines gutgläubigen Erwerbs erworben. Von Gesetzes wegen ist die Verfügung dem K gegenüber schon wirksam.[14]Hinweis: Soweit dies oben abgelehnt wird oder die Klausurkonstellation eine solche Annahme nicht zulässt, müsste hier angemerkt werden, dass die Verfügung zumindest noch wirksam werden könnte, … Continue reading

5. Rechtsfolge

B ist dem K gegenüber zur Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten verpflichtet. Vorliegend sind dies 35.000 €. K hat gegen B einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 35.000 €.

V. Ergebnis

K hat gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 35.000 € aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB.


Zusatzfrage

Wie im obigen Fall, nur hat K gegen B neben 816 Abs. 1 S. 1 BGB auch einen Anspruch aus 989, 990 BGB. Jedoch kennt K nicht den Kaufpreis, der zwischen B und E vereinbart worden ist. Er überlegt, dass es für ihr vielleicht sicherer wäre, wenn er aufgrund dessen den Anspruch aus 989, 990 BGB geltend macht. Was wäre K wieso zu empfehlen und wo ist hierfür der dogmatische Anknüpfungspunkt?

In dieser Konstellation hat der Anspruchssteller ein Wahlrecht, welchen Anspruch er geltend macht. Zu beachten ist hierbei, dass §§ 989, 990 BGB und § 816 Abs. 1 S. 1 BGB verschie-dene Rechtsfolgen haben. Während §§ 989, 990 BGB auf den Schaden abzielt, kann über § 816 Abs. 1 S. 1 BGB das durch die Verfügung Erlangte herausgefordert werden – nach hM auch dann, wenn der Erlös über dem Wert der Sache liegt. Somit fährt der Anspruchssteller oftmals besser, wenn er über § 816 Abs. 1 S. 1 BGB „geht“. Damit dies jedoch nicht zum Roulettespiel wird, steht dem Anspruchssteller in dieser Konstellation ein Auskunftsanspruch zu, welcher auf den Betrag des Erlöses abzielt. Hergleitet wird dieser mangels einer normierten Anspruchsgrundlage aus § 242 BGB.


Zusammenfassung

Neben den bekannten Grundsätzen zum Maßstab hinsichtlich des guten Glaubens beim Erwerb eines Kraftfahrzeugs wird vom OLG insbesondere betrachtet, inwiefern die Möglichkeit einer Ortung der Aufgabe des unmittelbaren Besitzes entgegensteht. Im Ergebnis wird festgestellt, dass die Ortungsmöglichkeit durch im Auto verbaute SIM-Karten nicht mit einer betreuten Probefahrt vergleichbar ist.


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